Donnerstag, 18. Juli 2013

Zweite Auflage


In der zweiten Auflage gibt es nicht nur ein neues Cover, gestaltet von Tom Jay, sondern auch die Texte von drei Zeitungsartikeln (Leitartikel von Theodor Althaus) aus den Jahren 1848 und 1849, ein Kapitel deutsche Geschichte auf den Punkt gebracht von den Karlsbader Beschlüssen 1819 und Hambacher Fest 1832 bis zum deutschen Frühling 1848 und dem Scheitern der Revolution im Jahre 1849. Und vor allem enthält die neue Auflage zahlreiche Fotos von den Schauplätzen des Lebens dieses jungen Stürmers in Detmold, Bonn, Jena, Bremen, Leipzig, Berlin und Hannover. Das Inhaltsverzeichnis sieht nun so aus:

Am 18. März auf seinen Spuren

I. 1822 – 1847

Pfarrerssohn in Detmold
Studium in Bonn
Burschenschaftler in Jena
Bonner Abschluss
Predigt in der Hauptkirche
Berliner Progress, Salons, Brüder Grimm
Zurück in Detmold
Malwida von Meysenbug
Artikel zum Fürstenjubiläum
Zukunft des Christentums
Prediger auf der Grotenburg
Landpfarrerträume
Rheinfahrt im August 
Unbequem, nicht überall
Literatenleben in Leipzig

II. 1848

Geweint vor Freude
Revolution in Berlin
Kandidat für Lippe
Parlament in der Paulskirche
Robert Blum und die Zentralgewalt 
Bremer Perspektiven
Fiese Kampagne gegen die Bremer Zeitung
Trauerspiel in Wien
Drama Robert Blum
Dunkelgrauer Abschied
Neubeginn in Hannover 
Tod der Mutter 

III. 1849 - 1852

Zeitung für Norddeutschland
Grundrechte für Deutschland 
Ständeversammlung und hannoversche Thronrede 
Politpossen im Königreich 
Hannover, Deutschland und ein Zeitungsmann
Reichsverfassung und monarchische Betonwände
Gefängnis vor dem Clevertor 
Hannoversche Idyllen
Urteil des Stadtgerichtes 
St. Godehard in Hildesheim
In Freiheit 
Hamburger Hochschule für Frauen 
Am Plauer See gegen das Monstrum
Letzte Monate in Gotha

Materialien

Weser-Zeitung, 22. März 1848: Die Revolution in Berlin
Bremer Zeitung, 14. November 1848: Robert Blum.
Zeitung für Norddeutschland, 13. Mai 1849: Der zehnte Mai in Frankfurt 
Deutsche Geschichte von 1819 bis 1849 auf den Punkt gebracht 

Anhänge

Lebensdaten im Überblick 
Bildanhang 
Quellen- und Literaturverzeichnis 
Personenverzeichnis 



Anmerkung für diejenigen, die das Buch bereits im Kindle Shop gekauft haben: Die ASIN hat sich nicht geändert. Es kann also aktualisiert werden. Sollte das nicht automatisch gehen, bitte an den Support wenden!





Mittwoch, 17. Juli 2013

Rheinfahrt im August


Der August des Jahres 1846 geizte nicht mit wunderbaren Sommertagen. Theodor stand am Fenster seiner Studierstube und betrachtete den Sonnenuntergang über der Grotenburg. Mit der leichten Bewegung der zart angehauchten Wölkchen träumte er sich über den Horizont hinaus bis an den Rhein. Märchenhafte Bilder und Farben kamen ihm ins Gedächtnis. Erinnerungen an sanft ansteigende Weinfelder, Burg Rheinstein hoch über der Flusswindung, der schroffe Loreleyfelsen im Abendlicht, glitzernde Wellen im Ufersand und der Gedankenaustausch mit Menschen, die genauso dachten und fühlten wie er und die gleichen Hoffnungen hegten.
Einige Tage später machte er seinen Traum wahr und fuhr an den Rhein, wo er jetzt, sechs Jahre nach dem hoffnungsvollen Studienbeginn, eine Zeit der heftigen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten seines Vaterlandes erlebte. In Köln traf er sich mit zwei Redakteuren der Kölnischen Zeitung, und zwar mit Levin Schücking und Karl-Heinrich Brüggemann, dem er zwei Jahre zuvor in Waßmanns Lokal in Berlin nach seiner ersten politischen Rede begegnet war. Mit seinem Freund Gottfried Kinkel saß er hoch über dem Fluss mit Blick auf das Siebengebirge, um festzustellen, dass die Rheingegend noch genauso schön war wie drei Jahre zuvor und dass dennoch so vieles verändert war. Nachdem Gottfried Kinkel die geschiedene Künstlerin Johanna Mockel geheiratet hatte, war er für eine Lehrtätigkeit in der theologischen Fakultät war untragbar geworden und lehrte nur noch im Fach Kunstgeschichte.
Mit dem Dampfboot fuhr Theodor in Etappen flussaufwärts nach Bingen. Von dort aus unternahm er eine Wanderung entlang der Nahe bis nach Kreuznach, wo er bei den Begegnungen mit Menschen den Eindruck hatte, er stoße mit jedem Schritt an eine faule Frucht der Geschichte. Die krassen Gegensätze zwischen bestens ausgestatteten Kurgästen auf der Kreuznacher Promenade und den schwitzenden Arbeitern mit zerschundenen Händen in den Weinfeldern waren ihm unerträglich. Von Kreuznach aus wanderte er weiter und hinter Bad Münster am Stein bergauf zur Ebernburg. Beim Gang zwischen den Ruinen fühlte er sich um einige Jahrhunderte zurückversetzt in die Reformationszeit, als der Burgbesitzer Franz von Sickingen, Freund des Volkes und von Martin Luther, hier gewohnt und entgegen allen Anfeindungen seiner Fürstenkollegen verfolgten Reformatoren Asyl gewährt hatte. Auch Sickingens gleichgesinnter Freund, der Dichter Ulrich Hutten, war für lange Zeit dort oben untergekommen. Diese besondere Bedeutung verschaffte der Burg den Beinamen Herberge der Gerechtigkeit.
Eine weitere Unternehmung führte den vierundzwanzigjährigen Wanderer in das wildromantische, zerklüftete Wispertal. Stundenlang ging er allein, umgeben nur von der großartigen Natur, die doch klüger war als die Menschen, die es nicht fertig brachten, diese Großartigkeit auch denen zugänglich zu machen, die in Hütten hausten. Welch ein Widerspruch! In dieser Profeteneinsamkeit  fochten die Gedanken in seinem Kopf einen fürchterlichen Kampf, der dann in leidenschaftlicher Empörung mit Feder und Tinte zum Ausbruch kam. In den sechsundneunzig Strophen von Eine Rheinfahrt im August erinnerte der Autor an die hochfliegenden Hoffnungen auf Freiheit und Gerechtigkeit, zeigte das schwache Elend der vielen, die sich abquälten, damit wenige alle Reichtümer besäßen, und stellte fest, das fluchbeladene Metall  richte nur Unheil und Blutvergießen an. Geld solle man besser im Rhein versenken wie den Nibelungenschatz. Gleichzeitig war dieses Gedicht eine Hymne an den mächtigen Fluss, der ruhig und unbeirrt seinen Weg nahm. An alle dem hatte der Rhein ja keine Schuld. Er war der ungekrönte König und auf ihm ruhten seine Hoffungen auf bessere Zeiten. Die Zukunftsvision von Freiheit, Liebe und Gerechtigkeit beherrschte Theodors gesamtes Denken, Fühlen und Handeln. Für die Verwirklichung dieses Ideals würde er alles geben. Als wollte er diesen Vorsatz besiegeln, taufte er sich eines Abends an einer Uferstelle selbst mit klarem Rheinwasser.
Ende September 1846 wurde Eine Rheinfahrt im August mit dem Untertitel Den Kölnern, den Schleswigholsteinern, Allen die den Rhein lieben gewidmet gedruckt, auch diesmal wieder beim Schünemann Verlag in Bremen. In dem Zusammenhang erfolgte eine Einladung von den Redakteuren der Weser-Zeitung, deren Verleger ja auch Schünemann war. Man wollte den jungen Literaten, der seit zwei Jahren regelmäßig brillante Texte für ihr Blatt lieferte, persönlich kennenlernen und mit ihm über eine ständige Mitarbeit in der Redaktion reden. Das waren attraktive Aussichten und eine Übersiedlung nach Bremen hatte zudem wegen der Erinnerung an die jahrelange Tätigkeit von Großvater Dräseke an der dortigen Gemeinde St. Ansgarii einen ganz besonderen Stellenwert. Drei Tage brauchte die Miethskutsche durch Sand- und Heidewege. Das Gespräch fand statt, doch die Redakteure der Weser-Zeitung  waren keinesfalls in allen Punkten mit Theodor einig. Seine politischen Ziele gingen weit über das hinaus, was eine Tageszeitung in Bremen sich leisten konnte. Man einigte sich auf eine befristete Mitarbeit, zunächst für ein halbes Jahr. Der Vertrag sollte sofort in Kraft treten.

Doch dann traf Theodor Althaus das Missgeschick gleich in zweierlei Weise. Er wurde ernsthaft krank und war monatelang nicht arbeits- und noch weniger reisefähig. Und noch schlimmer war, dass die Rheinfahrt vom Oberzensurgericht Preußen verboten wurde. Schünemann wurde aufgefordert, die Vertreibung der Schrift sofort zu stoppen, andernfalls würden gegen das Verlagshaus Sanktionen erfolgen. Eine schriftliche Eingabe des Verfassers an den preußischen Innenminister blieb trotz glänzender Argumentation ohne Erfolg. Schünemann distanzierte sich von Althaus, um weiteren Schwierigkeiten mit den preußischen Behörden aus dem Weg zu gehen. Man verschob das Inkrafttreten des Vertrages bis auf Weiteres. Die Zusammenarbeit in der bisherigen Art und Weise wurde jedoch beibehalten und es erschienen weiterhin Artikel von Althaus in der Weser-Zeitung, unter anderem einer über seine Gedanken bei der Wanderung auf die Ebernburg.

Foto: © Renate Hupfeld

Freitag, 5. Juli 2013

Antworten zur deutschen Geschichte


1819 Karlsbader Beschlüsse
Der Mord des Studenten Karl Ludwig Sand an dem Schriftsteller August von Kotzebue wurde zum Aufhänger verschärfter politischer Verfolgung. Mit den Karlsbader Beschlüssen vom 20. September 1819 setzte sich der österreichische Staatskanzler Clemens August Fürst Metternich vehement für ein Überwachungssystem ein, um nationale und liberale Bestrebungen zu unterdrücken. Durch ein Netz von Spitzeln wurden Versammlungen, Publikationen in Büchern und Presse eingeschränkt oder verboten. Die Spitzel machten selbst vor dem privaten Bereich nicht halt und je nach Auslegung in den einzelnen Ländern wurden Aktionen und Äußerungen mit empfindlichen Maßnahmen belegt.

1832 Hambacher Fest
Um die 30.000 Menschen aus allen deutschen Ländern trafen sich am 27. Mai 1832 auf dem Hambacher Schloss, um für nationale Einheit, Verfassungen und Pressefreiheit zu demonstrieren. Auf Grund der Karlsbader Beschlüsse gab es eine Vielzahl von Verhaftungen.

1837 Göttinger Sieben
Als König Ernst August bei seinem Amtsantritt im Jahre 1837 mit einem Handstreich die im Königreich Hannover bestehende Verfassung außer Kraft setzte, wandten sich sieben Göttinger Professoren öffentlich gegen diese Willkürmaßnahme. Das hatte zur Folge, dass sie entlassen und ausgewiesen wurden. Auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm gehörten dazu.

1840 Amtsbeginn von Friedrich Wilhelm IV.
Als Friedrich Wilhelm IV. 1840 das Amt des preußischen Königs übernahm, weckte er mit Begnadigungen von politischen Häftlingen und Aufhebungen von Berufsverboten große Hoffnungen auf deutsche Einheit und Demokratie. Acht Jahre später bestimmte er durch seine Weigerung, die Reichsverfassung anzuerkennen und die Kaiserkrone für ein einheitliches Deutschland anzunehmen maßgeblich das Scheitern der Revolution von 1848.

1844 Aufstand der Weber in Schlesien
Den Königen und Fürsten ging es prächtig während das arbeitende Volk hungerte. Insofern ist der Aufstand der schlesischen Weber stellvertretend für viele Bevölkerungsguppen zu sehen, die bitterarm waren und smit ihrer täglichen Arbeit nicht in der Lage waren ihre Familien zu ernähren.

24. Februar 1848 Sturmglocken von Notredame
Wie ein Donnerschlag hallte es durch die deutschen Länder, als in Frankreich König Louis Philippe gestürzt und die Republik ausgerufen wurde. Das Ereignis war die Initialzündung für den deutschen Frühling im März 1848.

13. März 1848 Flucht Metternichs in Wien
Mit der Eroberung des Zeughauses war das höchst erzürnte Volk bewaffnet und zwang Metternich zum Rücktritt. Der 74Jährige flüchtete ins Exil nach England.

1848 Revolution in Berlin am 18. März
Bei einer Kundgebung von König Friedrich Wilhelm IV. vor dem Berliner Schloss fielen Schüsse, die wie der berühmte Funken im Pulverfass wirkten. In unglaublicher Empörung und Einigkeit kämpften Mitglieder aller Bevölkerungsgruppen gegen die Militärpräsens und errangen einen kurz währenden Sieg über die Willkürherrschaft des preußischen Monarchen.

31. März 1848 Vorparlament in der Frankfurter Paulskirche
Mehr als 500 Männer kamen in der Frankfurter Paulskirche zusammen mit dem Ziel, in den einzelnen Ländern die Wahl zum ersten gesamtdeutschen Parlament vorzubereiten.

18. Mai 1848 Nationalversammlung in Frankfurt
Fast 400 gewählte Deputierte aus allen deutschen Ländern waren bei der ersten Sitzung des vom deutschen Volk gewählten Parlamentes dabei, um eine gesamtdeutsche Verfassung, die sogenannte Reichsverfassung, zu erarbeiten.

11. Juli 1848 Einzug des Reichsverwesers in Frankfurt
Auf Vorschlag des Parlamentspräsidenten Heinrich von Gagern wurde Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser gewählt. Er sollte sich dafür einsetzen, das die Beschlüsse der Nationalversammlung in politisches Handeln umgesetzt würden und Deutschland nach Außen vertreten.

18. September 1848 Aufstand in Frankfurt
Beim Konflikt zwischen Schleswig Holstein und Dänemark hätte der Reichsverweser zum ersten Mal außenpolitisch agieren müssen. Stattdessen wurde der Waffenstillstand von Malmö selbstherrlich von Preußen geschlossen und dieser Alleingang wurde sogar noch von der Nationalversammlung abgesegnet. Das Vertrauen der Bevölkerung in das erste vom deutschen Volk gewählte Parlament war gestört, es kam zu einem Aufstand, der mit Hilfe von preußischem Militär blutig niedergeschlagen wurde.

9. November 1848 Hinrichtung von Robert Blum in Wien
Nachdem die Umsetzung der Paulskirchenbeschlüsse stagnierte und mit zunehmendem Erstarken der Reaktion die Revolution im Sande zu verlaufen drohte, sah Blum die letzte Chance zur Rettung der deutschen Sache in der Unterstützung des Wiener Oktoberaufstandes. Doch auch diese Erhebung wurde blutig niedergeschlagen und hatte Verhaftungen und Hinrichtungen zur Folge. Ohne Prozess wurde das Mitglied der deutschen Nationalversammlung Robert Blum brutal erschossen.

27. Dezember 1848 Verabschiedung der Grundrechte des Deutschen Volkes
Trotz aller Schwierigkeiten wurde mit dem Reichsgesetz über die Grundrechte für ganz Deutschland ein erster und ein ganz wichtiger Teil der deutschen Verfassung verabschiedet

27. März 1849 Verabschiedung der Reichsverfassung für das deutsche Volk
Einige Monate später war nach Flügelkämpfen, heftigen Diskussionen und beharrlicher Integrationsarbeit das Verfassungswerk fertig gestellt und wurde verabschiedet. Ein Großteil der deutschen Länder nahm die Reichsverfassung an und begann, sie umzusetzen, doch nicht alle. Preußen war noch nicht im Boot und in Hannover trieb das Ministerium Stüve ein possenhaftes Intrigenspiel mit der Ständeversammlung.

28. April 1849 Friedrich Wilhelm VI. lehnt die Kaiserkrone ab
Mit einer Erklärung vom 28. April 1849 lehnte der preußische König Friedrich Wilhelm VI. von Gottes Gnaden die ihm von den Volksvertretern angetragene Kaiserkrone für Deutschland ab. Damit war das mühsam erarbeitete und in hartem Ringen erkämpfte Verfassungwerk gescheitert.

Mai 1849 Reichsverfassungskampagne

Ein Großteil der Bevölkerung stand hinter der Reichsverfassung und wollte das Scheitern nicht hinnehmen. Nachdem friedliche Kundgebungen, Petitionen und Pressekampagnen von den monarchischen Herrschern nicht gehört wurden, kam es wieder zu Aufständen, so im sächsischen Dresden, in der Pfalz und in Baden. Alle Erhebungen wurden jedoch militärisch niedergeschlagen und hatten für die Kämpfer bittere Konsequenzen. Es gab Verhaftungen und Hinrichtungen. Wer noch flüchten konnte, verließ sein Heimatland.




Rezension im Jahrbuch Forum Vormärz Forschung


Es ist eine sehr erfreuliche Nachricht zu vermelden: Die Autorin Renate Hupfeld hat ihrer Anthologie mit Auszügen aus den Schriften von Theodor Althaus einen biographischen Abriss über das Wirken ihres Helden zwischen 1822 und 1852 folgen lassen. Im Untertitel wird er als "Revolutionär in Deutschland" bezeichnet, was jeden aufhorchen lässt, der bislang glaubte, sich mit der Entwicklung einer obrigkeitsstaatlichen Tradition in Deutschland im Laufe des 19. Jahrhunderts abfinden zu müssen. Aber es gab da ja noch die erste Hälfte jenes Jahrhunderts, die trotz scheinbarer Biedermeier-Idylle sich doch nicht so unterwürfig-demütig und so gottergeben präsentierte, wie es ein Staatskanzler Metternich oder die Könige und Fürsten in dem immer noch arg zersplitterten Deutschland von ihren Untertanen eigentlich erhofft und erwartet hatten. Die Karlsbader Beschlüsse von 1819 hatten zu Lähmungserscheinungen beigetragen, was den Tatendrang rebellierender Gemüter betraf (das galt vor allem für die gerade entstandenen Organisationen der Burschenschaften an den Universitäten), aber hin und wieder zog doch der eine oder andere Zeitgenosse mit seinen widerborstigen Unmutsbekundungen über die allgemeine politische und gesellschaftliche Situation die Aufmerksamkeit besorgter "Staatsschutzorgane" auf sich. Zu solchen meist sehr klugen, sehr nachdenklichen, aber auch sehr hell- und weitsichtigen Zeitgenossen gehörte nun neben vielen andrern auch Theodor Althaus, der bislang in der Literaturgeschichte eher im schatten weitaus berühmterer Namen wie Ludwig Börne, Hoffmann von Fallersleben, Ferdinand Freiligrath, Heinrich Heine, Georg Herwegh, Robert Prutz, Georg Weerth und wie sie alle hießen, stand. Es kommt der Autorin das große Verdienst zu, diesen bisher unbekannten Schatz an Zeugnissen aus der Feder des Pfarrerssohnes aus Detmold entdeckt und ihn einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht zu haben. Diese Biographie erweitert und ergänzt das positive Bild, das man sich zuvor schon anhand der Anthologie machen konnte. In sehr detaillierter und sachkundiger Form gibt die Verfasserin hier einen erhellenden Einblick in das leider sehr kurze Leben des Theodor Althaus, der am 26. Oktober 1822 als Sohn des Generalsuperintendenten im Fürstentum Lippe, Georg Friedrich Althaus, im damals beschaulichen Detmold das Licht der Welt erblickte, um dieselbe für ihn inzwischen unwirtlich und feindlich geworden war, 1852 mit noch nicht einmal 30 Jahren nach schwerer Krankheit wieder zu verlassen. Dazwischen lag ein recht turbulentes , wechselvolles Leben mit vielen Höhen und Tiefen und zahlreichen Aufenthaltsorten, die mit dem Studium der Theologie und späterhin beruflichen Tätigkeiten als Zeitungsredakteur und Verfasser von Lexikonartikeln ebenso wie mit Erkundungsreisen durch reizvolle Landschaften des großen Vaterlandes sowohl als "Tourist" wie auch als Reiseschriftsteller und kritischer Beobachter des Zeitgeschehens verbunden waren. Renate Hupfeld legt eindrucksvoll dar, wie politisch ihr Held von Anfang an eingestellt war, dass er durch und durch politisch dachte, sodass auch seine auf den ersten Blick eher belletristisch und schöngeistig erscheinenden literarischen Schöpfungen bei genauerem Hinsehen zumeist einen politischen Akzent besaßen. Es würde zu weit führen, hier die zahlreichen lesens- und berichtenswerten Vorgänge aus dem Leben von Theodor Althaus im Einzelnen zu rekapitulieren, der Rezensent kann nur die Empfehlung aussprechen, durch eigene Lektüre einen hoffentlich nachhaltigen Eindruck von dem Ideenreichtum und der Debattierfreude wie auch v.a. der "Demokratiebegeisterung" von Althaus zu gewinnen. Er gehörte damals noch zu einer Minderheit, jedenfalls nach offizieller Lesart, die Königs- und Fürstenfreunde waren zu seiner Zeit noch eindeutig in der Mehrheit, auch später in der ersten deutschen verfassungsgebenden Nationalversammlung 1848, für die er vergeblich kandidiert hatte, doch er war recht früh republikanisch gesinnt und trat schon als Student aus vollem Herzen für eine Entwicklung in Deutschland hin zu freiheitlicheren Verhältnissen in Staat und Gesellschaft ein. Mit welchem Etikett man diese Vision versehen sollte, ist dabei unerheblich, die Verfasserin macht immer wieder deutlich, dass umfassende Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte für das "Volk" auf der Basis der "Volkssouveränität" im Laufe der Zeit eine beinahe lebenswichtige Option für Althaus waren. So kann man getrost dem Tenor des Klappentextes zustimmen, wonach die "Gedanken und Botschaften" von Theodor Althaus bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hätten, und dass er weit größere Beachtung verdient hätte, als ihm bisher zuteil geworden sei. Die Autorin trägt durch diese informative Biographie ihren Teil zu einer hoffentlich größeren Verbreitung jener "Gedanken und Botschaften" bei. Eine noch fundiertere Beurteilung der politischen Haltung von Althaus wäre dann möglich, wenn man die Hintergründe und die verschiedenen konkurrierenden politischen Strömungen in der damaligen Zeit noch etwas genauer kennenlernen bzw. kennen würde, mit denen sich -Althaus und seine Mitstreiter und Gesinnungsgenossen auseinanderzusetzen hatten, aber das hätte den Rahmen dieser doch sehr dichten Darstellung gesprengt. Darüber kann man sich an anderer Stelle in einschlägigen Überblicksdarstellungen schnell und zuverlässig informieren. Es ist schon interessant genug, die einzelnen Stationen im Leben von Althaus unter der Anleitung seiner Biographin anzusteuern, die hierbei sehr bild- und aufschlussreiche Lotsendienste leistet.  Das Werk ist in fünf Teile chronologisch aufgegliedert und so lernen wir auf dem zwar kurzen, aber sehr intensiv  durchschrittenen Lebensweg von Althaus diesen als Theologiestudenten und Burschenschaftler in Jena, Bonn und Berlin kennen wie auch als Seelen- und Herzensfreund von Malwida von Meysenbug, deren ursprünglich aristokratisch geprägte Ansichten durch ihren Umgang mit Althaus so sehr ins Wanken gerieten, das sie im Laufe der Zeit immer stärker mit der Einführung einer Republik in Deutschland zu sympathisieren begann: "Beide fühlten sich sofort vom andern angezogen und empfanden eine starke Übereinstimmung ihrer Gedanken in vielen Punkten" (S.38) (Das änderte allerdings nichts daran, dass sich Althaus später von ihr trennte). Es kommt daneben zu Begegnungen und zum Gedankenaustausch mit zahlreichen, damals schon bekannteren Zeitgenossen wie Robert Blum, Ferdinand Freiligrath, Julius Fröbel, Arnold Ruge u.a. während seines mehrmonatigen Aufenthaltes in Leipzig, wo er die Anfänge des revolutionären Aufbruchs im Frühjahr 1848 miterlebte, bis er als Berichterstatter der "Bremer Zeitung" über die Verhandlungen der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche das dortige Geschehen durch die Brille eines kritischen Beobachters verfolgte  und kommentierte. Man kann es der Autorin nicht hoch genug anrechnen, wie sachkundig und informativ sie den Konflikt um die Bildung der provisorischen Zentralgewalt in der Paulskirchenversammlung darlegt und die Haltung der Demokraten, die vor allem durch durch Robert Blum repräsentiert wurde, ebenso transparent macht wie die anfangs bezüglich der Strategie u und Taktik der Demokraten noch zweifelnde, dann im Laufe dr Zeit sich immer mehr der Position Blums und seiner Mitstreiter zuneigende Haltung von Althaus (siehe S. 76ff.) Dies gilt ebenso für die Schilderung der Auseinandersetzung um die Frage eines Waffenstillstandes von Seiten Preußens im Konflikt mit Dänemark wegen Schleswig-Holstein. Schließlich übernahm Althaus bei der bis dahin auflagenstarken "Bremer Zeitung" "das Arbeitspensum eines leitenden Redakteurs ... bis an die Grenze seiner Belastbarkeit" (S. 82), was aber nicht nur zum Vorteil der Zeitung gereichte; denn seine kritischen Kommentare zu dem von Preußen eigenmächtig über den Kopf der Nationalversammlung hinweg geschlossenen Waffenstillstand mit Dänemark führten zu einer "Vielzahl von Kündigungen des Abonnements" (S. 83/84) vor allem bei Bremer Kaufleuten, die die Kapital und Gewerbe ganz anders als bei Althaus Vorrang vor "Einheit, Ehre und Freiheit des Vaterlandes" hatten (S.84). So trennte sich schließlich der Verleger von der Zeitung und verkaufte sie an die Gebrüder Jänecke in Hannover im Einvernehmen mit Theodor Althaus, der sie dort unter dem Namen "Zeitung für Norddeutschland" weiter redigierte und deren erste Ausgabe am 1. Tag des Jahres 1849 erschien. Die Verfasserin durchleuchtet im Folgenden das dramatische Intrigenspiel in Hannover, das zur Nichtanerkennung der am 28. März von der Nationalversammlung verabschiedeten Reichsverfassung führte und das der leitende Redakteur Althaus in zahlreichen Artikeln anprangerte, bis er sich schließlich in einem Aufruf von 13. Mai 1849 unter der Überschrift "Der zehnte Mai in Frankfurt" für die Einsetzung eines Landesausschusses für "Verteidigung und Durchführung der deutschen Reichsverfassung in Hannover" stark machte. Sein Intimfeind, der damalige Innenminister Stüve, ordnete bereits am folgenden Tag die Verhaftung von Althaus an, der daraufhin in das Gefängnis vor dem Cleverthor eingewiesen wurde (S. 122). Wegen Aufforderung zum Staatsverrat wurde er mit dreijährigen Staatsgefängnis bestraft, obwohl er doch nur für die Durchsetzung einer von der Nationalversammlung beschlossenen und von 29 einzelstaatliche Regierungen bereits anerkannten Verfassung plädiert hatte, der aber die Königreiche Bayern, Hannover, Preußen und Sachsen die Gültigkeit in ihrem Herrschaftsbereich verweigerten, wozu sie eigentlich nicht befugt waren. Nach der Verlegung ins Staatsgefängnis in Hildesheim und der vorzeitigen Entlassung am 15. Mai 1850 schwächten immer wiederkehrende neue Krankheitsschübe den Zustand von Althaus so wehr, dass er während eines erneuten Kuraufenthalts in Gotha dort am 2. April 1852 mit noch nicht einmal 30 Jahren verstarb. Es ist der Autorin noch einmal dafür zu danken, dass sie diesem sehr scharfsinnigen, sehr sensiblen, sehr kritischen, politisch sehr engagierten und dabei doch Gewalt verabscheuenden Schriftsteller, Publizisten und "Revolutionär" mit dieser Pionierarbeit ein literarisches und historiographisches Denkmal gesetzt hat, von dem alle Nachgeborenen, die an der Erforschung der damaligen, an Anregungen und Perspektiven so überaus reichen Geisteswelt interessiert sind, nur profitieren können. Das Buch ist auch als E-Book zugänglich.
Wolfgang Obermaier (Bad Pyrmont)

Diese Rezension bezieht sich auf die Printausgabe:

Renate Hupfeld, Theodor Althaus 1822 - 1852 - Revolutionär in Deutschland
ISBN 978-3-942594-17-2, text-und-byte.de Hamm im November 2011

Erschienen ist sie im:

Vormärz und Philhellenismus, Jahrbuch Forum Vormärz Forschung 2012, 18. Jahrgang, herausgegeben von Anne-Rose Meyer 2013
ISBN 978-3-89528-946-0, Aisthesis Verlag Bielefeld  (S. 368 - 372)


Freitag, 28. Juni 2013

Robert Blum



Theodor Althaus lernte Robert Blum im Jahre 1847 in Leipzig kennen. Der 15 Jahre ältere Blum hatte sich dort etabliert und nicht nur das. Er war eine bekannte Größe in der Stadt, bekannt für seine wirkungsvollen Aktionen in verschiedenen Vereinen wie dem Literatenverein und dem Schillerverein. In seiner Verlagsbuchhandlung gab es auch Arbeit für den jungen Detmolder, denn es stellte sich schon bald heraus, dass sie dieselben politischen Ziele verfolgten: ein freies einheitliches Deutschland mit demokratischen Strukturen. So schrieb Althaus mehrere Artikel für Blums Staatslexikon für das Volk.
Schlagartig änderten sich die vormärzlichen Aktionen, als gleich zu Beginn des Jahres 1848 mit den Lichtern in Palermo und am 24. Februar den Sturmglocken von Notredame ein nie geahnter deutscher Frühling bis in die letzten Winkel der Länder zog. Gut vorbereitet durch jahrelange  Mitarbeit im Hallgartenkreis und mit einer gehörigen Portion politischem Knowhow, Engagement und Überzeugungskraft war Blum einer der ersten, die einen Plan hatten. Er startete durch vom Deputierten im Frankfurter Vorparlament, zum Mitglied des Fünfzigerausschusses bis zum Abgeordneten der Nationalversammlung. Als einer der ersten hatte er auch begriffen, dass man die Gunst der Stunde ausnutzen und möglichst schnell das große Ziel erreichen musste: eine Verfassung für ganz Deutschland. Das war jedoch viel schwieriger als gedacht. Da gab es eine Vielzahl von Interessen und Vorstellungen verschiedener Gruppierungen und somit endlose konträre Diskussionen, was schließlich dazu führte, dass die monarchischen Machthaber nach und nach ihre Felle wieder an Land zogen. Das Erstarken der Reaktion war wohl der tiefere Grund, warum Blum sich im Oktober 1848 entschied, die Wiener Revolutionäre vor Ort zu unterstützen. Nachdem er monatelang auf der großen politischen Bühne in Frankfurt gekämpft hatte, sah er darin die letzte Chance zur Rettung der deutschen Angelegenheit. Leider endete dieser Versuch, die demokratischen Kräfte zu stärken,  für ihn mit Festnahme, Standgericht und Erschießung am 9. November 1948 in der Brigittenau bei Wien.
Althaus war in Blums Wohnstube dabei, als die politischen Richtlinien für das Frankfurter Parlament diskutiert und festgelegt wurden und er gehörte zu den Getreuen, die zunächst in Leipzig die Stellung hielten, das heißt, mit Reden und Handzetteln das Programm in die Leipziger Vereine und Gruppierungen sowie in die umliegenden Orte zu tragen, bis er von der Bremer Weser-Zeitung und später von der Bremer Zeitung um Mitarbeit in deren Redaktionen gebeten wurde. Als Korrespondent der Bremer Zeitung traf er seinen Leipziger Gefährten und Deputierten Robert Blum in Frankfurt zu politischen und freundschaftlichen Gesprächen. Als leitender Redakteur in Bremen beobachtete er äußerst kritisch die politischen Entwicklungen und geriet seinerseits heftig in die Bredouille. Mit großer Sorge beobachtete er das Schicksal von Robert Blum und war zutiefst schockiert über das brutale Ende dieses fähigen Mannes.

Als ihn selbst schicksalhafte Verstrickungen in Bremen und das intrigante hannoversche Innenministerium ins Gefängnis gebracht hatten, schrieb Althaus seine Erinnerungen auf, in denen er seinem Freund Robert Blum ein ganz persönliches Denkmal setzte. 




Donnerstag, 20. Juni 2013

In Köln auf den Spuren von Robert Blum


In einem kleinen Haus in der Mautgasse am Fischmarkt unterhalb von Groß St. Martin wurde Robert Blum, Freund und einer der wichtigsten politischen Gefährten von Theodor Althaus,  am 10. November 1807 geboren. 


Ein Gedenkstein an der Mauer neben dem Treppenaufgang zur Kirche erinnert an den herausragenden Sohn der Stadt, der in den engen Gassen der Altstadt seine Kindheit und Jugend verbrachte. Während des Vormärz  in Leipzig und im Jahre 1848 in der Frankfurter Paulskirche war er als überzeugender Vorkämpfer für ein einheitliches demokratisches Deutschland wurde in allen Ländern des deutschen Bundes bekannt und erst recht nach der skandalösen Ermordung in Wien.

Geboren an dieser Staette am
10. November 1807. Erschossen
zu Wien am 9. November 1848
Ich sterbe für die deutsche Freiheit
für die ich gekämpft. Möge das
Vaterland meiner eingedenk sein.



Weitere Spuren von Robert Blum befinden sich in einer Glasvitrine zur Revolution 1848 im Kölner Stadtmuseum, das im alten Zeughaus untergebracht ist, und zwar ein schönes Portraitgemälde und Utensilien, wie sie nach Blums Tod in den deutschen Ländern zu seinem Gedenken angeboten wurden.





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Fotos: © Renate Hupfeld


Montag, 13. Mai 2013

18. Mai 1848 Erste Sitzung der Nationalversammlung


Paulskirche heute

Paulskirche 1848

Unerwartet flatterte plötzlich wieder ein Angebot in die elterliche Wohnstube. Wieder kam es aus Bremen, doch diesmal war es die Bremer Zeitung, die nach ihm verlangte. Der leitende Redakteur Karl Theodor Andree machte Althaus den Vorschlag, für die Bremer Zeitung über die Frankfurter Nationalversammlung zu berichten. Da gab es nichts zu überlegen. Auf nach Frankfurt!
Welche Gefühle und Gedanken mussten ihn bewegt haben, als er in der Stadt ankam, in der seit Wochen die politische Musik spielte, gerade rechtzeitig, um am 18. Mai 1848 dabei zu sein, als  400 Abgeordnete der verfassunggebenden Nationalversammlung bei Kirchengeläute und Kanonendonner, umsäumt von schwarz-rot-goldenen Fahnen, Girlanden und Parolen, zwischen dem Jubelspalier von Tausenden vom Kaisersaal zur Paulskirche zogen? Und was mag in ihm vorgegangen sein, als er seine Mitstreiter aus Leipzig, Robert Blum, Georg Günther, Moritz Hartmann und Arnold Ruge in der Menge der Gewählten entdeckte?
 Er war einer der vielen Zuschauer auf der Tribüne des eigens für den Zweck umgestalteten runden Kirchenraumes, mit deutschen Farben geschmückt und dem Bild der Germania hoch oben thronend über Sitzreihen, Podium und Galerie. Trotz wilder Debatten einigte man sich in dieser ersten Versammlung auf den vorübergehenden Alterspräsidenten Lang aus Hannover und auf den Termin für die nächste Sitzung des Parlamentes.
Am 19. Mai 1849 wurde der neunundvierzigjährige Heinrich von Gagern mit überragender Mehrheit zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt. Als ehemaliger Burschenschaftler, Mitglied des Hallgartenkreises und seit der Märzrevolution Ministerpräsident von Hessen-Darmstadt genoss er Respekt und großes Vertrauen durch alle Gruppierungen. Man traute ihm zu, dieses schwierige Amt zu meistern. Weder fehlte es ihm an Fachkompetenz und Glaubwürdigkeit, noch an Selbstbewusstsein und persönlicher Ausstrahlung. Seine Antrittsrede mit dem Versprechen, eine Verfassung für Deutschland auf der Grundlage der Souveränität der Nation zu schaffen, wurde mit heftigem Beifall von Versammlung und Publikum aufgenommen.
Nach der engagierten Arbeit der ersten Tage im Amt wurde Gagern am 31. Mai mit einem Fackelzug vor dem Mumm’schen Haus geehrt. Darüber berichtete Korrespondent Althaus nach Bremen. Es gebe auch kritische Stimmen, doch sei es Gagerns Glaube und Hoffnung, dass man mit ihm schöne Zeiten erleben werde. Er sei ein „Mann des Volks“, las man am 5. Juni 1848 in der „Bremer Zeitung“. 




Mittwoch, 8. Mai 2013

Rezension im Grabbe Jahrbuch


Die Detmolder Residenz hat es nicht leicht. Nicht nur, dass sie die Hauptstadt eines ehemaligen Fürstentums ist, wo eine eigene kulturelle Infrastruktur bis heute blühen darf, es ist gesegnet mit Dichtern, Denkern und Freiheitskämpfern, die alle hier zwischen 1801 und 1822 geboren wurden. Nirgendwo gibt es eine solche Dichte und Verpflichtung zugleich, dieses seltene Erbe zu bewahren und zu pflegen.
Die Grabbe-Gesellschaft hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Erinnerung an de großen Dramatiker Christian Dietrich Grabbe, die gleichzeitige Plazierung Ferdinand Freiligraths und die kritische Beachtung Georg Weerths fast unmöglich sei. So kann es vorkommen, dass man vor lauter Themen und Arbeitsfeldern vergisst, dass da noch ein vierter Detmolder Protagonist unentdeckt schlummert: Theodor Althaus (1822 - 1852).
Es ist das Verdienst von Renate Hupfeld aus dem westfälischen Hamm, diesem außergewöhnlichen Mann nach einer 2010 erschienenen Anthologie mit Werken von Theodor Althaus, nun eine einfühlsame biographische Studie zu widmen, die im Eigenverlag "text-und-byte" im Jahr 2011 erschienen ist. So werden die Zugänge eröffnet, Wege gewiesen, Forschung ermöglicht für neue Leserkreise, die, im Einklang mit den Aufgaben der Gesellschaft, in diesem Falle aber wie ein glücklicher Umstand von außen herangetragen werden. 
In einer gelungenen Mischung aus Roman und Information ist Frau Hupfeld, auch dank guter Recherche von 25 Quellen, ein Spagat zwischen Publizität und Wissen gelungen, der Themen, Orte und Personen erfahrbar macht. Die berührende Lebensgeschichte des Detmolder Freiheitskämpfers, der 1848 in der Revolution und in der erwachenden Demokratie mitwirkte, kann gar nicht genug in ergreifenden Zusammenhängen dargestellt werden, zeigt sie doch, dass Bildung, Elternhaus und Umfeld entscheidend sind für ein verantwortungsvolles Leben in einer heute selbstverständlichen demokratischen Gesellschaft.
Renate Hupfeld schreibt mit Einfühlungsvermögen, sie erinnert so an die vielen Biographien, die im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem gleichen Impuls heraus recherchiert und verfasst worden sind, aus Interesse und Verantwortung für die Öffentlichkeit. Fußnoten, wie sie eine wissenschaftliche Arbeit auszeichnen, sucht der Leser vergeblich, ein Quellenverzeichnis ist dabei, so dass ersichtlich wird, wie fein und geradlinig das Material für diesen ca. 150 Seiten langen Roman zusammengetragen wurde.
Neben dem Dank für die geleistete Wiederentdeckung und der äußerst preiswerten und obendrein digitalen Verfügbarkeit des Inhalts kann aus dieser Arbeit Neues hervorgehen, was sich speziell mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen der 48er-Revolution beschäftigt. Es bleibt zu wünschen, dass nach der ersten Darstellung des Lebens von Theodor Althaus durch Friedrich Althaus aus dem Jahre 1888 nun viele Detmolder von "Mährchen aus der Gegenwart" (Leipzig 1848) profitieren.
(Hans Hermann Jansen)

Diese Rezension bezieht sich auf die Printausgabe:

Renate Hupfeld, Theodor Althaus 1822 - 1852 - Revolutionär in Deutschland
ISBN 978-3-942594-17-2, text-und-byte.de Hamm im November 2011

Erschienen ist sie im:

Grabbe-Jahrbuch 2011/12, 30./31. Jahrgang
Im Auftrag der Grabbe-Gesellschaft herausgegeben von Lothar Ehrlich 
und Detlev Kopp
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2012
(Seite 301 - 302)

Mittwoch, 10. April 2013

1843 Erste Predigt in Detmold

Kanzel in der Stadtkirche am Markt in Detmold

An einem Apriltag des Jahres 1843 hielt der älteste Sohn des Generalsuperintendenten seine Examenspredigt auf der Kanzel der Hauptkirche in Detmold, ein paar Schritte entfernt vom Pfarrhaus unter der Wehme, in dem er bis zur Entscheidung der Coburger Bewerbung seine Studierstube im Elternhaus bewohnte.
Auch eine junge Frau war gerade aus einer anderen Stadt in die lippische Residenzstadt zurückgekommen. Auch sie wusste noch nicht, wie es mit ihrem Leben weitergehen würde. Malwida von Meysenbug saß beim ersten öffentlichen Auftritt  von Theodor Althaus in der Kirchenbank, als er vor der Detmolder Gemeinde predigte. Auf der Kanzel stand ein großer junger Mann in schwarzem Talar mit bleichem Gesicht, edlen Zügen und dichten schulterlangen Haaren. Sie erinnerte sich:
 „Als er zu sprechen begann, wurde ich sympathisch berührt durch den Klang seiner tiefen, sonoren und doch angenehmen Stimme. Bald aber vergaß  ich alles andere über den Inhalt seiner Predigt. Das war nicht mehr die sentimentale Moral, noch die steife kalte Unbestimmtheit der protestantischen Orthodoxie, wie beim Vater. das war ein jugendlicher Bergstrom, der daherbrauste voller Poesie und neuer belebender Gedanken. Das war die reine Flamme einer ganz idealen Seele, gepaart mit der Stärke einer mächtigen Intelligenz, die der schärfsten Kritik fähig war. Das war ein junger Herder, welcher, indem er, das Evangelium predigte, die höchsten philosophischen Ideen zur Geschichte der Menschheit entwickelte. Ich war auf das tiefste und glücklichste bewegt.“
Einige Tage später hielt der Kandidat der Theologie einen Vortrag in der Detmolder Ressource, dem wichtigsten gesellschaftlichen Treffpunkt der Stadt, deren Räume sich im Rathaus auf dem Marktplatz neben der Hauptkirche befanden. Malwidas Mutter hörte ihn dort und war zutiefst beeindruckt. Nachdem der Generalsuperintendent Frau von Meysenbug nach der Veranstaltung seinen ältesten Sohn persönlich vorgestellt und sie einige Worte mit ihm geredet hatte, war so angetan, dass sie ihn später im Familienkreise als „Ideal eines jungen Mannes“ bezeichnete.
Von der unglaublichen Wirkung, die der Kandidat Althaus bei Mutter und Tochter erzielt hatte, erfuhr der selbst zunächst nichts. Er wartete auf die Entscheidung in Coburg und war bereit, dort seine Arbeit zu tun. Doch die Sache zog sich hin. Nach einigen Monaten war noch immer kein Bescheid da. Großvater Dräseke, der sich gerade vom Magdeburger Bischofsamt in den Ruhestand nach Potsdam zurückgezogen hatte, erklärte sich die Verzögerung mit finanziellen Schwierigkeiten der Kirchenbehörde im Zusammenhang mit der Besoldung des Diakons. Mangelnde Fachkompetenz des Bewerbers konnte es nach Dräsekes Einschätzung wohl nicht sein, denn Theodors Examenspredigt, die dieser ihm geschickt hatte,  fand seine ungeteilte Zustimmung und erntete überschwängliches Lob. Sowohl die Auswahl und Aktualität des Inhaltes, Aufbau und Klarheit der Gedankenführung mit logischem Schluss, eine verständliche und anregende Ansprache seien nicht nur angemessen, sondern hervorragend. Der Großvater war sehr stolz auf seinen wunderbaren Enkel. Auch er machte sich Gedanken über Theodors Zukunft und schlug vor, er solle nicht mehr länger warten, sondern den Winter in Berlin verbringen und an der dortigen Universität sein Studium fortsetzen. 




Montag, 25. März 2013

1848: Die Berliner Revolution






Artikel von Theodor Althaus in der „Weser-Zeitung“  am 22. März 1848:

D i e  B e r l i n e r  R e v o l u t i o n

* Also auch die deutsche Freiheit hat ihre  B l u t t a u f e  haben sollen, - auch die Pflastersteine jener polizeigewohnten, soldatenerfüllten Hauptstadt haben sich erhoben zu einem furchtbaren Proteste gegen den alten Willkürstaat, und die Wiedergeburt der Monarchie Friedrichs des Großen war nur möglich unter den Wehen einer zweiten Bartholomäusnacht. Preußens neuer Morgen ist unter Blut und Thränen in den sturmumwölkten Himmel getreten, und erschüttert von so tragischen Ereignissen, von einem auf deutschem Boden so ungewohnten Bürgerkriege, gebricht es uns an der Stimmung laut zu triumphiren über einen Sieg, der in seinen Folgen – das hoffen wir fest – der guten Sache Deutschlands zum Heil gereichen wird, der aber in dem ersten Augenblicke mehr seine furchtbare, als seine glorreiche Seite uns zuzuwenden scheint.
B e r l i n  und  R e v o l u t i o n! Welche widerstreitende Ideenverbindungen knüpfen sich an diese Worte! Diese vom märkischen Stande umstäubte, kasernenartige Stadt der politischen Gleichgültigkeit, der unfruchtbaren Nation, der geradlinigen Polizeimäßigkeit, auf welche die Provinzen mit einer gewissen mannhaften Verachtung herabzusehen gewohnt waren, diese Metropole der selbstgefälligsten und zuversichtlichsten Beamtenherrschaft wird urplötzlich in einen Zustand versetzt, der an Wildheit und Leidenschaftlichkeit selbst die letzten Ereignisse von Paris und Palermo hinter sich zurücklässt! Bestürzt und betäubt von so unerwartetem Wandel, schaudernd über jene schreckliche Sonntagnacht, in welcher über die monderleuchtete Hauptstadt das Geheul der Sturmglocken und der Donner der Kanonen hinrollte, wird ganz Deutschland fragen: wie konnte das geschehen? wie war das möglich, nachdem der König in einer wahrhaft tiefen und um…..den Weise die Erfüllung aller deutschen Wünsche zu seinem Wahlspruche gemacht hatte? Wahrlich, daß ein solches Volk, welches buchstäblich zum Märtyrer seiner Unterthanentreue geworden ist und selbst die Verhöhnung der andern ertragen hat, um seiner Geduld und Loyalität willen, zu so blutiger Rachewut aufflammen konnte, daß es mit der Energie der Verzweiflung in den breiten geraden Gassen sich kühn den Bayonetten, Kartäschen und Rossen einer wohlgeübten und kampfbereiten Armee von 20.000 Mann, entgegen warf, das muß eine Ursache und Wurzel haben, tiefer als die augenblickliche Entrüstung über eine noch so ruchlose militärische Gewaltthat, - haben doch selbst die Kölner und die Leipziger Aergeres geduldig über sich ergehen lassen; - es kann nur erklärt werden durch jenes von der alten Regierung durch unzählige Hinhaltungen, Vertröstungen und Ausflüchte im Volke gemährte  M i ß t r a u e n   g e g e n  d e n  T h r o n, welches nur eines Anstoßes bedurfte, um jenen Schrei in deutscher Zunge zu wiederholen, welcher vor dem Hotel des französischen Ministers die weltgeschichtliche Bedeutung gewann; „O n  n o u s  [t r a h i t?]!“
                               „Das sind des Himmels furchtbare Gerichte!“
Die giftige Saat, die Untergrabung alles Vertrauens, das schwankende Spielen zwischen der persönlichen Willkür und den gerechtesten Forderungen des Volkes, die Demoralisation der höchsten Staatsgewalten, welche sich durch den Schein und die Heuchelei eine erträumte Macht zusichern wähnten, ist nun so blutig aufgegangen. Deutschland wird den achtzehnten März dieses Jahres nie vergessen; der eine Tag hat in unserem Vaterlande von aller Macht und Größe mehr vernichtet als Jahrzehnde vermocht hätten, und mit ihm ist, wie mit einer zweiten Schlacht von Jena, eine europäische Großmacht zusammengebrochen. Ein Zufall, ein unheilvolles Mißverständniß reichte hin sie zu stürzen und jenen Gewaltbesitz zu zertrümmern, von dem es vor kaum einem Jahre im „Weißen Saale“ so stolz hieß: „Keine Macht der Erde soll ihn schmälern!“
Das Erbe der Gestürzten Größe anzutreten und zu neuer festerer und edlerer Lebensfülle zu erweitern, das ist jetzt Sache des preußischen und des ganzen deutschen Volks. Es hat sich sein unveräußerliches Hoheitsrecht zum zweiten Male mit seinem Blute erkämpft; daß es für dasselbe zu siegen wußte, davon zeugen die Schlachtfelder von Leipzig bis Paris, - mög’ es nun den Sieg auch zu nutzen verstehen. Die Berliner Revolution hat gesiegt unter dem Schatten der schwarz-roth-goldenen Fahne; hat sie auch  f ü r  diese Fahne gesiegt, hat sie jenes eigensüchtige, ausschließliche Preußenthum überwunden, um ihre  Errungenschaften auf dem Altare des ganzen Deutschlands niederzulegen, dann mögen wir getrost auf den Grabstein ihrer Opfer niederschreiben: „Sie sind nicht umsonst gestorben“.

Informationen zu: Renate Hupfeld, Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland





Sonntag, 17. März 2013

18. März 1848 - Berlin auf den Barrikaden


Am 20. März 1848 erreichte er gegen Mittag Berlin. Es war ein seltsames Szenario in der Stadt. Männer, Frauen und Kinder liefen zwischen Barrikaden und herausgerissenen Pflastersteinen. Die meisten feierten einen Sieg. Doch andere suchten verzweifelt nach vermissten Angehörigen.
Theodor ging von Kirche zu Kirche, schaute in die jungen Gesichter der dort aufgebahrten Toten, die schrecklichen Wunden, die stille Siegesgewissheit in den bleichen Zügen. Auf der Straße sprach er die Menschen an, hörte ihre Berichte über die Ereignisse der Nacht von Samstag auf Sonntag und setzte das Puzzle zusammen über die friedliche Versammlung vor dem Schloss, die Proklamation des Königs, laute Rufe aus der Menge, die Forderung nach Abzug der Soldaten, zunehmende Unruhe, plötzlich ein Schuss von irgendwoher, noch ein Schuss und dann der fürchterliche Sturm. Unaufhaltsam tobte der in Straßen und auf Plätzen. Alle machten mit beim Bau der Barrikaden, vom einfachen Tagelöhner und Handwerker bis zum Beamten, Studenten, Arzt und Advokaten. Frauen, Kinder und Greise waren dabei. Mit allen Mitteln kämpften sie, beschafften Material für den Barrikadenbau, besorgten Waffen, gossen Kugeln, steckten deutsche Fahnen auf, Frauen versorgten die Kämpfenden mit Speisen und Getränken, Unaufhörlich tönten die Sturmglocken in der Stadt. Die ganze Nacht. Bis zum nächsten Morgen. Bis kein Soldat einziger mehr zu sehen war.
In einer Kirche fand er ein stilles Plätzchen, wo er ungestört verweilen konnte. Nachdem er sich ein wenig gefangen hatte, zog er Papier und Feder aus der Tasche und schrieb einen Artikel für die  „Weser-Zeitung“. Das war er den Toten schuldig. Ihr mutiger Kampf durfte nicht umsonst gewesen sein.
Es war schon dunkel, als er am Abend vor dem Haus des Großvaters in Potsdam stand. Obwohl das Fenster des Balkonzimmers hell erleuchtet war, musste er lange auf Einlass warten. Später erfuhr er den Grund. Dräseke war vor Übergriffen von Aufständischen gewarnt worden und die im Hause Anwesenden, des Großvaters jüngere Tochter, Enkelin Elisabeth aus Detmold und ein Diener, fürchteten den dunklen Mann an der Tür und waren heilfroh, als es dann der älteste Enkel war. Der berichtete von den Spuren der Berliner Horrornacht, bevor er sich völlig erschöpft zurückzog. Elisabeth machte sich Sorgen und folgte dem Bruder in sein Zimmer. Der hatte sich schon ins Bett gelegt: Sie erinnerte sich: „Ich setzte mich zu ihm und sah nun erst, wie verändert, wie von Erregung und Schmerz durchwühlt, seine Züge waren.“
Am nächsten Tag war Theodor dabei, als König Friedrich Wilhelm IV. mit schwarz-rot-goldener Armbinde durch die Straßen von Berlin ritt und vor Studenten der Berliner Universität eine Rede hielt, wobei er sich zu der Formulierung hinreißen ließ: „Preußen geht fortan in Deutschland auf.“
Und er nahm am 22. März auf dem Gendarmenmarkt an der Trauerfeier für die 183 Toten teil, folgte dem unbeschreiblich langen Leichenzug mit den bekränzten Särgen, zunächst bis zum Schloss, wo sich der preußische König Friedrich Wilhelm IV. auf Verlangen des Volkes mit gezogenem Hut vor den toten Revolutionären verbeugen musste, dann vor die Tore der Stadt zur Beisetzung auf dem eigens eingerichteten „Friedhof der Märzgefallenen“ auf einem Hügel in Friedrichhain.
„Der Leichenzug. Die seidenen, schwarzrothgoldenen Trauerfahnen […] nach den Thränen stumpfte sich alles ab. Zu lang. Die anarchische Schwüle über Berlin“, notierte er im Tagebuch.
Er sei ein Mann geworden, meinte Großvater Dräseke und da hatte er recht. Die harte Konfrontation mit den menschlichen Tragödien, die rohe Gewalt gegen die eigenen Brüder, Söhne eines Volkes, hatte ihn in tiefster Seele getroffen.
Der Weg würde ein harter und steiniger werden. Die „faulen Früchte der Geschichte“ waren mächtiger, als er es sich in seinen idealistischen Vorstellungen ausgemalt hatte. So einfach fielen die nicht in sich zusammen. Wie sonst wäre es möglich, dass Soldaten als Spielzeug eines konzeptlosen Monarchen mit vorgeblicher Gottes-Gnaden-Legitimation ein so schreckliches Blutbad anrichteten?
Althaus Artikel  erschien unter der Überschrift  „D i e  B e r l i n e r  R e v o l u t i o n“  am 22. März 1848 auf der Titelseite der „Weser-Zeitung“. Er hatte den historischen Stellenwert des Geschehens als „Bluttaufe der deutschen Freiheit“ erkannt und eine überaus sensible Würdigung des leidenschaftlich entschlossenen Kampfes gegen die starre Willkürherrschaft des schwachen preußischen Königs verfasst: „Die giftige Saat, die Untergrabung alles Vertrauens, das schwankende Spielen zwischen der persönlichen Willkür und den gerechtesten Forderungen des Volkes, die Demoralisation der höchsten Staatsgewalten, welche sich durch den Schein und die Heuchelei eine erträumte Macht zu sichern wähnten, ist nun so blutig aufgegangen. Deutschland wird den achtzehnten März dieses Jahres nie vergessen.“

Auszug aus: Renate Hupfeld, Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland

Und hier ist der Leitartikel in der Bremer Weser-Zeitung vom 22. März 1848: Die Berliner Revolution




Informationen und Rezensionen

Das Cover oben auf dem Bild gehört zu:

Christoph Hamann und Volker Schröder, Demokratische Tradition und revolutionärer Geist
Centaurus Verlag & Media KG, Freiburg 2010


Montag, 4. März 2013

1848 Sturmglocken von Notre-Dame



Der germanische Winterschlaf war die berühmte Ruhe vor dem großen Sturm. Als Theodor Althaus am 27. Januar 1848 im Leipziger Theater einer Vorstellung von „Iphigenie in Aulis“ beiwohnte, war es ihm unmöglich, seine Aufmerksamkeit auf Gluck’s Oper zu lenken, denn unmittelbar zuvor hatte er die Nachricht vom Aufstand der Bevölkerung in Palermo gegen den bourbonischen König Ferdinand II. am 12. Januar 1848 erhalten. Das war die größte Freude, die er seit langem erlebt hatte. Die „Lichter von Palermo“,  nachts um drei angezündet, sah er während der gesamten Vorstellung vor sich. „Ich hoffe, du hast unseren ersten Sieg in diesem Jahr gehörig genossen und den 12. Januar roth angestrichen“, schrieb er seiner Schwester nach Detmold.
Ein paar Tage später stand er im gedrängt vollen Konversationssaal des Museums, eine gerade eingetroffene Zeitung in den Händen, die  „Indépendance Belge“,  aus der er fast atemlos einen Artikel über Sturmglocken von Notredame, dem Sturz von König Louis Philippe am 24. Februar 1848, vorlas. Das war weit mehr als Sizilien, das konnte umwerfende Auswirkungen auf die Länder des Deutschen Bundes haben. Wie sah die neue Regierung in Frankreich aus? Gab es eine Republik? Ungeduldig fiebernd wartete man auf weitere Nachrichten, auf Journale oder Reisende mit  dem Zug aus Brüssel oder aus Köln.
Am 5. März 1848 konnte er endlich die befreienden Informationen in seinem Tagebuch notieren. Einen Tag nach dem Sturz des Monarchen war in Paris die Republik ausgerufen und eine provisorische Regierung gebildet worden:
 „Ich habe Angst gehabt, wie eine Mutter um ihr Kind, bis endlich, allendlich das Ja und Amen kam - keine Regentschaft, sondern Republik, keine Freude, sondern Enthusiasmus, kein neues Ministerium - eine neue Welt! Ich habe kaum Zeit zu denken […]  Ich kann mich nicht satt lesen an den Verordnungen der provisorischen Regierung. Als ich zum erstenmal die Ueberschrift las, hab ich geweint vor Freude:

Republique Francaise,
Liberté, Egalité, Fraternité“

Leseprobe aus: Renate Hupfeld, Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland



Informationen und Rezensionen

Foto: © Renate Hupfeld