Donnerstag, 25. Juli 2013

Zeitreisender aus dem Jahre 1848




Was hat die Lebensgeschichte von Theodor Althaus mit dem Reichstagsgebäude in Berlin zu tun? Besser gefragt: Wie wäre es, wenn er heute vor dem Gebäude stehen könnte, in dem das Parlament für ganz Deutschland seine Sitzungen abhält? Nun, er würde sich freuen, weil die Ziele, für die er gekämpft und gelitten hat, erreicht sind. Deutschland ist ein einheitliches, demokratisches Land, in dem die Grundrechte gesetzlich verankert sind und wo die schwarz-rot-goldene Fahne über dem Parlamentsgebäude wehen darf. Ein gesamtdeutsches Parlament. Welch ein Traum. Schon früh hatte er geahnt, dass er ihn nicht mehr erleben würde. Wenn der Zeitreisende dann durch den Tiergarten ein paar Schritte zum Brandenburger Tor ginge und entdeckte, dass der Bereich vor dem Tor Platz des 18. März heißt, würde er sich noch einmal freuen und sich an den Tag vor 165 Jahren erinnern, als hier Barrikaden standen, einige Menschen einen Sieg feierten, andere Vermisste suchten und  er wiederum ein paar Schritte weiter in den Kirchen in die Gesichter der jungen Toten blicken musste. Was würde er zur Touristenmeile Unter den Linden sagen? Vor Madame Tussauds Kabinett würde er stehen bleiben, Marilyn bewundern. Ja, sie würde ihm gefallen. Und ein paar Meter weiter stadtauswärts zöge es ihn in die Friedrichstraße, wo im Innenraum der eleganten Galerie die kommerzielle Pracht ihm fast den Atem nähme. In der unendlichen Tiefe des der runden Glitzerwelt bleibt sein Blick eine Weile gefangen und spätestens wenn er draußen jemanden entdeckte, und das würde er mich Sicherheit, der mit schnellen Griffen seine kleinen Schätze aus dem Abfall fischt und der noch nicht weiß, wo er am Abend seinen Kopf hinlegen wird, würde er vollends hinter die Fassade blicken. 

Ist es das, wofür er gekämpft hat? Es ist zwar viel erreicht, doch nicht alles. Wir müssen weiter darum kämpfen, dass nicht wenige viel haben und die vielen Not leiden, dass alle Menschen Brot und Obdach haben. 




Fotos: © Renate Hupfeld 2013



Donnerstag, 18. Juli 2013

Zweite Auflage


In der zweiten Auflage gibt es nicht nur ein neues Cover, gestaltet von Tom Jay, sondern auch die Texte von drei Zeitungsartikeln (Leitartikel von Theodor Althaus) aus den Jahren 1848 und 1849, ein Kapitel deutsche Geschichte auf den Punkt gebracht von den Karlsbader Beschlüssen 1819 und Hambacher Fest 1832 bis zum deutschen Frühling 1848 und dem Scheitern der Revolution im Jahre 1849. Und vor allem enthält die neue Auflage zahlreiche Fotos von den Schauplätzen des Lebens dieses jungen Stürmers in Detmold, Bonn, Jena, Bremen, Leipzig, Berlin und Hannover. Das Inhaltsverzeichnis sieht nun so aus:

Am 18. März auf seinen Spuren

I. 1822 – 1847

Pfarrerssohn in Detmold
Studium in Bonn
Burschenschaftler in Jena
Bonner Abschluss
Predigt in der Hauptkirche
Berliner Progress, Salons, Brüder Grimm
Zurück in Detmold
Malwida von Meysenbug
Artikel zum Fürstenjubiläum
Zukunft des Christentums
Prediger auf der Grotenburg
Landpfarrerträume
Rheinfahrt im August 
Unbequem, nicht überall
Literatenleben in Leipzig

II. 1848

Geweint vor Freude
Revolution in Berlin
Kandidat für Lippe
Parlament in der Paulskirche
Robert Blum und die Zentralgewalt 
Bremer Perspektiven
Fiese Kampagne gegen die Bremer Zeitung
Trauerspiel in Wien
Drama Robert Blum
Dunkelgrauer Abschied
Neubeginn in Hannover 
Tod der Mutter 

III. 1849 - 1852

Zeitung für Norddeutschland
Grundrechte für Deutschland 
Ständeversammlung und hannoversche Thronrede 
Politpossen im Königreich 
Hannover, Deutschland und ein Zeitungsmann
Reichsverfassung und monarchische Betonwände
Gefängnis vor dem Clevertor 
Hannoversche Idyllen
Urteil des Stadtgerichtes 
St. Godehard in Hildesheim
In Freiheit 
Hamburger Hochschule für Frauen 
Am Plauer See gegen das Monstrum
Letzte Monate in Gotha

Materialien

Weser-Zeitung, 22. März 1848: Die Revolution in Berlin
Bremer Zeitung, 14. November 1848: Robert Blum.
Zeitung für Norddeutschland, 13. Mai 1849: Der zehnte Mai in Frankfurt 
Deutsche Geschichte von 1819 bis 1849 auf den Punkt gebracht 

Anhänge

Lebensdaten im Überblick 
Bildanhang 
Quellen- und Literaturverzeichnis 
Personenverzeichnis 



Anmerkung für diejenigen, die das Buch bereits im Kindle Shop gekauft haben: Die ASIN hat sich nicht geändert. Es kann also aktualisiert werden. Sollte das nicht automatisch gehen, bitte an den Support wenden!





Mittwoch, 17. Juli 2013

Rheinfahrt im August


Der August des Jahres 1846 geizte nicht mit wunderbaren Sommertagen. Theodor stand am Fenster seiner Studierstube und betrachtete den Sonnenuntergang über der Grotenburg. Mit der leichten Bewegung der zart angehauchten Wölkchen träumte er sich über den Horizont hinaus bis an den Rhein. Märchenhafte Bilder und Farben kamen ihm ins Gedächtnis. Erinnerungen an sanft ansteigende Weinfelder, Burg Rheinstein hoch über der Flusswindung, der schroffe Loreleyfelsen im Abendlicht, glitzernde Wellen im Ufersand und der Gedankenaustausch mit Menschen, die genauso dachten und fühlten wie er und die gleichen Hoffnungen hegten.
Einige Tage später machte er seinen Traum wahr und fuhr an den Rhein, wo er jetzt, sechs Jahre nach dem hoffnungsvollen Studienbeginn, eine Zeit der heftigen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten seines Vaterlandes erlebte. In Köln traf er sich mit zwei Redakteuren der Kölnischen Zeitung, und zwar mit Levin Schücking und Karl-Heinrich Brüggemann, dem er zwei Jahre zuvor in Waßmanns Lokal in Berlin nach seiner ersten politischen Rede begegnet war. Mit seinem Freund Gottfried Kinkel saß er hoch über dem Fluss mit Blick auf das Siebengebirge, um festzustellen, dass die Rheingegend noch genauso schön war wie drei Jahre zuvor und dass dennoch so vieles verändert war. Nachdem Gottfried Kinkel die geschiedene Künstlerin Johanna Mockel geheiratet hatte, war er für eine Lehrtätigkeit in der theologischen Fakultät war untragbar geworden und lehrte nur noch im Fach Kunstgeschichte.
Mit dem Dampfboot fuhr Theodor in Etappen flussaufwärts nach Bingen. Von dort aus unternahm er eine Wanderung entlang der Nahe bis nach Kreuznach, wo er bei den Begegnungen mit Menschen den Eindruck hatte, er stoße mit jedem Schritt an eine faule Frucht der Geschichte. Die krassen Gegensätze zwischen bestens ausgestatteten Kurgästen auf der Kreuznacher Promenade und den schwitzenden Arbeitern mit zerschundenen Händen in den Weinfeldern waren ihm unerträglich. Von Kreuznach aus wanderte er weiter und hinter Bad Münster am Stein bergauf zur Ebernburg. Beim Gang zwischen den Ruinen fühlte er sich um einige Jahrhunderte zurückversetzt in die Reformationszeit, als der Burgbesitzer Franz von Sickingen, Freund des Volkes und von Martin Luther, hier gewohnt und entgegen allen Anfeindungen seiner Fürstenkollegen verfolgten Reformatoren Asyl gewährt hatte. Auch Sickingens gleichgesinnter Freund, der Dichter Ulrich Hutten, war für lange Zeit dort oben untergekommen. Diese besondere Bedeutung verschaffte der Burg den Beinamen Herberge der Gerechtigkeit.
Eine weitere Unternehmung führte den vierundzwanzigjährigen Wanderer in das wildromantische, zerklüftete Wispertal. Stundenlang ging er allein, umgeben nur von der großartigen Natur, die doch klüger war als die Menschen, die es nicht fertig brachten, diese Großartigkeit auch denen zugänglich zu machen, die in Hütten hausten. Welch ein Widerspruch! In dieser Profeteneinsamkeit  fochten die Gedanken in seinem Kopf einen fürchterlichen Kampf, der dann in leidenschaftlicher Empörung mit Feder und Tinte zum Ausbruch kam. In den sechsundneunzig Strophen von Eine Rheinfahrt im August erinnerte der Autor an die hochfliegenden Hoffnungen auf Freiheit und Gerechtigkeit, zeigte das schwache Elend der vielen, die sich abquälten, damit wenige alle Reichtümer besäßen, und stellte fest, das fluchbeladene Metall  richte nur Unheil und Blutvergießen an. Geld solle man besser im Rhein versenken wie den Nibelungenschatz. Gleichzeitig war dieses Gedicht eine Hymne an den mächtigen Fluss, der ruhig und unbeirrt seinen Weg nahm. An alle dem hatte der Rhein ja keine Schuld. Er war der ungekrönte König und auf ihm ruhten seine Hoffungen auf bessere Zeiten. Die Zukunftsvision von Freiheit, Liebe und Gerechtigkeit beherrschte Theodors gesamtes Denken, Fühlen und Handeln. Für die Verwirklichung dieses Ideals würde er alles geben. Als wollte er diesen Vorsatz besiegeln, taufte er sich eines Abends an einer Uferstelle selbst mit klarem Rheinwasser.
Ende September 1846 wurde Eine Rheinfahrt im August mit dem Untertitel Den Kölnern, den Schleswigholsteinern, Allen die den Rhein lieben gewidmet gedruckt, auch diesmal wieder beim Schünemann Verlag in Bremen. In dem Zusammenhang erfolgte eine Einladung von den Redakteuren der Weser-Zeitung, deren Verleger ja auch Schünemann war. Man wollte den jungen Literaten, der seit zwei Jahren regelmäßig brillante Texte für ihr Blatt lieferte, persönlich kennenlernen und mit ihm über eine ständige Mitarbeit in der Redaktion reden. Das waren attraktive Aussichten und eine Übersiedlung nach Bremen hatte zudem wegen der Erinnerung an die jahrelange Tätigkeit von Großvater Dräseke an der dortigen Gemeinde St. Ansgarii einen ganz besonderen Stellenwert. Drei Tage brauchte die Miethskutsche durch Sand- und Heidewege. Das Gespräch fand statt, doch die Redakteure der Weser-Zeitung  waren keinesfalls in allen Punkten mit Theodor einig. Seine politischen Ziele gingen weit über das hinaus, was eine Tageszeitung in Bremen sich leisten konnte. Man einigte sich auf eine befristete Mitarbeit, zunächst für ein halbes Jahr. Der Vertrag sollte sofort in Kraft treten.

Doch dann traf Theodor Althaus das Missgeschick gleich in zweierlei Weise. Er wurde ernsthaft krank und war monatelang nicht arbeits- und noch weniger reisefähig. Und noch schlimmer war, dass die Rheinfahrt vom Oberzensurgericht Preußen verboten wurde. Schünemann wurde aufgefordert, die Vertreibung der Schrift sofort zu stoppen, andernfalls würden gegen das Verlagshaus Sanktionen erfolgen. Eine schriftliche Eingabe des Verfassers an den preußischen Innenminister blieb trotz glänzender Argumentation ohne Erfolg. Schünemann distanzierte sich von Althaus, um weiteren Schwierigkeiten mit den preußischen Behörden aus dem Weg zu gehen. Man verschob das Inkrafttreten des Vertrages bis auf Weiteres. Die Zusammenarbeit in der bisherigen Art und Weise wurde jedoch beibehalten und es erschienen weiterhin Artikel von Althaus in der Weser-Zeitung, unter anderem einer über seine Gedanken bei der Wanderung auf die Ebernburg.

Foto: © Renate Hupfeld

Freitag, 5. Juli 2013

Antworten zur deutschen Geschichte


1819 Karlsbader Beschlüsse
Der Mord des Studenten Karl Ludwig Sand an dem Schriftsteller August von Kotzebue wurde zum Aufhänger verschärfter politischer Verfolgung. Mit den Karlsbader Beschlüssen vom 20. September 1819 setzte sich der österreichische Staatskanzler Clemens August Fürst Metternich vehement für ein Überwachungssystem ein, um nationale und liberale Bestrebungen zu unterdrücken. Durch ein Netz von Spitzeln wurden Versammlungen, Publikationen in Büchern und Presse eingeschränkt oder verboten. Die Spitzel machten selbst vor dem privaten Bereich nicht halt und je nach Auslegung in den einzelnen Ländern wurden Aktionen und Äußerungen mit empfindlichen Maßnahmen belegt.

1832 Hambacher Fest
Um die 30.000 Menschen aus allen deutschen Ländern trafen sich am 27. Mai 1832 auf dem Hambacher Schloss, um für nationale Einheit, Verfassungen und Pressefreiheit zu demonstrieren. Auf Grund der Karlsbader Beschlüsse gab es eine Vielzahl von Verhaftungen.

1837 Göttinger Sieben
Als König Ernst August bei seinem Amtsantritt im Jahre 1837 mit einem Handstreich die im Königreich Hannover bestehende Verfassung außer Kraft setzte, wandten sich sieben Göttinger Professoren öffentlich gegen diese Willkürmaßnahme. Das hatte zur Folge, dass sie entlassen und ausgewiesen wurden. Auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm gehörten dazu.

1840 Amtsbeginn von Friedrich Wilhelm IV.
Als Friedrich Wilhelm IV. 1840 das Amt des preußischen Königs übernahm, weckte er mit Begnadigungen von politischen Häftlingen und Aufhebungen von Berufsverboten große Hoffnungen auf deutsche Einheit und Demokratie. Acht Jahre später bestimmte er durch seine Weigerung, die Reichsverfassung anzuerkennen und die Kaiserkrone für ein einheitliches Deutschland anzunehmen maßgeblich das Scheitern der Revolution von 1848.

1844 Aufstand der Weber in Schlesien
Den Königen und Fürsten ging es prächtig während das arbeitende Volk hungerte. Insofern ist der Aufstand der schlesischen Weber stellvertretend für viele Bevölkerungsguppen zu sehen, die bitterarm waren und smit ihrer täglichen Arbeit nicht in der Lage waren ihre Familien zu ernähren.

24. Februar 1848 Sturmglocken von Notredame
Wie ein Donnerschlag hallte es durch die deutschen Länder, als in Frankreich König Louis Philippe gestürzt und die Republik ausgerufen wurde. Das Ereignis war die Initialzündung für den deutschen Frühling im März 1848.

13. März 1848 Flucht Metternichs in Wien
Mit der Eroberung des Zeughauses war das höchst erzürnte Volk bewaffnet und zwang Metternich zum Rücktritt. Der 74Jährige flüchtete ins Exil nach England.

1848 Revolution in Berlin am 18. März
Bei einer Kundgebung von König Friedrich Wilhelm IV. vor dem Berliner Schloss fielen Schüsse, die wie der berühmte Funken im Pulverfass wirkten. In unglaublicher Empörung und Einigkeit kämpften Mitglieder aller Bevölkerungsgruppen gegen die Militärpräsens und errangen einen kurz währenden Sieg über die Willkürherrschaft des preußischen Monarchen.

31. März 1848 Vorparlament in der Frankfurter Paulskirche
Mehr als 500 Männer kamen in der Frankfurter Paulskirche zusammen mit dem Ziel, in den einzelnen Ländern die Wahl zum ersten gesamtdeutschen Parlament vorzubereiten.

18. Mai 1848 Nationalversammlung in Frankfurt
Fast 400 gewählte Deputierte aus allen deutschen Ländern waren bei der ersten Sitzung des vom deutschen Volk gewählten Parlamentes dabei, um eine gesamtdeutsche Verfassung, die sogenannte Reichsverfassung, zu erarbeiten.

11. Juli 1848 Einzug des Reichsverwesers in Frankfurt
Auf Vorschlag des Parlamentspräsidenten Heinrich von Gagern wurde Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser gewählt. Er sollte sich dafür einsetzen, das die Beschlüsse der Nationalversammlung in politisches Handeln umgesetzt würden und Deutschland nach Außen vertreten.

18. September 1848 Aufstand in Frankfurt
Beim Konflikt zwischen Schleswig Holstein und Dänemark hätte der Reichsverweser zum ersten Mal außenpolitisch agieren müssen. Stattdessen wurde der Waffenstillstand von Malmö selbstherrlich von Preußen geschlossen und dieser Alleingang wurde sogar noch von der Nationalversammlung abgesegnet. Das Vertrauen der Bevölkerung in das erste vom deutschen Volk gewählte Parlament war gestört, es kam zu einem Aufstand, der mit Hilfe von preußischem Militär blutig niedergeschlagen wurde.

9. November 1848 Hinrichtung von Robert Blum in Wien
Nachdem die Umsetzung der Paulskirchenbeschlüsse stagnierte und mit zunehmendem Erstarken der Reaktion die Revolution im Sande zu verlaufen drohte, sah Blum die letzte Chance zur Rettung der deutschen Sache in der Unterstützung des Wiener Oktoberaufstandes. Doch auch diese Erhebung wurde blutig niedergeschlagen und hatte Verhaftungen und Hinrichtungen zur Folge. Ohne Prozess wurde das Mitglied der deutschen Nationalversammlung Robert Blum brutal erschossen.

27. Dezember 1848 Verabschiedung der Grundrechte des Deutschen Volkes
Trotz aller Schwierigkeiten wurde mit dem Reichsgesetz über die Grundrechte für ganz Deutschland ein erster und ein ganz wichtiger Teil der deutschen Verfassung verabschiedet

27. März 1849 Verabschiedung der Reichsverfassung für das deutsche Volk
Einige Monate später war nach Flügelkämpfen, heftigen Diskussionen und beharrlicher Integrationsarbeit das Verfassungswerk fertig gestellt und wurde verabschiedet. Ein Großteil der deutschen Länder nahm die Reichsverfassung an und begann, sie umzusetzen, doch nicht alle. Preußen war noch nicht im Boot und in Hannover trieb das Ministerium Stüve ein possenhaftes Intrigenspiel mit der Ständeversammlung.

28. April 1849 Friedrich Wilhelm VI. lehnt die Kaiserkrone ab
Mit einer Erklärung vom 28. April 1849 lehnte der preußische König Friedrich Wilhelm VI. von Gottes Gnaden die ihm von den Volksvertretern angetragene Kaiserkrone für Deutschland ab. Damit war das mühsam erarbeitete und in hartem Ringen erkämpfte Verfassungwerk gescheitert.

Mai 1849 Reichsverfassungskampagne

Ein Großteil der Bevölkerung stand hinter der Reichsverfassung und wollte das Scheitern nicht hinnehmen. Nachdem friedliche Kundgebungen, Petitionen und Pressekampagnen von den monarchischen Herrschern nicht gehört wurden, kam es wieder zu Aufständen, so im sächsischen Dresden, in der Pfalz und in Baden. Alle Erhebungen wurden jedoch militärisch niedergeschlagen und hatten für die Kämpfer bittere Konsequenzen. Es gab Verhaftungen und Hinrichtungen. Wer noch flüchten konnte, verließ sein Heimatland.




Rezension im Jahrbuch Forum Vormärz Forschung


Es ist eine sehr erfreuliche Nachricht zu vermelden: Die Autorin Renate Hupfeld hat ihrer Anthologie mit Auszügen aus den Schriften von Theodor Althaus einen biographischen Abriss über das Wirken ihres Helden zwischen 1822 und 1852 folgen lassen. Im Untertitel wird er als "Revolutionär in Deutschland" bezeichnet, was jeden aufhorchen lässt, der bislang glaubte, sich mit der Entwicklung einer obrigkeitsstaatlichen Tradition in Deutschland im Laufe des 19. Jahrhunderts abfinden zu müssen. Aber es gab da ja noch die erste Hälfte jenes Jahrhunderts, die trotz scheinbarer Biedermeier-Idylle sich doch nicht so unterwürfig-demütig und so gottergeben präsentierte, wie es ein Staatskanzler Metternich oder die Könige und Fürsten in dem immer noch arg zersplitterten Deutschland von ihren Untertanen eigentlich erhofft und erwartet hatten. Die Karlsbader Beschlüsse von 1819 hatten zu Lähmungserscheinungen beigetragen, was den Tatendrang rebellierender Gemüter betraf (das galt vor allem für die gerade entstandenen Organisationen der Burschenschaften an den Universitäten), aber hin und wieder zog doch der eine oder andere Zeitgenosse mit seinen widerborstigen Unmutsbekundungen über die allgemeine politische und gesellschaftliche Situation die Aufmerksamkeit besorgter "Staatsschutzorgane" auf sich. Zu solchen meist sehr klugen, sehr nachdenklichen, aber auch sehr hell- und weitsichtigen Zeitgenossen gehörte nun neben vielen andrern auch Theodor Althaus, der bislang in der Literaturgeschichte eher im schatten weitaus berühmterer Namen wie Ludwig Börne, Hoffmann von Fallersleben, Ferdinand Freiligrath, Heinrich Heine, Georg Herwegh, Robert Prutz, Georg Weerth und wie sie alle hießen, stand. Es kommt der Autorin das große Verdienst zu, diesen bisher unbekannten Schatz an Zeugnissen aus der Feder des Pfarrerssohnes aus Detmold entdeckt und ihn einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht zu haben. Diese Biographie erweitert und ergänzt das positive Bild, das man sich zuvor schon anhand der Anthologie machen konnte. In sehr detaillierter und sachkundiger Form gibt die Verfasserin hier einen erhellenden Einblick in das leider sehr kurze Leben des Theodor Althaus, der am 26. Oktober 1822 als Sohn des Generalsuperintendenten im Fürstentum Lippe, Georg Friedrich Althaus, im damals beschaulichen Detmold das Licht der Welt erblickte, um dieselbe für ihn inzwischen unwirtlich und feindlich geworden war, 1852 mit noch nicht einmal 30 Jahren nach schwerer Krankheit wieder zu verlassen. Dazwischen lag ein recht turbulentes , wechselvolles Leben mit vielen Höhen und Tiefen und zahlreichen Aufenthaltsorten, die mit dem Studium der Theologie und späterhin beruflichen Tätigkeiten als Zeitungsredakteur und Verfasser von Lexikonartikeln ebenso wie mit Erkundungsreisen durch reizvolle Landschaften des großen Vaterlandes sowohl als "Tourist" wie auch als Reiseschriftsteller und kritischer Beobachter des Zeitgeschehens verbunden waren. Renate Hupfeld legt eindrucksvoll dar, wie politisch ihr Held von Anfang an eingestellt war, dass er durch und durch politisch dachte, sodass auch seine auf den ersten Blick eher belletristisch und schöngeistig erscheinenden literarischen Schöpfungen bei genauerem Hinsehen zumeist einen politischen Akzent besaßen. Es würde zu weit führen, hier die zahlreichen lesens- und berichtenswerten Vorgänge aus dem Leben von Theodor Althaus im Einzelnen zu rekapitulieren, der Rezensent kann nur die Empfehlung aussprechen, durch eigene Lektüre einen hoffentlich nachhaltigen Eindruck von dem Ideenreichtum und der Debattierfreude wie auch v.a. der "Demokratiebegeisterung" von Althaus zu gewinnen. Er gehörte damals noch zu einer Minderheit, jedenfalls nach offizieller Lesart, die Königs- und Fürstenfreunde waren zu seiner Zeit noch eindeutig in der Mehrheit, auch später in der ersten deutschen verfassungsgebenden Nationalversammlung 1848, für die er vergeblich kandidiert hatte, doch er war recht früh republikanisch gesinnt und trat schon als Student aus vollem Herzen für eine Entwicklung in Deutschland hin zu freiheitlicheren Verhältnissen in Staat und Gesellschaft ein. Mit welchem Etikett man diese Vision versehen sollte, ist dabei unerheblich, die Verfasserin macht immer wieder deutlich, dass umfassende Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte für das "Volk" auf der Basis der "Volkssouveränität" im Laufe der Zeit eine beinahe lebenswichtige Option für Althaus waren. So kann man getrost dem Tenor des Klappentextes zustimmen, wonach die "Gedanken und Botschaften" von Theodor Althaus bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hätten, und dass er weit größere Beachtung verdient hätte, als ihm bisher zuteil geworden sei. Die Autorin trägt durch diese informative Biographie ihren Teil zu einer hoffentlich größeren Verbreitung jener "Gedanken und Botschaften" bei. Eine noch fundiertere Beurteilung der politischen Haltung von Althaus wäre dann möglich, wenn man die Hintergründe und die verschiedenen konkurrierenden politischen Strömungen in der damaligen Zeit noch etwas genauer kennenlernen bzw. kennen würde, mit denen sich -Althaus und seine Mitstreiter und Gesinnungsgenossen auseinanderzusetzen hatten, aber das hätte den Rahmen dieser doch sehr dichten Darstellung gesprengt. Darüber kann man sich an anderer Stelle in einschlägigen Überblicksdarstellungen schnell und zuverlässig informieren. Es ist schon interessant genug, die einzelnen Stationen im Leben von Althaus unter der Anleitung seiner Biographin anzusteuern, die hierbei sehr bild- und aufschlussreiche Lotsendienste leistet.  Das Werk ist in fünf Teile chronologisch aufgegliedert und so lernen wir auf dem zwar kurzen, aber sehr intensiv  durchschrittenen Lebensweg von Althaus diesen als Theologiestudenten und Burschenschaftler in Jena, Bonn und Berlin kennen wie auch als Seelen- und Herzensfreund von Malwida von Meysenbug, deren ursprünglich aristokratisch geprägte Ansichten durch ihren Umgang mit Althaus so sehr ins Wanken gerieten, das sie im Laufe der Zeit immer stärker mit der Einführung einer Republik in Deutschland zu sympathisieren begann: "Beide fühlten sich sofort vom andern angezogen und empfanden eine starke Übereinstimmung ihrer Gedanken in vielen Punkten" (S.38) (Das änderte allerdings nichts daran, dass sich Althaus später von ihr trennte). Es kommt daneben zu Begegnungen und zum Gedankenaustausch mit zahlreichen, damals schon bekannteren Zeitgenossen wie Robert Blum, Ferdinand Freiligrath, Julius Fröbel, Arnold Ruge u.a. während seines mehrmonatigen Aufenthaltes in Leipzig, wo er die Anfänge des revolutionären Aufbruchs im Frühjahr 1848 miterlebte, bis er als Berichterstatter der "Bremer Zeitung" über die Verhandlungen der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche das dortige Geschehen durch die Brille eines kritischen Beobachters verfolgte  und kommentierte. Man kann es der Autorin nicht hoch genug anrechnen, wie sachkundig und informativ sie den Konflikt um die Bildung der provisorischen Zentralgewalt in der Paulskirchenversammlung darlegt und die Haltung der Demokraten, die vor allem durch durch Robert Blum repräsentiert wurde, ebenso transparent macht wie die anfangs bezüglich der Strategie u und Taktik der Demokraten noch zweifelnde, dann im Laufe dr Zeit sich immer mehr der Position Blums und seiner Mitstreiter zuneigende Haltung von Althaus (siehe S. 76ff.) Dies gilt ebenso für die Schilderung der Auseinandersetzung um die Frage eines Waffenstillstandes von Seiten Preußens im Konflikt mit Dänemark wegen Schleswig-Holstein. Schließlich übernahm Althaus bei der bis dahin auflagenstarken "Bremer Zeitung" "das Arbeitspensum eines leitenden Redakteurs ... bis an die Grenze seiner Belastbarkeit" (S. 82), was aber nicht nur zum Vorteil der Zeitung gereichte; denn seine kritischen Kommentare zu dem von Preußen eigenmächtig über den Kopf der Nationalversammlung hinweg geschlossenen Waffenstillstand mit Dänemark führten zu einer "Vielzahl von Kündigungen des Abonnements" (S. 83/84) vor allem bei Bremer Kaufleuten, die die Kapital und Gewerbe ganz anders als bei Althaus Vorrang vor "Einheit, Ehre und Freiheit des Vaterlandes" hatten (S.84). So trennte sich schließlich der Verleger von der Zeitung und verkaufte sie an die Gebrüder Jänecke in Hannover im Einvernehmen mit Theodor Althaus, der sie dort unter dem Namen "Zeitung für Norddeutschland" weiter redigierte und deren erste Ausgabe am 1. Tag des Jahres 1849 erschien. Die Verfasserin durchleuchtet im Folgenden das dramatische Intrigenspiel in Hannover, das zur Nichtanerkennung der am 28. März von der Nationalversammlung verabschiedeten Reichsverfassung führte und das der leitende Redakteur Althaus in zahlreichen Artikeln anprangerte, bis er sich schließlich in einem Aufruf von 13. Mai 1849 unter der Überschrift "Der zehnte Mai in Frankfurt" für die Einsetzung eines Landesausschusses für "Verteidigung und Durchführung der deutschen Reichsverfassung in Hannover" stark machte. Sein Intimfeind, der damalige Innenminister Stüve, ordnete bereits am folgenden Tag die Verhaftung von Althaus an, der daraufhin in das Gefängnis vor dem Cleverthor eingewiesen wurde (S. 122). Wegen Aufforderung zum Staatsverrat wurde er mit dreijährigen Staatsgefängnis bestraft, obwohl er doch nur für die Durchsetzung einer von der Nationalversammlung beschlossenen und von 29 einzelstaatliche Regierungen bereits anerkannten Verfassung plädiert hatte, der aber die Königreiche Bayern, Hannover, Preußen und Sachsen die Gültigkeit in ihrem Herrschaftsbereich verweigerten, wozu sie eigentlich nicht befugt waren. Nach der Verlegung ins Staatsgefängnis in Hildesheim und der vorzeitigen Entlassung am 15. Mai 1850 schwächten immer wiederkehrende neue Krankheitsschübe den Zustand von Althaus so wehr, dass er während eines erneuten Kuraufenthalts in Gotha dort am 2. April 1852 mit noch nicht einmal 30 Jahren verstarb. Es ist der Autorin noch einmal dafür zu danken, dass sie diesem sehr scharfsinnigen, sehr sensiblen, sehr kritischen, politisch sehr engagierten und dabei doch Gewalt verabscheuenden Schriftsteller, Publizisten und "Revolutionär" mit dieser Pionierarbeit ein literarisches und historiographisches Denkmal gesetzt hat, von dem alle Nachgeborenen, die an der Erforschung der damaligen, an Anregungen und Perspektiven so überaus reichen Geisteswelt interessiert sind, nur profitieren können. Das Buch ist auch als E-Book zugänglich.
Wolfgang Obermaier (Bad Pyrmont)

Diese Rezension bezieht sich auf die Printausgabe:

Renate Hupfeld, Theodor Althaus 1822 - 1852 - Revolutionär in Deutschland
ISBN 978-3-942594-17-2, text-und-byte.de Hamm im November 2011

Erschienen ist sie im:

Vormärz und Philhellenismus, Jahrbuch Forum Vormärz Forschung 2012, 18. Jahrgang, herausgegeben von Anne-Rose Meyer 2013
ISBN 978-3-89528-946-0, Aisthesis Verlag Bielefeld  (S. 368 - 372)