Montag, 13. Mai 2013

18. Mai 1848 Erste Sitzung der Nationalversammlung


Paulskirche heute

Paulskirche 1848

Unerwartet flatterte plötzlich wieder ein Angebot in die elterliche Wohnstube. Wieder kam es aus Bremen, doch diesmal war es die Bremer Zeitung, die nach ihm verlangte. Der leitende Redakteur Karl Theodor Andree machte Althaus den Vorschlag, für die Bremer Zeitung über die Frankfurter Nationalversammlung zu berichten. Da gab es nichts zu überlegen. Auf nach Frankfurt!
Welche Gefühle und Gedanken mussten ihn bewegt haben, als er in der Stadt ankam, in der seit Wochen die politische Musik spielte, gerade rechtzeitig, um am 18. Mai 1848 dabei zu sein, als  400 Abgeordnete der verfassunggebenden Nationalversammlung bei Kirchengeläute und Kanonendonner, umsäumt von schwarz-rot-goldenen Fahnen, Girlanden und Parolen, zwischen dem Jubelspalier von Tausenden vom Kaisersaal zur Paulskirche zogen? Und was mag in ihm vorgegangen sein, als er seine Mitstreiter aus Leipzig, Robert Blum, Georg Günther, Moritz Hartmann und Arnold Ruge in der Menge der Gewählten entdeckte?
 Er war einer der vielen Zuschauer auf der Tribüne des eigens für den Zweck umgestalteten runden Kirchenraumes, mit deutschen Farben geschmückt und dem Bild der Germania hoch oben thronend über Sitzreihen, Podium und Galerie. Trotz wilder Debatten einigte man sich in dieser ersten Versammlung auf den vorübergehenden Alterspräsidenten Lang aus Hannover und auf den Termin für die nächste Sitzung des Parlamentes.
Am 19. Mai 1849 wurde der neunundvierzigjährige Heinrich von Gagern mit überragender Mehrheit zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt. Als ehemaliger Burschenschaftler, Mitglied des Hallgartenkreises und seit der Märzrevolution Ministerpräsident von Hessen-Darmstadt genoss er Respekt und großes Vertrauen durch alle Gruppierungen. Man traute ihm zu, dieses schwierige Amt zu meistern. Weder fehlte es ihm an Fachkompetenz und Glaubwürdigkeit, noch an Selbstbewusstsein und persönlicher Ausstrahlung. Seine Antrittsrede mit dem Versprechen, eine Verfassung für Deutschland auf der Grundlage der Souveränität der Nation zu schaffen, wurde mit heftigem Beifall von Versammlung und Publikum aufgenommen.
Nach der engagierten Arbeit der ersten Tage im Amt wurde Gagern am 31. Mai mit einem Fackelzug vor dem Mumm’schen Haus geehrt. Darüber berichtete Korrespondent Althaus nach Bremen. Es gebe auch kritische Stimmen, doch sei es Gagerns Glaube und Hoffnung, dass man mit ihm schöne Zeiten erleben werde. Er sei ein „Mann des Volks“, las man am 5. Juni 1848 in der „Bremer Zeitung“. 




Mittwoch, 8. Mai 2013

Rezension im Grabbe Jahrbuch


Die Detmolder Residenz hat es nicht leicht. Nicht nur, dass sie die Hauptstadt eines ehemaligen Fürstentums ist, wo eine eigene kulturelle Infrastruktur bis heute blühen darf, es ist gesegnet mit Dichtern, Denkern und Freiheitskämpfern, die alle hier zwischen 1801 und 1822 geboren wurden. Nirgendwo gibt es eine solche Dichte und Verpflichtung zugleich, dieses seltene Erbe zu bewahren und zu pflegen.
Die Grabbe-Gesellschaft hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Erinnerung an de großen Dramatiker Christian Dietrich Grabbe, die gleichzeitige Plazierung Ferdinand Freiligraths und die kritische Beachtung Georg Weerths fast unmöglich sei. So kann es vorkommen, dass man vor lauter Themen und Arbeitsfeldern vergisst, dass da noch ein vierter Detmolder Protagonist unentdeckt schlummert: Theodor Althaus (1822 - 1852).
Es ist das Verdienst von Renate Hupfeld aus dem westfälischen Hamm, diesem außergewöhnlichen Mann nach einer 2010 erschienenen Anthologie mit Werken von Theodor Althaus, nun eine einfühlsame biographische Studie zu widmen, die im Eigenverlag "text-und-byte" im Jahr 2011 erschienen ist. So werden die Zugänge eröffnet, Wege gewiesen, Forschung ermöglicht für neue Leserkreise, die, im Einklang mit den Aufgaben der Gesellschaft, in diesem Falle aber wie ein glücklicher Umstand von außen herangetragen werden. 
In einer gelungenen Mischung aus Roman und Information ist Frau Hupfeld, auch dank guter Recherche von 25 Quellen, ein Spagat zwischen Publizität und Wissen gelungen, der Themen, Orte und Personen erfahrbar macht. Die berührende Lebensgeschichte des Detmolder Freiheitskämpfers, der 1848 in der Revolution und in der erwachenden Demokratie mitwirkte, kann gar nicht genug in ergreifenden Zusammenhängen dargestellt werden, zeigt sie doch, dass Bildung, Elternhaus und Umfeld entscheidend sind für ein verantwortungsvolles Leben in einer heute selbstverständlichen demokratischen Gesellschaft.
Renate Hupfeld schreibt mit Einfühlungsvermögen, sie erinnert so an die vielen Biographien, die im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem gleichen Impuls heraus recherchiert und verfasst worden sind, aus Interesse und Verantwortung für die Öffentlichkeit. Fußnoten, wie sie eine wissenschaftliche Arbeit auszeichnen, sucht der Leser vergeblich, ein Quellenverzeichnis ist dabei, so dass ersichtlich wird, wie fein und geradlinig das Material für diesen ca. 150 Seiten langen Roman zusammengetragen wurde.
Neben dem Dank für die geleistete Wiederentdeckung und der äußerst preiswerten und obendrein digitalen Verfügbarkeit des Inhalts kann aus dieser Arbeit Neues hervorgehen, was sich speziell mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen der 48er-Revolution beschäftigt. Es bleibt zu wünschen, dass nach der ersten Darstellung des Lebens von Theodor Althaus durch Friedrich Althaus aus dem Jahre 1888 nun viele Detmolder von "Mährchen aus der Gegenwart" (Leipzig 1848) profitieren.
(Hans Hermann Jansen)

Diese Rezension bezieht sich auf die Printausgabe:

Renate Hupfeld, Theodor Althaus 1822 - 1852 - Revolutionär in Deutschland
ISBN 978-3-942594-17-2, text-und-byte.de Hamm im November 2011

Erschienen ist sie im:

Grabbe-Jahrbuch 2011/12, 30./31. Jahrgang
Im Auftrag der Grabbe-Gesellschaft herausgegeben von Lothar Ehrlich 
und Detlev Kopp
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2012
(Seite 301 - 302)