Es ist eine sehr erfreuliche Nachricht zu
vermelden: Die Autorin Renate Hupfeld hat ihrer Anthologie mit Auszügen aus den
Schriften von Theodor Althaus einen biographischen Abriss über das Wirken ihres
Helden zwischen 1822 und 1852 folgen lassen. Im Untertitel wird er als
"Revolutionär in Deutschland" bezeichnet, was jeden aufhorchen lässt,
der bislang glaubte, sich mit der Entwicklung einer obrigkeitsstaatlichen
Tradition in Deutschland im Laufe des 19. Jahrhunderts abfinden zu müssen. Aber
es gab da ja noch die erste Hälfte jenes Jahrhunderts, die trotz scheinbarer
Biedermeier-Idylle sich doch nicht so unterwürfig-demütig und so gottergeben
präsentierte, wie es ein Staatskanzler Metternich oder die Könige und Fürsten
in dem immer noch arg zersplitterten Deutschland von ihren Untertanen
eigentlich erhofft und erwartet hatten. Die Karlsbader Beschlüsse von 1819
hatten zu Lähmungserscheinungen beigetragen, was den Tatendrang rebellierender
Gemüter betraf (das galt vor allem für die gerade entstandenen Organisationen
der Burschenschaften an den Universitäten), aber hin und wieder zog doch der
eine oder andere Zeitgenosse mit seinen widerborstigen Unmutsbekundungen über
die allgemeine politische und gesellschaftliche Situation die Aufmerksamkeit
besorgter "Staatsschutzorgane" auf sich. Zu solchen meist sehr
klugen, sehr nachdenklichen, aber auch sehr hell- und weitsichtigen
Zeitgenossen gehörte nun neben vielen andrern auch Theodor Althaus, der bislang
in der Literaturgeschichte eher im schatten weitaus berühmterer Namen wie
Ludwig Börne, Hoffmann von Fallersleben, Ferdinand Freiligrath, Heinrich Heine,
Georg Herwegh, Robert Prutz, Georg Weerth und wie sie alle hießen, stand. Es
kommt der Autorin das große Verdienst zu, diesen bisher unbekannten Schatz an
Zeugnissen aus der Feder des Pfarrerssohnes aus Detmold entdeckt und ihn einer
breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht zu haben. Diese Biographie erweitert
und ergänzt das positive Bild, das man sich zuvor schon anhand der Anthologie
machen konnte. In sehr detaillierter und sachkundiger Form gibt die
Verfasserin hier einen erhellenden Einblick in das leider sehr kurze Leben des
Theodor Althaus, der am 26. Oktober 1822 als Sohn des Generalsuperintendenten
im Fürstentum Lippe, Georg Friedrich Althaus, im damals beschaulichen Detmold
das Licht der Welt erblickte, um dieselbe für ihn inzwischen unwirtlich und
feindlich geworden war, 1852 mit noch nicht einmal 30 Jahren nach schwerer
Krankheit wieder zu verlassen. Dazwischen lag ein recht turbulentes ,
wechselvolles Leben mit vielen Höhen und Tiefen und zahlreichen
Aufenthaltsorten, die mit dem Studium der Theologie und späterhin beruflichen
Tätigkeiten als Zeitungsredakteur und Verfasser von Lexikonartikeln ebenso wie
mit Erkundungsreisen durch reizvolle Landschaften des großen Vaterlandes sowohl
als "Tourist" wie auch als Reiseschriftsteller und kritischer
Beobachter des Zeitgeschehens verbunden waren. Renate Hupfeld legt
eindrucksvoll dar, wie politisch ihr Held von Anfang an eingestellt war, dass
er durch und durch politisch dachte, sodass auch seine auf den ersten Blick
eher belletristisch und schöngeistig erscheinenden literarischen Schöpfungen
bei genauerem Hinsehen zumeist einen politischen Akzent besaßen. Es würde zu
weit führen, hier die zahlreichen lesens- und berichtenswerten Vorgänge aus dem
Leben von Theodor Althaus im Einzelnen zu rekapitulieren, der Rezensent kann
nur die Empfehlung aussprechen, durch eigene Lektüre einen hoffentlich
nachhaltigen Eindruck von dem Ideenreichtum und der Debattierfreude wie auch
v.a. der "Demokratiebegeisterung" von Althaus zu gewinnen. Er gehörte
damals noch zu einer Minderheit, jedenfalls nach offizieller Lesart, die
Königs- und Fürstenfreunde waren zu seiner Zeit noch eindeutig in der Mehrheit,
auch später in der ersten deutschen verfassungsgebenden Nationalversammlung
1848, für die er vergeblich kandidiert hatte, doch er war recht früh
republikanisch gesinnt und trat schon als Student aus vollem Herzen für eine
Entwicklung in Deutschland hin zu freiheitlicheren Verhältnissen in Staat und
Gesellschaft ein. Mit welchem Etikett man diese Vision versehen sollte, ist
dabei unerheblich, die Verfasserin macht immer wieder deutlich, dass umfassende
Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte für das "Volk" auf der Basis der
"Volkssouveränität" im Laufe der Zeit eine beinahe lebenswichtige
Option für Althaus waren. So kann man getrost dem Tenor des Klappentextes
zustimmen, wonach die "Gedanken und Botschaften" von Theodor Althaus
bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hätten, und dass er weit größere
Beachtung verdient hätte, als ihm bisher zuteil geworden sei. Die Autorin trägt
durch diese informative Biographie ihren Teil zu einer hoffentlich größeren
Verbreitung jener "Gedanken und Botschaften" bei. Eine noch fundiertere
Beurteilung der politischen Haltung von Althaus wäre dann möglich, wenn man die
Hintergründe und die verschiedenen konkurrierenden politischen Strömungen in
der damaligen Zeit noch etwas genauer kennenlernen bzw. kennen würde, mit denen
sich -Althaus und seine Mitstreiter und Gesinnungsgenossen auseinanderzusetzen
hatten, aber das hätte den Rahmen dieser doch sehr dichten Darstellung
gesprengt. Darüber kann man sich an anderer Stelle in einschlägigen
Überblicksdarstellungen schnell und zuverlässig informieren. Es ist schon
interessant genug, die einzelnen Stationen im Leben von Althaus unter der
Anleitung seiner Biographin anzusteuern, die hierbei sehr bild- und
aufschlussreiche Lotsendienste leistet. Das Werk ist in fünf Teile
chronologisch aufgegliedert und so lernen wir auf dem zwar kurzen, aber sehr
intensiv durchschrittenen Lebensweg von Althaus diesen als
Theologiestudenten und Burschenschaftler in Jena, Bonn und Berlin kennen wie
auch als Seelen- und Herzensfreund von Malwida von Meysenbug, deren
ursprünglich aristokratisch geprägte Ansichten durch ihren Umgang mit Althaus
so sehr ins Wanken gerieten, das sie im Laufe der Zeit immer stärker mit der
Einführung einer Republik in Deutschland zu sympathisieren begann: "Beide
fühlten sich sofort vom andern angezogen und empfanden eine starke
Übereinstimmung ihrer Gedanken in vielen Punkten" (S.38) (Das änderte
allerdings nichts daran, dass sich Althaus später von ihr trennte). Es kommt
daneben zu Begegnungen und zum Gedankenaustausch mit zahlreichen, damals schon
bekannteren Zeitgenossen wie Robert Blum, Ferdinand Freiligrath, Julius Fröbel,
Arnold Ruge u.a. während seines mehrmonatigen Aufenthaltes in Leipzig, wo er
die Anfänge des revolutionären Aufbruchs im Frühjahr 1848 miterlebte, bis er
als Berichterstatter der "Bremer Zeitung" über die Verhandlungen der
Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche das dortige Geschehen durch
die Brille eines kritischen Beobachters verfolgte und kommentierte. Man
kann es der Autorin nicht hoch genug anrechnen, wie sachkundig und informativ
sie den Konflikt um die Bildung der provisorischen Zentralgewalt in der
Paulskirchenversammlung darlegt und die Haltung der Demokraten, die vor allem
durch durch Robert Blum repräsentiert wurde, ebenso transparent macht wie die
anfangs bezüglich der Strategie u und Taktik der Demokraten noch zweifelnde,
dann im Laufe dr Zeit sich immer mehr der Position Blums und seiner Mitstreiter
zuneigende Haltung von Althaus (siehe S. 76ff.) Dies gilt ebenso für die
Schilderung der Auseinandersetzung um die Frage eines Waffenstillstandes von
Seiten Preußens im Konflikt mit Dänemark wegen Schleswig-Holstein. Schließlich
übernahm Althaus bei der bis dahin auflagenstarken "Bremer Zeitung"
"das Arbeitspensum eines leitenden Redakteurs ... bis an die Grenze seiner
Belastbarkeit" (S. 82), was aber nicht nur zum Vorteil der Zeitung
gereichte; denn seine kritischen Kommentare zu dem von Preußen eigenmächtig
über den Kopf der Nationalversammlung hinweg geschlossenen Waffenstillstand mit
Dänemark führten zu einer "Vielzahl von Kündigungen des Abonnements"
(S. 83/84) vor allem bei Bremer Kaufleuten, die die Kapital und Gewerbe ganz
anders als bei Althaus Vorrang vor "Einheit, Ehre und Freiheit des
Vaterlandes" hatten (S.84). So trennte sich schließlich der Verleger von
der Zeitung und verkaufte sie an die Gebrüder Jänecke in Hannover im
Einvernehmen mit Theodor Althaus, der sie dort unter dem Namen "Zeitung
für Norddeutschland" weiter redigierte und deren erste Ausgabe am 1. Tag
des Jahres 1849 erschien. Die Verfasserin durchleuchtet im Folgenden das
dramatische Intrigenspiel in Hannover, das zur Nichtanerkennung der am 28. März
von der Nationalversammlung verabschiedeten Reichsverfassung führte und das der
leitende Redakteur Althaus in zahlreichen Artikeln anprangerte, bis er sich
schließlich in einem Aufruf von 13. Mai 1849 unter der Überschrift "Der
zehnte Mai in Frankfurt" für die Einsetzung eines Landesausschusses für
"Verteidigung und Durchführung der deutschen Reichsverfassung in
Hannover" stark machte. Sein Intimfeind, der damalige Innenminister Stüve,
ordnete bereits am folgenden Tag die Verhaftung von Althaus an, der daraufhin
in das Gefängnis vor dem Cleverthor eingewiesen wurde (S. 122). Wegen
Aufforderung zum Staatsverrat wurde er mit dreijährigen Staatsgefängnis
bestraft, obwohl er doch nur für die Durchsetzung einer von der
Nationalversammlung beschlossenen und von 29 einzelstaatliche Regierungen
bereits anerkannten Verfassung plädiert hatte, der aber die Königreiche Bayern,
Hannover, Preußen und Sachsen die Gültigkeit in ihrem Herrschaftsbereich
verweigerten, wozu sie eigentlich nicht befugt waren. Nach der Verlegung ins
Staatsgefängnis in Hildesheim und der vorzeitigen Entlassung am 15. Mai 1850
schwächten immer wiederkehrende neue Krankheitsschübe den Zustand von Althaus
so wehr, dass er während eines erneuten Kuraufenthalts in Gotha dort am 2.
April 1852 mit noch nicht einmal 30 Jahren verstarb. Es ist der Autorin noch
einmal dafür zu danken, dass sie diesem sehr scharfsinnigen, sehr sensiblen,
sehr kritischen, politisch sehr engagierten und dabei doch Gewalt
verabscheuenden Schriftsteller, Publizisten und "Revolutionär" mit
dieser Pionierarbeit ein literarisches und historiographisches Denkmal gesetzt
hat, von dem alle Nachgeborenen, die an der Erforschung der damaligen, an
Anregungen und Perspektiven so überaus reichen Geisteswelt interessiert sind,
nur profitieren können. Das Buch ist auch als E-Book zugänglich.
Wolfgang Obermaier (Bad Pyrmont)
Diese Rezension bezieht sich auf die Printausgabe:
Renate Hupfeld, Theodor Althaus 1822 -
1852 - Revolutionär in Deutschland
ISBN 978-3-942594-17-2, text-und-byte.de
Hamm im November 2011
Erschienen ist sie im:
Vormärz und Philhellenismus, Jahrbuch
Forum Vormärz Forschung 2012, 18. Jahrgang, herausgegeben von Anne-Rose Meyer
2013
ISBN
978-3-89528-946-0, Aisthesis
Verlag Bielefeld (S. 368 - 372)
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