Dienstag, 30. Oktober 2012

1847 "Die Zukunft des Christenthums"


Aus: Theodor Althaus: "Die Zukunft des Christenthums". Seine Wahrheit, seine Verkehrung und seine Wiedergeburt durch Freiheit und Liebe. Dem deutschen Volke gewidmet. Darmstadt. Druck und Verlag von Carl Wilhelm Leske 1847

Christus der Demagog – und die christliche Polizei 

Weil wir Geistesverwandte sind und das ursprünglich christliche Werk fortsetzen, müssen wir auch in der Art desselben Geistes äußerlich wirken – wie gern würden wir es thun, wenn der Staat nicht Christi Beispiel nachzuahmen verböte und unmöglich machte. Es ist aber im Grunde nicht dieser moderne gegenwärtige Staat, oder unsre jetzt le enden Fürsten, welche es verbieten; denn von denen, welche im Vaterlande bekannt sind, wollen viele echte Christen sein, und zeigen, daß das Beste des Volkes nach ihrer Art ihnen wahrhaft und ohne Redensart am Herzen liegt. Vielmehr hat das Alte Christenthum in seiner ganzen Entwickelung an diesem Verbote gearbeitet, und die Staaten folgen nur dem, was mit wenigen Ausnahmen in der Meinung der Rechtgläubigen für christlich gilt. Seit Christus zum Gott, zum allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden erhoben wurde, verstand es sich von selbst, daß wir sein Beispiel nur in gewissen Sachen nachahmen dürfen; und so ist es ganz natürlich, daß der Staat und die Frommen jetzt, wenn wir Christus in seiner Predigt und seiner volksthümlichen Wirksamkeit nachahmen wollen, alsbald sprechen: Halt! Ihr dürft ihm nur in der Liebe nachfolgen – als wenn die Liebe nicht drängte zum Apostelamt und zum Reden von den Dächern -; oder: das war einmal und kommt nicht wieder – als wenn das Reich Gottes schon fertig wäre! – In Christus ist keine servile Ader, kein knechtisches Wort ist aus seinem Munde gekommen, er hat geredet, was Wahrheit war, menschlich frei, begeistert; wohl in besonnener Würde und Macht, aber mit dem Feuer des Zorns nicht allein gegen die Sünde, sondern auch gegen die Sünder, die im hohen Rathe seines Volks auf Mosis Stuhle saßen, g e g e n   s e i n e  g o t t g e s e tz t e  O b r i g k e i t. Was er gegen diese Hohen geredet hat – verstümmelt, arm, zerstückelt wie es und überliefert ist, bleibt es ein ewiges Muster und Krone volksthümlicher Beredsamkeit – wessen Schuld ist es, daß wenn jetzt ein Freier bei Nacht gefangen wird und gefragt: was lehrest du? – er nicht sagen kann: ich habe geredet frei, offen vor allem Volk? Man braucht gewöhnlich, wenn man das Urschristliche erkennen will, jetzt, wie damals in den ersten Zeiten, nur zu forschen, was angesehen, hoch, und vor allem anständig ist bei den Hohen dieser Welt; in der Rede ist es: du sollst fein höflich reden mit Rücksicht gegen die Vornehmen, wenn du gleichwohl dem niederen Volke seine Sünden vorhalten darfst. Christus erhielt von seinen Feinden unwillig ein anderes Zeugniß, sie wussten nicht, wie sie ihn damit ehrten: Meister, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und fragest nach Niemand, denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen, sondern lehrest den Weg Gottes recht. (Marc. 12, 14) Wir gut für uns Spätgeborne, daß damals eine einfache Schilderung des Bestehenden noch nicht zum Hochverrath gestempelt war, daß man in Judäa noch die Freiheit der alten Welt achtete und Christum nicht alsbald gefangen nehmen oder des Landes verweisen konnte, sondern erst warten mußte, bis sein religiöses Verbrechen gegen das Gesetz des Landes reif war! Christus und die Seinen – obwohl keiner von ihnen seine Hoheit, Gewalt und Freiheit den Herren der Welt gegenüber erreicht zu haben scheint, trat auf nach der alten prophetischen weise und rief zum Reich Gottes in der einfach natürlichen  d e m a g o g i s ch e n  Art. Aber weil er nur mit Waffen des Geistes kämpfte, wiegelte er das Volk nicht auf, entwich ihnen, als sie ihm zum König machen wollten und wies alle Hülfe der Seinen die zum Schwert greifen wollten, ruhig ab. Er zahlte den Zins, predigte keine politische Rebellion und war kein Empörer. Aber zu schweigen verstand er sich nicht, sondern er wirkte die Werke dessen, der ihn gesandt hatte, so lang es Tag war – von unsern Zeiten hätte man vor wenig Jahren noch sagen können – und vielerorts noch heut: es ist gekommen die Nacht, da niemand wirken kann. Er zog im Lande umher, von Tausenden begleitet – man war noch nicht auf den Einfall gekommen, die Volksversammlungen zu verbieten - ; er predigte, wenn auch angefochten und bedroht, dennoch drei Jahre lang. Denn erst der moderne Staat, der sich den christlichen nennt, hat die Virtuosität im Verbieten der Wahrheit mit der Schnelligkeit ihrer Unterdrückung zu vereinigen gewußt.
Aber der alte vergessene Traum vom Gottesreich wacht wieder auf in der Welt, und die innre Stimme mahnt, daß die Wahrheit etwas höheres sei als liebevolles Verschweigen, und ihr Schwert in den Zeiten der Erfüllung heiliger als der Palmzweig, und die Stimmen, die: Friede predigen, wo doch kein Friede ist. Der deutsche Geist steht auf, die deutsche Brust wird weit, zum Volke zu reden, und wir wissen, daß der christliche Geist der ist, welcher den Propheten im härnen Gewand dem König zurufen ließ: es ist nicht recht! Welcher auch uns nicht sorgen lässt, wie oder was wir reden sollen; welcher sich in den Märtyrern und den großen Priestern der Vorzeit und in Luthers noch freien Reden nicht unbezeugt gelassen hat – das ist unser Geist. Und dürften wir nur der Wahrheit gehorchen wie wir wollen, nach rechts und links! Nun aber glauben Viele schweigen zu müssen, weil die Männer der Freiheit nur  g e g e n  ihre Freunde freies Wort vergönnt erhalten.
Ihr Fürsten und fürstlich Gesinnten, irrt euch nicht! Außer allen Parteien, an deren Unterdrückung ihr Arbeitet, außer allen die ihr oberflächlich sondert in Radikale, Communisten, Atheisten, Liberale – außer allen, ja und in ihnen, wie wir wissen und vertrauen, ist eine andre Partei, unsichtbar zur Zeit, schwach dem Anscheine nach, verläumdet von ihren Freunden, übersehen am liebsten von euch. Sie weiß, was sie will, und wird nicht aufhören es zu fordern – aber sie führt ihre Waffen auch gegen sich selbst, denn es sind Wahrheit und Gerechtigkeit, Waffen des Geistes: darum ist sie noch  k e i n e  Partei im Sinne des Worts, d a r u m  aber ist ihr auch die Zukunft und ihr wird der Sieg sein. Wir schmähen euch nicht, wir rufen nicht zur Empörung, wir halten keine Revolution mit Mord und Blut für nothwendig – wir gehorchen euren Gesetzen; wir erkennen euer menschliches Recht an, denn euer ist das Bild und die Umschrift, ihr seid unsre Herren. Aber euer göttliches und unantastbaren Recht anzuerkennen haben wir verlernt an all dem göttlich-privilegirten Auswurf der Menschheit, der auf Thronen gesessen hat; haben wir verlernt, seit das Bewusstsein unsres menschlichen Wesens in uns erwacht ist;: und wo das Volk noch christlich ist, werden wir ihm die Wahrheit des Christenthums zum Bewusstsein bringen und die Freiheit in Christi Geist, in unserm, dem menschlichen, dem göttlichen Geist wieder auferstehen lassen. Die Freiheit ist uns kein zügelloses, selbstsüchtiges Verlangen, das euch nur eure Macht missgönnt, sondern sie ist der Drang zum Reiche Gottes in der That und Wahrheit, und nur mit Gott, Liebe, Wahrheit – nur mit allem, was uns heilig ist zwischen Himmel und Erde, könnt ihr sie aus unsrer Brust reißen.
Wir sind keine Kinder und Unmündige, sondern Männer, welche das Ziel der Menschheit erkannt haben. Wir wiederholen es euch so ernst, wie es uns mit unserer Sache ernst ist: wir wollen  n u r  die Waffen des Geistes gebrauchen, wir wollen uns nicht empören, wir wollen euren Gesetzen gehorchen, oder, wenn es einmal einer um des Gewissens willen nicht kann, ruhig dulden, was ihr über uns verhängt. Aber eben so offen sagen wir euch: mit ein paar Privilegien für uns und mit ein paar Concessionen für das Volk werdet ihr uns nie zufrieden stellen; wir werden unzufrieden bleiben, so lang wir nicht erreicht haben, was kräftigen und begeisterten und besonnenen Menschen möglich ist. Keine menschliche Schranke erkennen wirk an deren Niederreißung des menschlichen Geistes Kraft sich nicht erproben sollte, wenn Liebe und Freiheit es verlangen-; wenn wir eine solche feststellten, so wären wir  g o t t l o s  und wäre es uns nicht Ernst mit dem Reiche Gottes. Und seht, so riesengroß dieser Kampf auch ist, so wahr es sich um eine neue Welt handelt – er ist doch vor dem Auge des Geistes nur ein Nachspiel und eine Erfüllung des ersten Kampfes, den Christus gekämpft hat gegen das göttliche Gesetz. Gleiche Feinde, gleiches Ziel, gleiche Waffen. Ein altes Gesetz ist aus dem Herzen zu reißen, um die Wahrheit leuchten zu lassen, die sich in der Zeit unter den Händen der Menschen zur Lüge verkehrt hatte. Aber weil wir im alten Gesetz die ewige Wahrheit, die in der ersten That hervorbrach, erkannt haben, und das Christenthum  s e l b st  zum Kampf gegen seine Verkehrung ruft, und alle Begeistrung jenes ersten Sieges wach wird und mächtig in den Herzen: darum wissen und glauben wir: gleicher Kampf, gleicher Sieg! Und wenn auch tausendmal das Loos unsres Freundes uns einzelnen in diesem Geschlecht zurufen sollte: gleicher Untergang! Denn sind wir mit ihm zum Tode gepflanzt, werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. (Röm. 6, 5.)
So haben wir denn, ehe von der Wiedergeburt geredet ist, das ursprüngliche Leben, zu dem das veraltete und erstarrte wieder geboren werden muß dargelegt, und – wir hoffen es – klar und rund genug gesagt, was sie neue Zeit der Gerechtigkeit als das Wesen des Christenthums erkennen muß und wird. Es ist, mit einem Worte, sein göttlicher Geist, der sich in der That bewährt hat und aus seinem Leben darum ewig neu sich wiedergebärt und Leben schafft, weil in ihm die ewigen Gedanken, die fortan alle Geschichte und alles menschliche Werden zum Dasein fördern und bewegen, zuerst erschienen sind. Das Wesen ruht, wie schon eine alte richtige Unterscheidung gefunden hat, nicht in seinen Lehrsätzen, sondern in seinen Grundsätzen, nur wußte und wagte man nicht, dieß Wesen in seiner Fülle zu entfalten. Nennt man zu den Grundgedanken, die sich im reich Gottes zusammenschließen lassen, noch: Wahrheit, im Sinn des vierten Evangeliums hauptsächlich, so ist damit theils nur die nothwendige Bestimmung hinzugefügt, daß in jenem Gedanken die höchste Wahrheit ist; theils will es heißen: daß er kämpft  g e g e n  alle Lüge, die sich am schneidendsten in der bloßen Form und Aeußerlichkeit offenbart, und  f ü r  den Geist, in dem allein die Wahrheit ist, der allein die Thaten rechtfertigt die aus ihm geboren sind.
Wir haben es aber mit dem Leben der gegenwärtigen Zeit zu thun, und in ihr tritt uns ein in die heilige Schrift eingeschränktes, und noch dazu von der Kirche dogmatisch festestelltes – ein Altes Christenthum ein im schlechten Sinne fast überall menschliches Christenthum entgegen. Was geschehen ist und besteht, kann uns von der Erkenntniß der Wahrheit nicht zurückhalten, vielmehr ist die Geschichte nach ihrer ersten Betrachtung Lehrmeisterin zur Wahrheit. Darum wenden wir uns wieder zu ihr, denn bevor wir von einem neuen Baue reden können, müssen wir das  A l t e  v e r s t a n d e n  und mit ihm Abrechnung gehalten haben. (S. 76 - 81)

Anmerkung: Die zeittypische Rechtschreibung wurde beibehalten. 

Diesen und mehr Texte von Theodor Althaus gibt es in einer Sammlung:
Theodor Althaus, Zeitbilder 1840 - 1850
Hrsg. von Renate Hupfeld
Aisthesis Verlag Bielefeld, 2010

Erzählende Biografie:
Renate Hupfeld: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland

Taschenbuch bei  http://www.text-und-byte.de/

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Donnerstag, 25. Oktober 2012

190. Geburtstag von Theodor Althaus

Vor 190 Jahren, am 26. Oktober 1822, wurde Theodor Althaus als ältester Sohn des zweiten Predigers der Stadtkirche in Detmold im Pfarrhaus in der Bruchstraße geboren. Derzeit bestand Deutschland aus 36 Einzelstaaten, in denen nach den Karlsbader Beschlüssen je nach Fürstenwillkür ein schwächer oder stärker ausgeprägtes polizeiliches Überwachungssystem zur Unterdrückung von nationalen und liberalen Bestrebungen herrschte. Im Fürstentum Lippe regierte seit zwei Jahren Leopold II., dessen wichtigste Interessen nicht dem lippischen Volk, sondern der Jagd und dem Theater galten.

Stadtkirche am Marktplatz in Detmold

Pfarrhaus in Detmold

Der junge Althaus entwickelte sich zu einem wachen Geist mit außerordentlicher Begabung in allen Bereichen, vielseitigen Interessen und einer zunehmend kritischen Haltung gegenüber Ungereimtheiten und Ungerechtigkeit. Seit Beginn des Studiums in Bonn im Jahre 1840 war sein wichtigstes Ziel ein einheitliches demokratisches Deutschland mit Gerechtigkeit für alle Menschen. Dafür gab er alles und landete schließlich im Gefängnis. Er wurde nicht einmal dreißig Jahre alt. 
Anhand der umfangreichen Schriften von Theodor Althaus und seiner schicksalhaften Laufbahn wird klar, wie schwierig und verlustreich die Anfänge der Demokratie in Deutschland waren. Der junge Detmolder steht stellvertretend für viele, die im Kampf um deutsche Einheit und demokratische Strukturen Freiheit, Heimat und Leben verloren haben. Hier ist seine Geschichte - zum 190. Geburtstag im neuen Outfit: 

Hier geht's zum Buch:







Montag, 15. Oktober 2012

Berufliche Perspektive und Preußische Zensur

Leseprobe aus: Renate Hupfeld: Theodor Althaus (1822 - 1852) - Revolutionär in Deutschland


Ende September 1846 wurde „Eine Rheinfahrt im August“ mit dem Untertitel „Den Kölnern, den Schleswigholsteinern, Allen die den Rhein lieben gewidmet“, gedruckt, auch diesmal wieder beim Schünemann Verlag in Bremen.
In dem Zusammenhang erfolgte eine Einladung von den Redakteuren der „Weser-Zeitung“, deren Verleger ja auch Schünemann war. Man wollte den jungen Literaten, der seit zwei Jahren regelmäßig brillante Texte lieferte, persönlich kennenlernen und mit ihm über eine ständige Mitarbeit in der Redaktion reden. Das waren attraktive Aussichten und eine Übersiedlung nach Bremen hatte zudem wegen der Erinnerung an die jahrelange Tätigkeit von Großvater Dräseke an der dortigen Gemeinde St. Ansgarii einen ganz besonderen Stellenwert. Drei Tage brauchte die „Miethskutsche“ durch Sand- und Heidewege.
Das Gespräch fand statt, doch die Redakteure der „Weser-Zeitung“ waren keinesfalls in allen Punkten mit Theodor einig. Seine politischen Ziele gingen über das hinaus, was eine Tageszeitung sich seinerzeit in Bremen leisten konnte. Man einigte sich auf eine befristete Mitarbeit, zunächst für ein halbes Jahr. Der Vertrag sollte sofort in Kraft treten.
Doch dann traf Theodor Althaus das Missgeschick gleich in zweierlei Weise. Er wurde ernsthaft krank und war monatelang nicht arbeits- und noch weniger reisefähig. Und noch schlimmer war, dass die „Rheinfahrt“ vom Oberzensurgericht Preußen verboten wurde. Schünemann wurde aufgefordert, die Vertreibung der Schrift sofort zu stoppen, andernfalls werden Sanktionen folgen. Eine schriftliche Eingabe des Verfassers an den preußischen Innenminister blieb trotz glänzender Argumentation ohne Erfolg.
Unter diesen Umständen distanzierte sich Schünemann, um weiteren Schwierigkeiten mit den preußischen Behörden aus dem Weg zu gehen. Man verschob das Inkrafttreten des Vertrages bis auf Weiteres. 

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Dienstag, 9. Oktober 2012

Literarische Abende bei von Meysenbugs

Leseprobe aus: Renate Hupfeld, Theodor Althaus (1822 - 1852) - Revolutionär in Deutschland

Dennoch wurde zu weiteren Salonabenden in das Meysenbug’sche Palais eingeladen. Der Akzent lag auf literarischen Themen, z.B. Goethes „Faust“ und die „Albigenser“ von Nikolaus Lenau. Doch diese Zusammenkünfte wurden zunehmend schwieriger für Malwida und Theodor, zumal sie sich nie zu zweit aussprechen konnten, sondern immer in Gesellschaft waren. Misstöne gab es vor allem zwischen Theodor und Malwidas jüngerer Schwester. In einem Brief entschuldigte er sich für seine Unliebenswürdigkeit gegenüber Laura am Abend zuvor:
„Wenn man einen ganzen Abend zusammen ist, und an das sich Gehen lassen gewöhnt, wie ich, so kann es nicht fehlen, daß die Stimmungen wechseln. Und bei mir, daß ich gerade in solche gerathe, wo ich nicht in Ihren Kreis passe. Wenn man zu zweien ist, ists eine andere Sache; …“
Überdeutlich wurde hier, wie unwohl Althaus sich im Salon der von Meysenbugs fühlte, er gehörte nicht dazu und wollte es wohl auch gar nicht. Nur Malwida zuliebe ließ er sich darauf ein, denn er liebte sie trotz allem und die Übereinstimmung seiner Ansichten mit ihren, vor allem in philosophisch-religiösen Fragen, war für ihn ein Gewinn, sogar in zunehmendem Maße, denn je mehr er sich in der Residenz isolierte, desto wichtiger war die Anbindung an die Freundin, die trotz des kalten Gegenwinds treu zu ihm hielt. Er vertraute darauf, dass die Liebe stärker war als der gesellschaftliche Druck. So schrieb er im selben Brief:
„Eins haben Sie aber wenigstens sicher bei meiner – ich möchte fast sagen lieblosen Art – daß Sie mich jedes Mal so haben, wie ich bin und nicht wie ich mich machen könnte. Es ist das freilich ein schlechter Trost, da ich Ihnen mit dieser Art weh thun mußte – aber ich glaube es ist dennoch immer für Sie. – Sie denken zu gut von mir, Sie haben mich zu lieb. Wir beide wissen, was diese Liebe Edles in mir gemacht hat, aber ich habe mich auch von ihr verwöhnen lassen. Wir vertrauen aber auch beide, daß wir irgendwie die Harmonie wieder finden werden, einerlei in welcher Art.“

Resignieren war ohnehin nicht seine Sache. Von der Ressourcenmisere ließ er sich nicht einschüchtern und gründete zusammen mit dem gleichaltrigen Theologen Carl Volkhausen einen Leseverein, in dem Bücher und Broschüren angeschafft und zu einem geringen Beitrag in Detmold und vielen anderen lippischen Orten verbreitet wurden. Natürlich legten die Gründer Wert auf Texte progressiven Inhalts zu Politik, Religion und Gesellschaft wie die von Feuerbach und Strauß, die in Publikationen das derzeit gelebte Christentum kritisiert hatten, sowie Georg Herwegh und Johann Jacoby, die sich mit allen Mitteln für ein demokratisches Deutschland einsetzten. Zu den Mitgliedern des neuen Lesevereins gehörten Beamte,  Ärzte, Advokaten, Kaufleute und Gutsbesitzer. 


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Sonntag, 23. September 2012

Morgenblatt und Morgenzeitung

Den Jahreswechsel von 1844 nach 1845 verbrachte Theodor Althaus, Kandidat der Theologie, im Elternhaus, dem Pfarrhaus des Superintendenten unter der Wehme in Detmold. Eine Anstellung war auch nach dem Studium in philologischen Bereichen in Berlin nicht in Sicht. Er versuchte es mit dem Verfassen von Artikeln, die er dann entsprechenden Organen in den deutschen Ländern anbot, so am 11. Januar 1845 einen über Schillers Maria Stuart dem Morgenblatt der Augsburger Zeitung und am Tag darauf einen über die deutschen Studenten der Hannoverschen Morgenzeitung:

























Einer geehrten Redaktion des Morgenblattes erlaube ich mir
inliegendes Manuscript: hier Vorlesung über Maria Stuart,
Trauerspiel von Schiller – zur Aufnahme in Ihr Blatt anzu-
bieten. In unsern Tagen, wo so viel unberufenes Reden über
Schillers Mangel an Objektivität geführt wird, ist es wohl pas-
send  an einem seiner größten Dramen nachzuweisen, wie er
die Erforderniße des historischen Dramas in höchstem Sinne er-
füllt, und wie bei aller Freiheit in der Composition doch ein unüber-
trefflich lebensvolles Bild vom Kampf einer alten und neuen
Weltanschauung hingestellt ist. Ich habe in der gesammten Litera-
tur über dieß Stück höchstens Andeutungen und Fragmente von
meiner Auffassung gefunden, die wesentlich in der zweiten Hälfte, erst
die volle Schönheit des Dramas, und sein ungemeines Interesse gerade
für unsre Tage, wie ich hoffe, auseinandergesetzt hat. Die Hinlei-
tung entwickelt kurz das, was wir von einem historischen Drama
in höchstem Sinn verlangen; die historische Entwickelung schien mir
für das Verständniß, und weil über das Recht der Maria bei
dem gebildeten Publicum so wenig Klarheit ist, nothwendig.
Sollten Sie das Manuscript nicht zur Aufnahme geeignet erachten,
so bitte ich mir daßelbe baldigst auf buchhändlerischem Wege zurück.
Wird es gedruckt, so ersuche ich Sie, mir unter meiner Adresse
mit dem Honorar zugleich einen Abdruck der betreffenden Num-
mern zu übersenden; und würde ich gern von Zeit zu Zeit interes-
santere Punkte literarischen und belletristischen Inhalts für Ihr
Blatt arbeiten.

     Detmold, 11. Jan. 45                                        Hochachtungsvoll                                                                                            
                                                                                  Theodor Althaus.



Einer geehrten Redaktion  der Hannoverschen Morgenzeitung
erlaube ich mir einliegenden Aufsatz „Die Deutschen Studenten“
zu übersenden. Es ist soviel ich weiß, die erste derartige
Uebersicht der Revolution, die sich unter ihnen Bahn gebrochen
hat in ihrem Zusammenhange; die Fakten sind sämmtlich
authentisch und aus der Autopsie größtentheils geschöpft.
Neben der Gründlichkeit, die einem nicht zur gewöhnlichen
Belletristik sich haltenden Blattes erwünscht sein muß, werden
Sie aber auch hoffentlich nicht die Rücksicht auf Unterhaltung
vermissen, weit mehr habe ich leicht zu verbinden gesucht.
Man muß das Publicum für eine Sache interessieren durch
die gewöhnlichen Mittel, wenn man tieferer Theilnahme den
Weg bahnen will.
Mit dem Honorar, oder auf buchhändlerischem Wege, ersuche ich
Sie mir einen (wo möglich zwei) Abdruck der betreffenden
Nummern zukommen zu lassen. Im Fall der Nichtaufnahme
würden Sie mich durch baldige Remittierung (durch die hiesige
Mayersche Hofbuchhandlung) verpflichten. Meinen Namen
möchte ich nicht genannt.

     Detmold, 12. Jan. 45                                 Ergebenst                                                                                          
                                                                                  Theodor Althaus.





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Donnerstag, 13. September 2012

Ferdinand Freiligrath

Leseprobe aus: Renate Hupfeld, Theodor Althaus (1822 - 1852) - Revolutionär in Deutschland

Theodor Althaus hatte sich verliebt und die Geliebte war viele Tagesreisen entfernt in Hyères an der französischen Mittelmeerküste. Er vermisste ihre Zuneigung, die gemeinsamen Gespräche, in denen er sich mit seinen Ideen und Vorstellungen verstanden und akzeptiert fühlte. Sie war diejenige, die bedingungslos hinter ihm stand, wenn jemand ihn kritisierte. Und Kritiker hatte er nicht wenige im überschaubaren Detmold, wo er nicht unbedingt das kurzweilige Programm suchte. Oberflächliches Geplauder lehnte er als Zeitverschwendung ab.
Die meiste Zeit verbrachte er in seiner Studierstube am Schreibtisch mit Ausblick in südwestliche Richtung, wo hoch über den Buchenwäldern auf der Grotenburg der Sockel des Hermannsdenkmals entstand. Häufig schaute er sehnsüchtig hinüber zum Haus der von Meysenbugs in der Hornschen Straße mit dem Fenster von Malwida,  der er so oft in der Dunkelheit seine Wolkenträume herübergeschickt hatte. In gereimter Form  bewahrte er sie nun in seinem „Nordischen Wintergarten“ auf, um sie ihr nach ihrer Rückkehr im nächsten Frühjahr zu schenken.


Nicht nur poetische Träumereien verfasste er in seiner Studierstube. Er beschäftigte sich intensiv mit einem Dichter aus seiner Heimatstadt Detmold, der gerade in allen Ländern des Deutschen Bundes von sich reden machte, sogar für heftige Diskussionen sorgte. Es war Ferdinand Freiligrath, der bis dahin in St. Goar am Rhein gewohnt hatte und dessen Sammlung politischer Gedichte unter dem Titel „Ein Glaubensbekenntniß“ erschienen war.  Diese Publikation von Zeitgedichten war nicht nur wegen der politischen Inhalte von besonderer Brisanz, sondern auch wegen einer Maßnahme des Autors, die Theodor Althaus in tiefstem Herzen nachvollziehen konnte und bewunderte. Freiligrath verzichtete auf eine monatliche Pension, die der preußische König Friedrich Wilhelm VI. ihm zwei Jahre zuvor gewährt hatte. Wenn er dessen selbstherrliches Regieren gegen das Volk nicht mehr akzeptierte, wollte er auch keine finanzielle Unterstützung. Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit waren ihm wichtiger als ein sicheres Einkommen.
Die Konsequenzen blieben nicht aus. Sofort nach Erscheinen wurde das Werk verboten und Freiligrath aus Preußen ausgewiesen. Er ging ins Exil nach Belgien.
Althaus verfasste einen längeren Essay. In geschliffener Sprache gab er dem Leser ein ausführliches Portrait des Dichters und führte ihn durch Freiligraths Gedichtwelten und -figuren, die er bestens recherchiert hatte. Vor allem gelang es ihm, die politischen Hintergründe und die ganze Tragweite für das weitere Leben des Verfassers klar und verständlich darzustellen.
Wie Hoffmann von Fallersleben und Herwegh, traf nun auch den vierunddreißigjährigen Detmolder Dichter das Schicksal eines heimatvertriebenen politischen Poeten. In seiner Darstellung sparte Althaus nicht mit kritischen Anspielungen auf sechsunddreißig monarchische Regierungen, die Recht und Freiheit bekämpften und somit gegen das Volk agierten, auch nicht mit spöttischen Wortspielereien: „Das Glaubensbekenntniß, von dem hier die Rede gewesen ist, ist verboten, das wundert uns nicht […]; wir wissen, dass heutzutage nur gewisse Glaubensbekenntnisse Glück machen.“
Die Rezension  wurde in „Wigands Vierteljahrsschrift“ in Leipzig gedruckt, ein schöner Erfolg für den jungen Detmolder Verfasser.



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Montag, 10. September 2012

Malwida von Meysenbug



In ein offenes Herz hatte er ein Jahr zuvor gesät. Die sechs Jahre ältere Malwida von Meysenbug hatte nicht vergessen, was der große junge Mann mit den langen dunklen Locken im April 1843 von der Kanzel der Detmolder Stadtkirche gepredigt hatte. Seine Botschaften hatten ihre aristokratisch geprägten Ansichten ins Wanken gebracht, Zweifel ausgeräumt, Fragen beantwortet und ihr den Impuls zu einer für eine junge Frau in ihren Kreisen ungewöhnliche Aktion gegeben. Sie gründete einen Verein für Arme, in dem Mädchen und junge Frauen der besser gestellten Gesellschaft sich zusammenfanden, um mit Hilfe von Sammlungen und Spenden arme Familien zu unterstützen, von denen es nicht wenige in Detmold gab.
Im Rahmen dieser Treffen entstand eine Freundschaft zwischen ihr und der siebzehnjährigen Elisabeth, der Schwester ihres Apostels, so nannte Malwida den verehrten Prediger insgeheim. Es blieb nicht aus, dass im vertrauten Gespräch hin und wieder über ihren Bruder und dessen Gedanken und Ideen geredet wurde.
Als Malwida von Meysenbug zusammen mit ihrer Schwester Laura eines Abends in die Althaus’sche Wohnstube eingeladen war, erfolgte die erste persönliche Begegnung mit Theodor Althaus. Beide fühlten sich sofort einer vom anderen angezogen und empfanden eine starke Übereinstimmung ihrer Gedanken in vielen Punkten.
Beim nächsten Treffen, das im Meysenbug’schen Palais stattfand, konnte die im Gedankenaustausch erlebte Nähe nicht intensiviert werden, weil Malwida in der elterlichen Umgebung eine seltsame Befangenheit spürte. Jedoch stellten beide eine weitere Gemeinsamkeit fest, ihre Zuneigung zu Theodors Schwester Elisabeth, die sie die „Kleine“ nannten.
Die Kleine war dann auch in den folgenden Sommerwochen immer dabei, wenn die beiden sich trafen. Sie war ihre Vertraute, nahm an den Gesprächen teil und spielte den Briefboten vom Pfarrhaus zum Palais der Meysenbugs in der Hornschen Straße.
Elisabeth war auch dabei, als Theodor den ersten Schritt auf seine Freundin zu ging, um ihr zu zeigen, wie sehr er sie mochte. Überraschend standen Bruder und Schwester eines frühen Morgens an der Post, um Malwida zu verabschieden, die sich auf den Weg in südliche Gegenden machte, um zusammen mit ihrer Schwägerin, deren Kindern und Dienstpersonal den Winter in angenehmem Klima zu verbringen. Theodor übergab ihr einen Blumenstrauß mit Briefanhang, auf dem ein Zitat aus einem Gedicht von Torquato Tasso zu lesen war: „I suoi pensieri in lui dormir non ponno.“ Die Botschaft war zwar in italienischer Sprache verfasst, jedoch klar. Er wollte der Angebetenen mitteilen, dass er immer an sie dachte und sie ihm schlaflose Stunden bereitete.


Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland



Sonntag, 2. September 2012

Brüder Grimm und Hoffmann von Fallersleben

aus Renate Hupfeld: Theodor Althaus (1822 - 1852) - Revolutionär in Deutschland

„Jawohl! Das ist der Conflict des Fortschritts mit dem Recht der Persönlichkeit. […] Wir wissen recht wohl, dass über fünfzig Jahre ein großer Theil von dem, was wir wollen, erlangt sein wird, aber wir sind die Opfer; wir genießen die Segnungen nicht mehr, unsere Existenz müssen wir theilweise drangeben. Die Freiheit ist zu erstürmen, aber nur wie eine Festung, wenn der Graben mit den Leichen derer, die um sie kämpfen, gefüllt ist.“
Trotz des schwierigen Beginns und der geringen Erfolgsaussichten arbeitete das Komitee eine Satzung aus, die  dann von Herrn Lachmann, dem Rektor der Universität, abgelehnt wurde. Ein Besuch bei Herrn von Ladenberg, der Theodor eingeladen hatte, um ihm für seine Rede auf dem Professorenball zu danken, gab ihm Gelegenheit, die Sache dort noch einmal anzusprechen. Das war aber von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil zum einen Theodor einem Regierungsvertreter gegenüber nicht offen die wahren politischen Absichten der Gruppierung ansprechen konnte und zum anderen gehörte diese Angelegenheit nicht in Ladenbergs Kompetenzbereich, sondern in den von Kultusminister Eichhorn und der wiederum würde nicht gegen das Votum von Rektor Lachmann agieren. Das Projekt „Leseverein zusammen mit Professoren“ verlief im Sande.
Doch Theodor hatte nicht lange Zeit darüber nachzudenken, als schon wieder eine Herausforderung auf ihn zukam. Ein Fackelzug für die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm in der Lennéstraße sollte veranstaltet werden. Die Brüder gehörten, wie Dahlmann, zu den sieben Göttinger Professoren, die 1837 gegen die willkürliche Aufhebung der Verfassung protestiert hatten und vom Hannoverschen König entlassen wurden. Im Zuge des vielversprechenden Amtsantritts von König Friedrich Wilhelm IV. waren sie im Jahre1840 rehabilitiert worden und hielten Vorlesungen an der Berliner Universität.
Als Cheforganisator der Veranstaltung hatte Althaus alle Hände voll zu tun, die vielen Meinungen unter einen Hut zu bringen und die Vorbereitungen zu koordinieren. Um jenaischen Verbindungsglanz nach Berlin zu holen, lieh man Kostüme bei  Ausstatter Noack. Die polizeiliche Erlaubnis wurde unter der Bedingung erteilt, dass einige wegen oppositionellen Verhaltens aufgefallene Studenten nicht teilnahmen, was natürlich im Vorfeld großen Unmut und erneute Diskussionen verursachte.
Als dann nach einer Menge Arbeit und vielen Schwierigkeiten am 10. Februar 1844 der Tag des Fackelzuges gekommen war, gab es einen fürchterlichen Schneesturm, sodass die Teilnehmer in Burschenschaftsoutfit abends auf dem Hof der Universität bis zu den Knien im Schnee standen. Als wäre das nicht genug, musste der Organisator noch beim Umlegen der Schärpen, Umschnallen der Schläger und beim Anzünden der Fackeln helfen. „…ein heilloser Gesammteindruck. […) denn überall war fürchterliches Pöbelgedränge und dabei ein entsetzlicher Mangel nicht nur an studentischem Tact, sondern an allgemeiner Anstelligkeit. Sie begriffen nichts als wozu man sie stieß und schob“, notierte er im Tagebuch.
Immerhin erreichte der Zug ohne Schneegestöber das Haus der Grimms in der Lennéstraße. Theodor und einige andere gingen hinauf in die Wohnung und huldigten den Brüdern Grimm mit einem dreifachen Hoch für ihr „echt deutsches Wesen und Wirken“. Da Jacob sich nicht gut fühlte, redete nur Wilhelm vom Balkon aus zu den Studenten, sinngemäß dahingehend, man solle die Wissenschaft nicht als etwas Totes, sondern als Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart sehen. Es folgten Hochrufe auf die Brüder, die Göttinger Sieben und Hoffmann von Fallersleben, der sich in der Grimm’schen Wohnung aufhielt und eigentlich nicht entdeckt werden wollte, weil er sich in Berlin gar nicht aufhalten durfte. Als dann auch noch Georg Herwegh in Abwesenheit gefeiert wurde, war es den Polizisten  zu bunt. Sie ritten in die Versammlung und trieben die Teilnehmer auseinander. Theodor ging noch einmal hoch zu den Grimms, wo er sich mit Hoffmann unterhalten konnte und ihn dabei an seinen Auftritt vor jenaischen Studenten zwei Jahre zuvor erinnerte.
Ein paar Tage später war er in einer Kneipe dabei, als Hoffmann von Fallersleben einen öffentlichen Auftritt als fahrender Sänger hatte. Nach dem Trinkspruch „Deutschland ohne Lumpenhunde“ gab der heimatlose Professor Gedichte, Lieder und Erzählungen über seine Wanderungen zum Besten. Mit großem Erfolg bei den Zuhörern, jedoch nicht bei den preußischen Behörden. Denn die teilten ihm am nächsten Tage mit, dass er wegen Störung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit schnellstens die Stadt zu verlassen habe.
Althaus begleitete den Poeten Hoffmann, bis der mit einer Kiste voller Bücher und Papieren in der Postkutsche saß, sich mit einem Zündhölzchen eine Zigarre anzündete und mit gewohntem Spott die viel gerühmte „Aufklärung in Berlin“ vorführte.

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Mittwoch, 29. August 2012

Henriette Herz und Bettina von Arnim

Was wäre ein Studium in Berlin ohne Besuch eines der berühmten Salons, in denen Studenten zumeist sehr gern gesehene Gäste waren? Die fast achtzigjährige Henriette Herz konnte bereits auf einige Jahrzehnte regelmäßiger Gesprächsabende in ihrer Wohnung zurückblicken, als Theodor Althaus bei ihr zu Gast war. Über Ludwig Tieck und Schleiermacher wurde geredet und sich über Friedrich Rückert ausgetauscht, den Althaus in Neuses bei Coburg besucht hatte. Henriette Herz war dem Dichter im Jahre 1819, mehr als zwanzig Jahre zuvor, in Italien begegnet. Sie erinnerte sich an einen großen Mann mit düsterem Gesicht, langem Haar und schwarzem Rock, der sich nicht mit den anderen zusammen auf die Wiese setzen wollte, weil er Angst vor Schlangen hatte.


Ein Besuch bei Bettina von Arnim, deren Wohnung auch regelmäßig für Treffen und Gespräche offenstand, verlief so ganz nach Theodors Geschmack. Studenten gingen bei Bettina ein und aus. Die Schwester von Achim von Arnim, Witwe von Clemens Brentano und Mutter von sechs Kindern hatte wegen ihres offenen Wesens und ihrer Gastfreundschaft sehr viele Sympathien in der Stadt. Ihr engagierter Einsatz für benachteiligte und verarmte Bevölkerungsgruppen war außergewöhnlich. Sie selbst war wirtschaftlich unabhängig und gehörte zur privilegierten Gruppe der Gesellschaft, war aber bereit zu geben, was sie nur konnte. Und sie nahm kein Blatt vor den Mund. Selbst dem preußischen König konnte sie die Wahrheit sagen, sogar aufschreiben und unter dem provokanten Titel „Dies Buch gehört dem König“ veröffentlichen.
Mit ihrer natürlichfrischen Art erfreute die Sechsundfünfzigjährige das junge Stürmerherz. Theodor Althaus war mächtig angetan von der quirligen Frau mit dem hessischen Dialekt. „Wißt was? Geht bis neun Uhr spazieren, dann kommt wieder, da woll mer schwätze, so viel Ihr Lust habt. Nehmt’s nit übel“, zitierte er sie im Brief an seine Mutter und schilderte, wie er zusammen mit seinem Freund eineinhalb Stunden später dann an ihrem Teetisch saß, ab und an die jüngste Tochter Gisela durch den Raum flog und die Hausherrin, ihr Versprechen einhaltend, nach Herzenslust bis weit nach Mitternacht mit den zwei Studenten schwätzte.
„Daß die Berliner Gesellschaft diese Frau verrückt nennt, ist kein Wunder, denn sie gehört zu den unbequemen Leuten, die die Wahrheit sagen!“, war sein Fazit im Brief an die Mutter.


aus: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland


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Dienstag, 28. August 2012

Student in Berlin

aus: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland:

Der Kandidat der Theologie war einundzwanzig Jahre alt, als er Ende Oktober 1843 mit der Dampfeisenbahn die preußische Hauptstadt erreichte. Sofort berichtete er in die Heimat über seine ersten Eindrücke in einer großen Stadt. Vier Bahnhöfe gab es in Berlin, den Hamburger, Frankfurter, Anhalter und den Potsdamer Bahnhof. 


Die Dorotheenstraße, in der er wohnte, war eine der kürzeren, doch so lang wie Detmold von einem Ende zum anderen. Sie führte auf die Friedrichstraße, auf der man vom Oranienburger Tor im Norden bis zum Halleschen Tor im Süden eine gute Stunde zu laufen hatte. Mitten durch die Stadt floss die Spree, über die mehr als zehn Brücken führten und auf der reger Schiffsverkehr herrschte. Doch noch viel regerer Verkehr herrschte auf den Straßen. Zweitausend Pferdedroschken gab es in Berlin, deren Benutzung allerdings für einen Studenten nicht billig war und von Theodor nur hin und wieder bei ganz schlechtem Wetter in Frage kam. Wichtig waren die Konditoreien, in denen es die neuesten Zeitungen zu lesen gab. Dort war es jedoch auch teuer, sodass er lieber ins Museum auf der Spreeinsel ging, wo er nichts bezahlen musste.


Als Theodor Althaus sich immatrikulieren wollte, gab es Schwierigkeiten, weil man in der Berliner Universität mit dem lippischen Kandidatenstatus nicht zufrieden war. Es war also nicht selbstverständlich, dass er aufgenommen wurde.  Er hatte noch ein Abgangszeugnis der Universität Bonn zu besorgen. Fürchtete er vielleicht, die Sache Nitzsch könnte ihn auf diese Weise verfolgen? Doch alles ging gut, Bonn legte ihm keinen Stein in den Weg und schickte das erforderliche Dokument.
Es dauerte eine Weile, bis der Detmolder Anbindungen zu Gleichaltrigen fand. Wie in Bonn, trat Verbindungsleben nicht offen in Erscheinung und hatte schon gar nicht den jenaischen Glanz. Überhaupt musste man in der preußischen Hauptstadt mit Demonstrationen jeglicher Art vorsichtig sein. Überangepasste „Musensöhne“ wie die in den Bonner Seminaren von Nitzsch hatten es da leichter als der ungeduldige Rebell aus Lippe. Diese traf er auch in Berlin. Bei der Wahl der Lehrveranstaltungen lagen Theodors Schwerpunkte in den Disziplinen Philosophie und Philologie. Damit hatte er neben Theologie auch in diesen Bereichen die Möglichkeit, Qualifikationen zu erwerben und seine Berufsaussichten zu verbessern. Er hörte Ranke, Boeckh, Neander, Trendelenburg, Nauwerck, Schelling und Mundt.
Die Lieben in Detmold  bekamen auch wieder das eine oder andere Anekdötchen zu lesen, so zu Schelliing: „Große Vollheit, Lärm, Hitze und am Ende kamen ganz gewöhnliche Sachen heraus.“  Und Theodor Mundt scheine ohne feste Basis zu sein,  jedes Hin- und Herreden werde langweilig. Auch mit ein paar Witzchen gelinge es ihm nicht, die Inhalte so darzustellen, dass bei den Zuhörern etwas haften bleibe.
Kommilitonen zunächst enttäuschend und provozieren seinen Unmut, den er im Tagebuch heraus ließ:
„Alte Jenenser, die noch vor einem halben Jahre Eichelfresser waren, sind aus innerer Haltlosigkeit, Feigheit, Schwachheit etwas Positives zu vertheidigen, in den bequemen Sumpf des Materialismus und Communismus versunken. […] Einige studiren Theologie fort, weil ihre Großmutter sie sonst enterbt: flache Spötter, Menschen, in denen kein produktiver Funke steckt.“

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Montag, 27. August 2012

Erste Predigt in Detmold

aus: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland

An einem Apriltag des Jahres 1843 hielt der älteste Sohn des Generalsuperintendenten seine Examenspredigt auf der Kanzel der Hauptkirche in Detmold, ein paar Schritte entfernt vom Pfarrhaus unter der Wehme, in dem er bis zur Entscheidung der Coburger Bewerbung seine Studierstube im Elternhaus bewohnte.
Auch eine junge Frau war gerade aus einer anderen Stadt in die lippische Residenzstadt zurückgekommen. Auch sie wusste noch nicht, wie es mit ihrem Leben weitergehen würde. Malwida von Meysenbug saß beim ersten öffentlichen Auftritt  von Theodor Althaus in der Kirchenbank, als er vor der Detmolder Gemeinde predigte. Auf der Kanzel stand ein großer junger Mann in schwarzem Talar mit bleichem Gesicht, edlen Zügen und dichten schulterlangen Haaren. Sie erinnerte sich:
 „Als er zu sprechen begann, wurde ich sympathisch berührt durch den Klang seiner tiefen, sonoren und doch angenehmen Stimme. Bald aber vergaß  ich alles andere über den Inhalt seiner Predigt. Das war nicht mehr die sentimentale Moral, noch die steife kalte Unbestimmtheit der protestantischen Orthodoxie, wie beim Vater. das war ein jugendlicher Bergstrom, der daherbrauste voller Poesie und neuer belebender Gedanken. Das war die reine Flamme einer ganz idealen Seele, gepaart mit der Stärke einer mächtigen Intelligenz, die der schärfsten Kritik fähig war. Das war ein junger Herder, welcher, indem er, das Evangelium predigte, die höchsten philosophischen Ideen zur Geschichte der Menschheit entwickelte. Ich war auf das tiefste und glücklichste bewegt.“


Einige Tage später hielt der Kandidat der Theologie einen Vortrag in der Detmolder Ressource, dem wichtigsten gesellschaftlichen Treffpunkt der Stadt, deren Räume sich im Rathaus auf dem Marktplatz neben der Hauptkirche befanden. Malwidas Mutter hörte ihn dort und war zutiefst beeindruckt. Nachdem der Generalsuperintendent Frau von Meysenbug nach der Veranstaltung seinen ältesten Sohn persönlich vorgestellt und sie einige Worte mit ihm geredet hatte, war so angetan, dass sie ihn später im Familienkreise als „Ideal eines jungen Mannes“ bezeichnete.
Von der unglaublichen Wirkung, die der Kandidat Althaus bei Mutter und Tochter erzielt hatte, erfuhr der selbst zunächst nichts. Er wartete auf die Entscheidung in Coburg und war bereit, dort seine Arbeit zu tun. Doch die Sache zog sich hin. Nach einigen Monaten war noch immer kein Bescheid da. Großvater Dräseke, der sich gerade vom Magdeburger Bischofsamt in den Ruhestand nach Potsdam zurückgezogen hatte, erklärte sich die Verzögerung mit finanziellen Schwierigkeiten der Kirchenbehörde im Zusammenhang mit der Besoldung des Diakons. Mangelnde Fachkompetenz des Bewerbers konnte es nach Dräsekes Einschätzung wohl nicht sein, denn Theodors Examenspredigt, die dieser ihm geschickt hatte,  fand seine ungeteilte Zustimmung und erntete überschwängliches Lob. Sowohl die Auswahl und Aktualität des Inhaltes, Aufbau und Klarheit der Gedankenführung mit logischem Schluss, eine verständliche und anregende Ansprache seien nicht nur angemessen, sondern hervorragend. Der Großvater war sehr stolz auf seinen wunderbaren Enkel. Auch er machte sich Gedanken über Theodors Zukunft und schlug vor, er solle nicht mehr länger warten, sondern den Winter in Berlin verbringen und an der dortigen Universität sein Studium fortsetzen.


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Sonntag, 26. August 2012

Burschenschaftler in Jena

aus: Renate Hupfeld, Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland:



Im Oktober 1841 begann Theodor in Jena sein zweites Studienjahr. Ob in der Universitätsstadt an der Saale alles so sein würde, wie er es sich erträumt hatte? Noch fühlte er sich fremd. Er stand am Fenster und schaute auf den Marktplatz. Das war nun die berühmte Universitätsstadt Jena. Fürchterlicher Trubel da unten. Dutzende Fleisch- und Gemüseverkäufer, Wurstbratereien und Getränkestände. Ein Grüppchen Studenten am Kaffeestand. Sollte er hinuntergehen und sich das mal aus der Nähe ansehen? Er traute sich nicht.




Erst mit dem Beitritt zur Verbindung ein paar Tage später gehörte er dazu. Auf dem Fürstenkeller waren zwischen sechzig und siebzig Burschenschaftler, die sich regelmäßig in einem geräumigen Haus am Fürstengraben trafen. Schnell war der inzwischen Neunzehnjährige mittendrin im jenaischen Verbindungsleben mit Kneipereien, Versammlungen, Kränzchen, Soiréen und Bällen. Von einem Commers berichtete er Ende November 1841 seiner Schwester Elisabeth:
„Wenn die Tassen nicht klirrten, so klirrten doch die blanken Schwerter, glänzten keine ausgesuchten Toiletten, so machte sich doch der schwarze altdeutsche Rock mit übergeschlagenem Kragen, die offene Brust mit schwarz-roth-goldenem Band darüber, die blutrothe Schärpe, das schwarze Barett mit weiß und schwarzen Federn – kurz, die Tracht des Präsides, sehr schön.“

[...]

Ein peinliches burschenschaftliches Ereignis vertraute er im Juni der jüngeren Schwester Elisabeth an. Das war eine ziemlich schwere Verletzung, die er sich bei einem nicht näher erläuterten Duell zugezogen und die ihn einige Tage im wahrsten Sinne des Wortes außer Gefecht gesetzt hatte.
Im selben Brief berichtete er über ein Erinnerungsfest der thüringischen Krieger, das in Jena mehrere Tage lang gefeiert wurde und an dem alle Verbindungen sich intensiv beteiligten. Einer der acht Präsides war Theodor, gekleidet in schwarz mit weißem Kragen, weißseidener Schärpe mit Goldfransen, weißen Stulpenhandschuhen, Federbarett auf dem Kopf und Stoßschläger in der Hand. Mit klirrenden Sporen marschierte er durch den Fürstengraben.



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Freitag, 24. August 2012

Auf den Spuren in Bonn

aus: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland:

In der Frühe eines Oktobermorgens des Jahres 1840 stand er im Wohnzimmer mit Ranzen und Wanderstock, umgeben von Vater, Mutter, Schwestern und Brüdern, bereit zum Abschied aus dem Elternhaus. Voller Neugier auf die Welt stiefelte er zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Freund Rudolf Cruel aus dem lippischen Schöttmar los in Richtung Paderborn, von wo aus ihn eine Postkutsche an den Rhein brachte. An der Bonner Universität wollte er Theologie studieren.



Warum wählte ein Abiturient aus dem Fürstentum Lippe gerade Bonn als Studienort?  Es hatte sich wohl bis in alle Regionen des Deutschen Bundes herumgesprochen, dass dort in jenem Herbst ein besonders frischer politischer Wind wehte. Das hatte mit dem Beginn der Amtszeit von König Friedrich Wilhelm IV. in Preußen zu tun. Eine seiner ersten Regierungshandlungen war eine teilweise Aufhebung der Karlbader Beschlüsse, was als Initialzeichen zum nationalen Aufbruch in den Ländern des Deutschen Bundes gesehen wurde. Für die Universitätsstadt am Rhein bedeutete das die Rückkehr von Professor Ernst Moritz Arndt, der nun nach zwanzig Jahren Berufsverbot wegen „demagogischer Umtriebe“ rehabilitiert und sogar Rektor der Bonner Friedrich-Wilhelms-Universität wurde.



Ein Ereignis im Januar 1841 dürfte den Studienanfänger aus der lippischen Provinz mächtig beeindruckt haben. Eines Abends fand ein studentischer Fackelzug für Professor Arndt statt. Chargierte mit farbigen Schärpen, Federbüschen und Schlägern versammelten sich beim Obelisken auf dem Bonner Marktplatz und führten anschließend den langen Festzug zum Hause des alten Herrn an. Mit der Fackel in der Hand zog Theodor Althaus mit durch das Koblenzer Tor. Von der Dankesrede des Geehrten hörte er zwar nicht viel, weil er zu weit hinten stand, er beteiligte sich aber an den Hochrufen, sang begeistert mit und ließ sich die anschließende nächtliche Kneiperei nicht entgehen.


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Donnerstag, 23. August 2012

Spuren von Theodor Althaus in Detmold


Im Pfarrhaus Bruchstraße 2 wurde Theodor Althaus am 26. Oktober 1822 geboren.


Im Jahre 1836 zog die Familie um in das Pfarrhaus unter der Wehme.



Im Eingang ein Schild als Erinnerung an ihn und seine Freundin Malwida von Meysenbug.


Im Gymnasium Leopoldinum machte Theodor im Jahre 1840 sein Abitur.

Dienstag, 13. März 2012

Althaus in der Buchhandlung Akzente


"Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland"
bei den Lebensberichten in der Buchhandlung Akzente in Hamm


Sonntag, 29. Januar 2012

Interview mit Renate Hupfeld zu ihrer Althaus-Biografie


Wie kommt man dazu, ein Buch über Theodor Althaus zu schreiben? 
Bei der Konfrontation mit der Frage ‚Wie sah es im Deutschland zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus, wenn so viele Menschen ihr Heimatland verließen und nach England, Amerika oder sogar Australien auswanderten?’ entdeckte ich vor fünf oder sechs Jahren im „Museum für Westfälische Literatur“ in Oelde-Stromberg die Schriftstellerin Malwida von Meysenbug. In deren „Memoiren einer Idealistin“ faszinierte mich besonders ihr Detmolder Freund Theodor Althaus. Bei einer Tagung zum Thema „Vormärz“ in Wolfenbüttel ergab sich ein Kontakt mit dem Aisthesis Verlag Bielefeld, bei dem ich im Januar 2010 eine Auswahl seiner Texte mit dem Titel „Zeitbilder 1840 – 1850“ herausgeben konnte. Aus den Recherchen zu dieser Anthologie entwickelte sich das Projekt Biografie. Ich wollte die schicksalhafte Lebensgeschichte des Theologen, Schriftstellers und Journalisten Theodor Althaus, der nicht einmal dreißig Jahre alt geworden war, aufschreiben und einem möglichst breiten Leserkreis zugänglich machen.
Was ist faszinierend an ihm? 
Die Geradlinigkeit, mit der er seine Ideen und Ziele verfolgte. Er kämpfte für ein freies, einheitliches Deutschland mit demokratischen Strukturen. Als Meister des gesprochenen und geschriebenen Wortes nutzte er jede Gelegenheit, um den Menschen seine Botschaft nahe zu bringen. Zeit seines Lebens vertrat er beharrlich seinen Standpunkt, selbst wenn es ihm Nachteile und ihn ja auch letztendlich ins Gefängnis brachte.
Für wen ist das Buch geschrieben? 
Es ist kein wissenschaftliches Werk, sondern im weitesten Sinne eine dokumentarische Erzählung. Dokumentarisch deshalb, weil die Begegnungen, Zeiten und Orte der Handlung, Umstände wie das Wetter und natürlich Zitate entsprechend recherchiert sind und ich jede Einzelheit nachweisen kann. Ich erzähle die Lebensgeschichte von Theodor Althasu und beim Schreiben kam es mir auf den Erzählfluss an, das heißt ich bleibe nahe am Protagonisten in seinen jeweiligen Lebenszusammenhängen, einschließlich der politischen, die zum Teil ziemlich kompliziert und für uns heute schwer nachvollziehbar sind. Geschehnisse im Revolutionsjahr 1848, wie die Eröffnung des ersten deutschen Parlamentes in der Paulskirche, die blutigen Aufstände in Berlin, Wien und Frankfurt oder das äußerst zähe Ringen der demokratisch gesinnten Untertanen des Königs Ernst August in Hannover, versuche ich den Lesern nahezubringen, und zwar immer eingebunden im Erleben meines Protagonisten.
Gibt es einen Aktualitätsbezug? 
Theodor Althaus lebte in einer Zeit, als Einheit, Freiheit und Demokratie in Deutschland laufen lernen wollten. Leidenschaftlich kämpfte er um eine gerechtere Welt. Alle Menschen sollten in den Stand versetzt werden, mitzureden und an den irdischen Gütern teilzuhaben. Davon war man weit entfernt. Wenige besaßen viel, die meisten waren arm und wussten nicht, wie sie den nächsten Tag überleben sollten. Althaus Kampf um Demokratie und gerechte Verteilung der irdischen Güter kann man heute noch immer nachvollziehen. Seine Visionen und Botschaften haben somit nichts an Aktualität eingebüßt.
Das Buch wurde ohne Beteiligung eines Verlages herausgegeben. 
Stimmt. Nach Fertigstellung habe ich es verlagsunabhängig als E-Book in der Kindle Edition und als Taschenbuch veröffentlicht, weil ich zunächst die vollen Rechte am Manuskript behalten wollte. Das hat den Vorteil, dass zum Beispiel die Preisgestaltung in meinen Händen liegt. Mir war es wichtig, leserfreundlich zu kalkulieren. Viele von Verlagen herausgebrachte Bücher finde ich zu teuer, vor allem die E-Books. Zugegeben, die Vermarktung ist kein Selbstläufer. Dazu nutze ich die Möglichkeiten des Internets, zum Beispiel mit Informationen auf meinen Homepages, in entsprechenden Foren und natürlich von Lesungen und Pressenotizen. Allerdings will ich auch betonen, dass ich die Zusammenarbeit mit einem Verlag, in dessen Programm der Stoff passt, grundsätzlich nicht ablehne. Die Publikation der Biografie in einer Neuauflage kann ich mir durchaus vorstellen.


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Sonntag, 22. Januar 2012

Biografie jetzt als Taschenbuch

Im November 2011 ist die Biografie von Theodor Althaus auch als Taschenbuch (ISBN 978-3-942594-17-2) erschienen. Zu bestellen im Buchhandel oder bei text-und-byte.de.