Donnerstag, 13. November 2014

Robert Blum

Leitartikel von Theodor Althaus in der von ihm redigierten "Bremer Zeitung" vom 14. November 1848 zum Tode von Robert Blum: 




R o b e r t  B l u m.


* Die Männer, die das Volk zu Wortführern und Kämpfern … seine Freiheit und des Vaterlandes Ehre gewählt, sind das …. Ziel der feindlichen Macht. In Frankfurt sind sie im Verhör, …  in Berlin ist ihre Versammlung des Hochverraths angeklagt, in Wien ist Robert Blum, der Führer und der Abgesandte der Partei, der das Vertrauen des Volkes hat, standrechtlich verurtheilt, erschossen. Nach dem Flügelschlag der Revolution vom Süden bis zum Norden, schließt der Belagerungszustand einen Heerd der ….heit nach dem andern ein, und dieser letzte erschütternde Schlag ist das Aeußerste der Rechtlosigkeit, der Niederlagen, von denen wir in unaufhaltsamer Folge gebeugt sind. Wer noch nicht glauben wollte, daß um Tod und Leben in diesen Tagen gerungen wird, den werden die Schüsse aus der Brigittenau durchbeben, daß er ….: Es wird Ernst, der fürchterliche Ernst der Contrerevolution! Und wenn die Freiheit jetzt  u n t e r l i e g t, so wird sie auch in den Staub  z e r t r e t e n  werden!
Sie unterliegt nicht! wir sind nur in einer sinkenden Welle in dem wogenden Meerstrom des Jahrhunderts, und die nächste wird gewaltiger steigen als die ersten. Die Brust senkt sich einen Moment, aber der Athem der Revolution ist nicht erstickt  u n d  sie rudert die neuen Lasten um so wilder ab, je unerträglicher sie aufgebürdet wurden.
Sie schafft sich ihre Männer selbst, und in diesem unerschütterlichen Glauben wird Robert Blum mit festem Blick seine Brust den …..geln geboten haben; vielleicht mit dem letzten Gedanken an die Worte seines Gefährten Julius Fröbel, unseres edlen Freundes, um dessen Schicksal wir noch in Sorge schweben, - an die Worte:
                   Die Freiheit ist des Blutes werth,
                   Und fällt für sie ein starkes Haupt, so richten
                   Begeistert neue Häupter sich empor! –
Nur einen Moment haben wir, ihm nachzublicken; einen Moment, in dem noch Keiner weiß, ob er den Gefallenen beklagen oder glücklich preisen soll, die Tage der nächsten Zukunft nicht mehr gesehen zu haben.
Vor einem Jahr in diesen Novembertagen sahen wir ihn auf dem Fest des deutschen Freiheitsdichters, das Leipzig feiert, das er mitbegründet hat. Wie viele sind, die ihn von Ministern und Kammern, von Reaction und Revolution reden gehört! Und Andere verstanden das so gut wie er. Aber wer vergisst dieses Fest, wo er draußen im niedrigen Saal zu den Bauerkindern sprach, wo er … der Schule und den Büchern in einfachster Weise die jungen ….stellungen heraufleitete bis zur Ordnung in der Gemeinde, bis zum Gesetz im Staat, zur Freiheit und Liebe im Vaterland; wie samt der inneren Lust, die stets sein Reden und Wirken begleitete, die Keime des Hohen und Edlen, die unser Dichter und Prophet hier ausgestreut, hier jedes Jahr von neuem den Kindern des Volks in die Herzen legte! Die unermüdete Treue, mit der er im kleinsten Kreise wirkte, wie er ja auch gedient und gearbeitet hatte von unten auf, wird sein bleibender Ruhm sein; aber wer ihn nicht kannte – und sehr wenige haben ihn ganz gekannt – ahnte weder in diesen gemüthlichen Reden, noch in der Ruhe, die er im …. Leben stets bewahrte, die gewaltigen Leidenschaften, die seine Seele gebändigt hatte.
Von ihnen war sein Inneres stärker als je bewegt in jener Märznacht, nach den Tagen von Berlin, als in einem engen Kreise der politischen Freunde der Feldzugsplan zum Vorparlament berathen wurde. Die kleine Gesellschaft war bei ihm versammelt; manche von weiter her eben angekommen; die Erregtheit stieg, der revolutionäre Ungestüm brach aus den Tiefen hervor und in den …igen Forderungen und Entgegnungen verlor sich die Debatte mehr als einmal aus ihren Gränzen und stürmte über ihren Zweck hinaus. Es verstand sich von selbst, daß Blum präsidirte; er war es, der jedesmal im rechten Moment die Zügel ergriff, das Hauptziel ins Auge faßte und frisch blieb bis zuletzt, als seine Rede wie  …te eines Feldherrn klang, und seine junge Schwester, die neben seinem Stuhle stand, so stolz auf ihren Bruder sah!
Die Zeiten hatten sich erfüllt; Blum war der Führer der Linken in der Nationalversammlung geworden. Noch waren die Spaltungen nicht so unversöhnlich weit wie jetzt gerissen, die Hoffnungen noch stark, das Vertrauen größer, der Haß ungewisser, und mit neuem Muth sah die große Mehrzahl der neuen Macht, der Centralgewalt entgegen. Damals war Blum fast der Einzige, der unbeirrt von dem Lächeln und Schweigen der „ehrlichen Freiheitsfreunde“, den Charakter der neuen Macht erkannte und sich nicht scheute, seine Rede leidenschaftlich zu enden: „Wollen Sie das Himmelsauge der Freiheit brechen sehen und die alte Macht heraufführen:  s c h a f f e n  Sie Ihre  D i c t a t u r!“
Damals wurde er verlacht wegen der „Phrase.“ Vier Monat später, am Morgen des neunten November, hat er vielleicht an sie zurückgedacht, einst als er, so oft von Tausenden begleitet und begrüßt, nun allein, verlassen, preisgegeben, ohne Freunde, ohne Volk, in der Brigittenau draußen vor Wien den letzten Gang gethan zwischen den czechischen und polnischen Bajonetten! – Ein sehr naher Gedanke!
Oder ist nicht etwa die Centralgewalt in der That zur Dictatur geworden? Ist nicht von  F r a n k f u r t  der Belagerungszustand nach Wien gekommen, und haben nicht die Minister der Centralgewalt in diesen Tagen aus vollem Herzen das Lob des Standrechts und des Generals verkündigt, von denen über Blum das Todesurtheil gesprochen wurde? Und erleben wir es nicht, daß in Berlin der Hochverrath der Krone gegen das Volk „eine zweckmäßige Maßregel“ genannt wird von dem Reichscommissar, den die Centralgewalt dahin gesandt?
Ist zwischen Olmütz und Potsdam, ist zwischen Windischgrätz und Wrangel ein Unterschied?
Was kann Bassermann nach dieser Erklärung anders, als in die Fußstapfen der wiener Commissare treten, die einzig noch zu sorgen übrig hatten, „daß die Entscheidung nicht  a l l z u  b l u t i g  werde“?!
Nein, es ist  k e i n  U n t e r s c h i e d  zwischen Wien und Berlin, es sind die Kämpfe der Freiheit im  e i n i g e n  D e u t s c h l a n d, ihre Niederlagen und ihre Siege zucken elektrisch durch das ganze Land.
Das fühlt das Volk, und das wird ein Trost sein, denn aus diesem Bewußtsein werden Thaten und ein einiger Aufschwung der Revolution hervorgehen. Wir bedürfen dieses Trostes, denn der Schmerz über unsre Schmach ist zu groß. Einen Mann, von dem der Haß nicht läugnen kann, daß er für Volk und Freiheit alle Kräfte aufgeboten, - einen von den Vertretern der deutschen Nation haben sie gerichtet ohne Recht, haben ihn erschossen und begraben ohne Sang und Klang, und ein trotziger Soldat schleudert dem schützenden Gesetz der Nationalversammlung diesen Hohn entgegen, während im Vaterlande der Mann, der für die Freiheit treu hinter seiner Barrikade ausgehalten hat, von der hohen und niedern Pöbelpresse mit Schimpf und Schande zu Grab geleitet ist. Erst höhnten ihn die Weisen als einen Mann der vulgären Phrasen; dann fiel ihn das Gezücht seiner heimlichen und offenen Feinde mit hämischen Verläumdungen an, verkündete mit Triumph: er sei feige entflohn; und endlich, da sie ihm die Ehre des Muths und der Todesverachtung nicht rauben konnten, suchten sie ihn wenigstens als Bluthund zu brandmarken; voran, wie immer, das Organ der Centralgewalt, und der Chor hintendrein. – J e t z t  werden sie heulen, denn sie  f ü r c h t e n. Wie Simson kann er in seinem fall die letzte gelobte „Säule des Staats“ mit umreißen.
Denn wenn seine Freunde in Frankfurt noch ihre Ehre waren und die Gesetze der Nationalversammlung nicht verhöhnen lassen wollen, so müssen sie den zur Strafen ziehenm der sie verhöhnt hat. „Wir werden es, er trage eine Blouse oder eine Krone“! jubelte einst das ganze Parlament. Wohlan, auch jetzt denn, da er einen  F e l d h e r r n s t a b  trägt!
Die Volkspartei muß verlangen:  d a ß  W i n d i s c h g r ä t z,  d e r  a u f  d e u t s c h e m  B o d e n  e i n e n  d e u t s c h e n  V o l k s v e r t r e t e r  p o l i t i s c h  g e m o r d e t  u n d  a n  e i n e m  d e u t s c h e n  R e i c h s g e s e t z  d o p p e l t  u n d  d r e i f a c h  g e f r e v e l t  h a t,   s o f o r t  v o n  s e i n e m  C o m m a n d o  e n t h o b e n  u n d  z u r  V e r a n t w o r t u n g  u n d  S t r a f e  g e z o g e n  w i r d. 
Windischgrätz aber ist die Säule des Reichsministeriums, und die Nationalversammlung will das Reichsministerium nicht fallen lassen?
Dann kann ein letzter Schritt geschehen, und wenn die Angst und Muthlosigkeit jammernd fragt: was wollt Ihr machen? – so wird die Antwort kommen, die jener Bursch hinter der Barrikade in Frankfurt gab:
„Was wir machen wollen?  E i n  P a r l a m e n t,  d a s  E h r e  i m  L e i b  h a t!“


A u f f o r d e r u n g.

Robert Blum hinterläßt eine Frau und mehrere unerwachsene Kinder. Mögen Alle, die in den Jahren des Druckes und in den Tagen der Erhebung die freien und beredten Worte des Mannes gerühmt haben, ihm jetzt die letzte Ehre erweisen, und durch die Sorge für seine Familie ihm den Dank abstatten, den das Volk ihm schuldig ist.
Wir erklären uns zur Annahme und Weiterbeförderung von Beiträgen bereit.

                                               D i e  R e d a k t i o n  d e r  B r e m e r  Z e i t u n g.


Montag, 10. November 2014

Die Deutsche Einheit und die Parteien der Gegenwart

Leitartikel von Theodor Althaus in der Bremer Zeitung am 10. November 1848



* In der Geschichte der deutschen Einheit sind wir seit einiger Zeit auf einem Wendepunkte angelangt, wo eine Orientirung zur Nothwendigkeit wird. Rasch ändern mit den fortschreitenden revolutionären Begebenheiten die Worte ihre Bedeutung, und so verwirren sich die alten und neuen Leidenschaften in deren Anwendung. Je beweglicher die öffentliche Meinung und die Herzen des Volks dem Einfluß der großen einfachen Gedanken, der weitschallenden Losungsworte hingegeben sind, desto schärfer muß man stets von neuem untersuchen, ob der Inhalt des Gedankens, die Bedeutung des Wortes noch dieselbe geblieben ist, ob der alte Kampfruf noch gegen denselben Feind, die alte begeisternde Losung noch zu demselben Ziele führt.
Ein Blick in die Gegenwart zeigt uns, daß die  „d e u t s c h e  E i n h e i t“, wie sie jetzt im Kampf als Waffe gilt, nicht mehr dieselbe Bedeutung hat wie im Anfang der Revolution. Das Ziel, für welches die absolutistische Rechte in Berlin schwärmt, für welches die preußische Camarilla und das Ministerium der bewaffneten Reaction dieselben preußischen Truppen zur Disposition stellen, mit denen sie die Conterrevolution zerschmetternd einführen wollen, kann unmöglich dasselbe sein, nach welchem die Demokraten streben. Jene Losung passt für uns nicht mehr von dem Augenblicke an, wo unsere Feinde sie in den Mund genommen und uns damit den offenbarsten Beweis gegeben haben, daß sie nur ein  M i t t e l  für andere  Z w e c k e  ist.
In der ersten Periode unserer Revolution war die  w i r k l i c h e  Einheit das Ziel der Patrioten und zugleich das  M i t t e l  der  D e m o k r a t e n; in der gegenwärtigen zweiten Periode ist die  f o r m e l l e  Einheit das  M i t t e l  der  R e a c t i o n, während die Sache noch immer das Ziel der Demokraten geblieben ist. Sie haben sich nur augenblicklich gegen die Form gewendet, eben weil diese Form grade von der Reaction mit Erfolg als Mittel benutzt wird. Die  V e r w i r r u n g, wo man Freund und Feind nicht mehr erkennt, entsteht dadurch, daß man die  S a c h e  nicht von der  F o r m  unterscheidet. Es ist im Interesse der Reaction, diese Verwirrung zu erhalten, um die Demokraten in der öffentlichen Meinung und in den patriotischen Herzen der Menge zu ruiniren; eben darum ist es in  u n s t e m  höchsten Interesse, diese Verwirrung aufzuklären, um die Reaction zu entlarven und die Demokraten zu vertheidigen.
Die  w i r k l i c h e  Einheit Deutschlands besteht darin, daß in der definitiven Verfassung des Bundesstaats die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, die Handelspolitik und Zollgesetzgebung, Krieg und Frieden, Verwendung des Heers und der Flotte von einer souveränen Reichsgewalt abhängen, ohne irgendwelche Vereinbarung mit den Einzelstaaten. Das sind die wesentlichen Lebensbedingungen für Deutschland, das ist die Sache, um die es sich bei der deutschen Einheit handelt; und der  w i r k l i c h e, unter allen Umständen zu vernichtende  P a r t i k u l a r i s m u s  ist nur das Bestreben, den Einzelstaaten eine Selbstständigkeit zu erhalten, welche diese Einheit irgendwie beeinträchtigen kann.
Gegen diesen Partikularismus richtete sich der Kampf zweier in Bezug auf Freiheitsfragen sehr getrennter Parteien in der ersten Periode unserer Revolution; ein Kampf gegen die Regierungen und die Conservativen. Der einen der beiden damals verbundenen Parteien war es um die  E i n h e i t – und Freiheit, der anderen um  D e m o k r a t i e  -  und Einheit zu thun.
Diesen Kampf dürfen wir in dem nichtösterreichischen Deutschland wohl getrost als einen siegreich  b e e n d i g t e n  bezeichnen; die Verfassungsdebatten in Frankfurt geben Zeugniß davon, daß nur eine geringe Minorität im sinne des Particularismus noch hier und da ein kleines Recht zu retten sucht; die Sache der wirklichen Einheit wird von einer weit überwiegenden Majorität geführt,“ in deren Reihen die Republikaner überall voran sind.
Ihnen also wirklichen Particularismus vorzuwerfen, ist eine bloße Parteioperation. Auch gebraucht man gegen sie nur das  W o r t, weil es aus seiner Zeit noch einen gehässigen Klang hat; aber selbst die feindseligsten Blätter haben ihnen niemals den Vorwurf machen können, daß sie auf eine definitive Bundesverfassung hinarbeiteten, in welcher die doch nothwendige Souveränetät der Reichsgewalt des einen Deutschland durch die Selbstständigkeit der Einzelstaaten beeinträchtigt werden könnte, und nur  d a s  wäre  w i r k l i c h e r  Particularismus.
Vielmehr beziehn sich diese Vorwürfe alle nicht auf die  d e f i n i t i v e  Verfassung, sondern auf den   p r o v i s o r i s c h e n  Zustand; nicht auf die  w i r k l i c h e, sondern auf die  f o r m e l l e  Einheit, und endlich weit weniger auf  G e s e t z e  der  N a t i o n a l v e r s a m m l u n g, als vielmehr auf  M a ß r e g e l n  des  R e i c h s m i n i s t e r i u m s.
Die  f o r m e l l e  Einheit besteht gegenwärtig erstens darin, daß die Einzelstaaten die in Frankfurt beschlossene Reichsverfassung ohne weiteres annehmen, und zweitens, sich allen Maßregeln und Beschlüssen des Reichsministeriums unbedingt fügen sollen.
W a r u m  nun die demokratische Partei, vor allem in der berliner Versammlung, gegen diese Form aufgetreten ist, warum in Sachsen die Linke sich mit den „gewissenhaften“ Ministern in diesem Sinne vereinigt hat: das liegt doch sonnenklar vor jedem Blick, der nur die Wahrheit sehen  w i l l. die Demokraten haben es gethan, weil sie am Centralsitz dieser Einheit sehr oft schlecht für die  F r e i h e i t  gesorgt sahen; sie wollten ein eventuelles Veto gegen die Reichsverfassung sich vorbehalten, weil sie Grund zu dr Furcht hatten, daß diese Verfassung nicht demokratisch sondern altconstitutionell ausfallen würde; sie protestirten gegen die Maßregeln der Centralgewalt, weil sie Maßregeln der Reaction darin sahen, - mit einem Wort: sie nahmen  f ü r  d e n  A u g e n b l i c k  Position gegen die  p r o v i s o r i s c h e  f o r m e l l e  E i n h e i t, weil sie nicht wie es schon einmal geschah, mit diesem Losungsworte das Vaterland um die  w i r k l i c h e  u n d  d e f i n i tt i v e  F r e i h e i t  gebracht sehn wollten. Es war und ist nicht der zähe Geiz des herzlosen Particularismus, sondern die schmerzliche Nothwehr des Lebens und der Freiheit. Und ebenso war bei den Conservativen die plötzliche Parteinahme gegen den sogenannten souveränen Nationalwillen, sondern die hämische Berechnung, der Demokratie mit ihren eignen früheren Waffen den Todesstreich zu versetzen; ihre Gemeinschaft in der deutschen Einheit war nichts als ihr Complott zu Gunsten der Reaction, für die ihnen die Centralgewalt äußerst brauchbar schien.
S o  liegen die Sachen, und diese Sachlage muß man um so kräftiger darstellen und wiederholen, je mehr sie mit Treulosigkeit verdreht, je mehr die politische und gegenwärtige Bedeutung des Einheitsgedankens durch die juristische Form verhüllt werden soll.
Wem das noch nicht klar geworden ist, den weisen wir auf den Conflict zwischen  F r a n k f u r t  und  B e r l i n. Jeder weiß, daß wir den über die  p o s e n s c h e  Angelegenheit meinen.
Sollen wir in ihr die Fehler und die Schuld auf beiden Seiten finden oder müssen wir es ein  V e r h ä n g n i ß  nennen, daß auf diesem Gipfelpunkt die Einheit und die Freiheit sich zum verderben begegnen! Fast unvermeidlich scheint es.
In Frankfurt ward – um der deutschen Einheit willen – beschlossen, Posen zu theilen. In Berlin geben die Freiheitssympathien für die Posen den letzten (nicht den einzigen) Ausschlag zu dem Beschluß: Posen soll ungetheilt bleiben.
Daß die Nationalversammlung – wenn auch nur durch motivirte Tagesordnung – nun den berliner Beschluß für ungültig erklärt hat, war eine Nothwendigkeit; sie konnt ihre Souveränetät, zumal sie kein gutes Gewissen gegen Oesterreich hatte, nicht selbst morden. Daß sie dieß aber  j e t z t  beschloß, ist ein Verhängniß, daß sie vielleicht nur zu bald bitter bereuen wird als eine schwere Schuld.
J e t z t, wo jede Stunde das Wort zur Contrerevolution in Potsdam reifen kann; j e t z t, wo der Absolutismus von Gottes Gnaden, der nicht geradezu mit seiner Willkür der Volksvertretung entgegentreten mag, nur auf einen  p o p u l ä r e n  Anlaß, nur auf eine  G e l e g e n h e i t wartet, das kaum verhaltene Wort: ich sanctionire nicht! Zum erstenmal zu sprechen! – j e t z t  giebt die Nationalversammlung den Reiz und Anlaß, unter dem edlen revolutionär gesetzlichen Schild der deutschen Einheit – den Stoß zu führen, der die Demokratie ins Herz treffen soll!
Ihr Beschluß lockt, das erste protestirende Wort zu sprechen, dem nur der Geschützdonner des Bürgerkriegs den vollen Klang und nur der Belagerungszustand von Berlin die Unverletzlichkeit verschaffen kann! Und wenn  o h n e  diese Mittel, dann desto schlimmer, dann ist es eine  m o r a l i s c h e  Niederlage der demokratischen Partei.
So oder so! dem Absolutismus ist nun weit das Thor geöffnet, durch das er heuchlerisch als Diener des Gesetzes, als Beschützer der deutschen Einheit, den langersehnten Triumphzug an der Spitze seiner treuen Garden halten kann.
Was im Namen der  F r e i h e i t  geschah, pflegt man an Frankreich zu lernen; für Deutschland scheint das Blatt der Geschichte vorbehalten: was alles im Namen der  E i n h e i t  geschah.