„…ich
fühle mich hier nur dem Zufall und der Gewalt gegenüber. Mein Hochverräther Titel
bildet vollends einen komischen Kontrast zu mir selbst… “ (Theodor Althaus)
Theodor
Althaus war sechsundzwanzig Jahre alt und verantwortlicher Redakteur der „Zeitung
für Norddeutschland“ in Hannover, als er am 14. Mai 1849 vom Schreibtisch weg ins
Gefängnis gebracht wurde. Was man ihm vorwarf? Staatsverrat. Den sollte er mit
seinem Leitartikel „Der zehnte Mai in Frankfurt“ begangen haben. Doch nicht als Staatsverräter,
sondern als „Märtyrer für die Reichsverfassung“ fühlte er sich. Ja, er war er
einer der engagiertesten Kämpfer für den deutschen Staat, dessen Verfassung vierhundert
Delegierte in der Frankfurter Paulskirche erarbeitet hatten, allesamt vom Volk
gewählt. Doch die Umsetzung des Gesetzeswerkes scheiterte an der Selbstherrlichkeit
von Monarchen, allen voran des preußischen Königs, der die Reichsverfassung
nicht anerkannte. Mit dem Rücktritt des Präsidenten der Nationalversammlung
Heinrich von Gagern am 10. Mai 1849 war das erste deutsche Parlament am Ende. Wer
konnte es den Kämpfern für ein demokratisches Deutschland verdenken, dass sie aufbegehrten
und auf die Straße gingen? Beginnend mit dem Dresdner Maiaufstand kam es in vielen
Regionen Deutschlands zu Volkserhebungen, die alle mit Hilfe preußischer
Soldaten blutig niedergeschlagen wurden. Das Verbrechen von Theodor Althaus
bestand darin, dass er seine Leser dazu aufrief, im Königreich Hannover einen
Landesausschuss zur Durchführung der Reichsverfassung zu bilden. Das Volk müsse
das Gesetzeswerk notfalls auch mit Waffengewalt verteidigen.
Mit
der Verhaftung war die bitter erkämpfte berufliche Laufbahn des jungen
Redakteurs beendet. Dabei hatte sein Leben so vielversprechend begonnen. Als
ältester Sohn des lippischen Superintendenten am 26. Oktober 1822 in Detmold
geboren, herausragend begabt und gefördert hatte er alle Voraussetzungen, um in
die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Jedoch landete er nach glänzendem
Abschluss des Studiums in Bonn, Jena und Berlin wieder im Detmolder Elternhaus.
Als kritischer Geist hatte der Kandidat der Theologie keine Chance auf eine
Anstellung. Er schrieb längere Abhandlungen und Artikel für freiheitlich
orientierte Zeitungen. Mit Erfolg, seine
brillanten Texte wurden gedruckt.
Was
war aus der Aufbruchstimmung zu Beginn seines Bonner Studiums geworden, fragte
er sich im Sommer 1846 auf seinen Wanderungen am Rhein, wenn „der Fuß mit jedem Schritt an eine faule
Frucht der Geschichte stieß“? Ja, es war etwas faul in Deutschland. Einige
Privilegierte besaßen alles im Überfluss und ein Großteil der Bevölkerung litt
bittere Not. Althaus träumte von der Abschaffung des Geldes und stellte sich
vor, es „in den Rhein zu senken wie den unseligen Nibelungenschatz“. In einem
längeren Gedicht schrieb er sich seine Gedanken von einem Leben in Freiheit und
Liebe von der Seele. „Eine Rheinfahrt im August“ wurde jedoch gleich nach Erscheinen bei
Schünemann in Bremen von der preußischen Zensurbehörde verboten.
Schlagartig
änderte sich die vormärzliche Stimmung, als am 24. Februar 1848 mit dem Sturz
des Königs Louis Phillippe und der Ausrufung der französischen Republik ein nie
geahnter deutscher Frühling bis in die letzten Winkel zog. Wie eine Befreiung
erlebten die Menschen diesen Sieg im Nachbarland. Straßen und Plätze wurden
schwarzrotgold geschmückt. Monarchische Herrscher konnten dem Druck der vielen
Menschen auf der Straße nicht standhalten, ließen die Zügel locker, verkündeten
Pressefreiheit und installierten in Windeseile Märzministerien. Plötzlich
schien alles möglich. Ein sturmbrausendes Jahr hatte begonnen. Doch spätestens
nach der blutigen Barrikadennacht am 18. März 1848 in Berlin, die Theodor
Althaus als Korrespondent der Bremer „Weser Zeitung“ erlebte, wurde dem jungen
Detmolder klar, dass der Weg zur Demokratie ein steiniger sein würde. Zwei
Monate später berichtete er von der ersten Sitzung der Nationalversammlung in
der Paulskirche und davon, wie ganz Frankfurt den neuen Präsidenten Heinrich
von Gagern mit einem Fackelzug feierte. Es gebe zwar auch kritische Stimmen,
schrieb er in seinem Artikel, doch glaube er, dass man schöne Zeiten erleben
werde, Gagern sei ein „Mann des Volks“.
Die
schönen Zeiten kamen nicht. Mit Erstarken der Reaktion geriet die demokratische
Bewegung ins Stocken. Im Strudel der auf und abwogenden Entwicklungen wurde der
junge Stürmer aus Detmold mitgerissen und geriet im Laufe des Jahres 1848 in
ein berufliches Dilemma. Seine Leitartikel zum „Waffenstillstand von Malmö“ und
zum Mord an Auerswalt und Lichnowski während des Frankfurter Septemberaufstandes
führten zum Zusammenbruch seiner Zeitung in Bremen. Mit der Gründung der „Zeitung
für Norddeutschland“ in Hannover bekam er noch eine Chance, bemerkte aber
nicht, wie er immer weiter in die Mühlen seiner reaktionären Gegenspieler
hineingeriet, die dann auch bei nächster Gelegenheit zuschlugen
Etwas
mehr als ein Jahr nach dem strahlenden deutschen Frühling im März 1848, fast
zeitgleich mit dem Rücktritt Heinrich von Gagerns und dem Scheitern der
Nationalversammlung, wurde er festgenommen und war zunächst im „Gefängniß vor
dem Cleverthor“ in Hannover inhaftiert, dann im Stadtgefängnis und schließlich
im Staatsgefängnis St. Godehard in Hildesheim. Dort schrieb er im Winter 1850 seine
Gedanken und Erinnerungen auf. So sind die Visionen von Theodor Althaus für die
Nachwelt erhalten und lesen sich heute erstaunlich frisch, wenn er von
Deutschland als weltgrößtem „literarischen Museum“ schreibt, von europäischem
Geist sowie von freien Gemeinden anstatt feindlicher Religionsgemeinschaften. „Aus
dem Gefängniß. Deutsche Erinnerungen und Ideale“ erschien beim Verlag von A. D.
Geisler in Bremen.
... und zum Download: Aus dem Gefängniß (99 Cent)