Artikel von Theodor Althaus
in der „Weser-Zeitung“ am 22. März 1848:
D i e
B e r l i n e r
R e v o l u t i o n
* Also
auch die deutsche Freiheit hat ihre
B l u t t a u f e haben sollen, - auch die Pflastersteine jener
polizeigewohnten, soldatenerfüllten Hauptstadt haben sich erhoben zu einem
furchtbaren Proteste gegen den alten Willkürstaat, und die Wiedergeburt der
Monarchie Friedrichs des Großen war nur möglich unter den Wehen einer zweiten
Bartholomäusnacht. Preußens neuer Morgen ist unter Blut und Thränen in den
sturmumwölkten Himmel getreten, und erschüttert von so tragischen Ereignissen,
von einem auf deutschem Boden so ungewohnten Bürgerkriege, gebricht es uns an
der Stimmung laut zu triumphiren über einen Sieg, der in seinen Folgen – das
hoffen wir fest – der guten Sache Deutschlands zum Heil gereichen wird, der
aber in dem ersten Augenblicke mehr seine furchtbare, als seine glorreiche
Seite uns zuzuwenden scheint.
B e r l i n und
R e v o l u t i o n! Welche
widerstreitende Ideenverbindungen knüpfen sich an diese Worte! Diese vom
märkischen Stande umstäubte, kasernenartige Stadt der politischen Gleichgültigkeit,
der unfruchtbaren Nation, der geradlinigen Polizeimäßigkeit, auf welche die
Provinzen mit einer gewissen mannhaften Verachtung herabzusehen gewohnt waren,
diese Metropole der selbstgefälligsten und zuversichtlichsten Beamtenherrschaft
wird urplötzlich in einen Zustand versetzt, der an Wildheit und
Leidenschaftlichkeit selbst die letzten Ereignisse von Paris und Palermo hinter
sich zurücklässt! Bestürzt und betäubt von so unerwartetem Wandel, schaudernd
über jene schreckliche Sonntagnacht, in welcher über die monderleuchtete
Hauptstadt das Geheul der Sturmglocken und der Donner der Kanonen hinrollte,
wird ganz Deutschland fragen: wie konnte das geschehen? wie war das möglich,
nachdem der König in einer wahrhaft tiefen und um…..den Weise die Erfüllung
aller deutschen Wünsche zu seinem Wahlspruche gemacht hatte? Wahrlich, daß ein
solches Volk, welches buchstäblich zum Märtyrer seiner Unterthanentreue
geworden ist und selbst die Verhöhnung der andern ertragen hat, um seiner
Geduld und Loyalität willen, zu so blutiger Rachewut aufflammen konnte, daß es
mit der Energie der Verzweiflung in den breiten geraden Gassen sich kühn den
Bayonetten, Kartäschen und Rossen einer wohlgeübten und kampfbereiten Armee von
20.000 Mann, entgegen warf, das muß eine Ursache und Wurzel haben, tiefer als
die augenblickliche Entrüstung über eine noch so ruchlose militärische
Gewaltthat, - haben doch selbst die Kölner und die Leipziger Aergeres geduldig
über sich ergehen lassen; - es kann nur erklärt werden durch jenes von der
alten Regierung durch unzählige Hinhaltungen, Vertröstungen und Ausflüchte im
Volke gemährte
M i ß t r a u e n g e g e n d e n T h r o n, welches nur
eines Anstoßes bedurfte, um jenen Schrei in deutscher Zunge zu wiederholen,
welcher vor dem Hotel des französischen Ministers die weltgeschichtliche
Bedeutung gewann; „O n
n o u s
[t r a h i t?]!“
„Das sind des
Himmels furchtbare Gerichte!“
Die
giftige Saat, die Untergrabung alles Vertrauens, das schwankende Spielen
zwischen der persönlichen Willkür und den gerechtesten Forderungen des Volkes,
die Demoralisation der höchsten Staatsgewalten, welche sich durch den Schein
und die Heuchelei eine erträumte Macht zusichern wähnten, ist nun so blutig
aufgegangen. Deutschland wird den achtzehnten März dieses Jahres nie vergessen;
der eine Tag hat in unserem Vaterlande von aller Macht und Größe mehr
vernichtet als Jahrzehnde vermocht hätten, und mit ihm ist, wie mit einer
zweiten Schlacht von Jena, eine europäische Großmacht zusammengebrochen. Ein
Zufall, ein unheilvolles Mißverständniß reichte hin sie zu stürzen und jenen
Gewaltbesitz zu zertrümmern, von dem es vor kaum einem Jahre im „Weißen Saale“
so stolz hieß: „Keine Macht der Erde soll ihn schmälern!“
Das
Erbe der Gestürzten Größe anzutreten und zu neuer festerer und edlerer
Lebensfülle zu erweitern, das ist jetzt Sache des preußischen und des ganzen
deutschen Volks. Es hat sich sein unveräußerliches Hoheitsrecht zum zweiten
Male mit seinem Blute erkämpft; daß es für dasselbe zu siegen wußte, davon
zeugen die Schlachtfelder von Leipzig bis Paris, - mög’ es nun den Sieg auch zu
nutzen verstehen. Die Berliner Revolution hat gesiegt unter dem Schatten der
schwarz-roth-goldenen Fahne; hat sie auch
f ü r diese Fahne
gesiegt, hat sie jenes eigensüchtige, ausschließliche Preußenthum überwunden,
um ihre Errungenschaften auf dem Altare des
ganzen Deutschlands niederzulegen, dann mögen wir getrost auf den Grabstein ihrer
Opfer niederschreiben: „Sie sind nicht umsonst gestorben“.
Informationen zu: Renate Hupfeld, Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland