Kurz vor Weihnachten fühlte er sich immerhin so kräftig, dass er seiner Schwester nach Berlin einen langen Brief schreiben konnte. Er bedankte sich für die Köstlichkeiten und die warme Decke, die sie ihm in einem großen Paket geschickt hatte und beschrieb, wie er im Sofa saß und es sich mit schönen warmen Füßen unter der Decke und Elisabeths Leckereien gemütlich machte. Er berichtete von der lieben Frau Seebach, der Krankenwärterin, die abends beim Zubettgehen auch immer darauf achtete, dass er schöne warme Füße habe. Mit Wehmut dachte er an das bevorstehende Weihnachtsfest und schrieb von einer schlank gewachsenen dunklen Tanne vor seinem Fenster gerade so hoch, daß sie mit ihrer schönen Krone wohl Platz hätte zum Fest in einem hohen weiten Saale, wo ganze Scharen von Kindern in ihrem Lichterkranz tanzen könnten.
Obwohl
Verwandte und Freunde ihn zu Weihnachten wieder mit Geschenken und
Aufmerksamkeiten erfreuten, vermisste er seine Lieben weit mehr als im Vorjahr
im Gefängnis. Er fühlte sich sehr einsam, war aber getröstet durch einen
stillen jungen Mann, mit dem Frau Seebach ihn zusammengebracht hatte und der am
zweiten Feiertag bei Tee und Kuchen ein paar Stunden mit ihm verbrachte, wobei
Theodor ihm eingehend von vergangenen Zeiten erzählen musste, als er noch mit
Arnold Ruge, Moritz Hartmann und Eduard Meißner in Leipzig gemeinsame Träume
hatte.
Nach
Weihnachten besuchte ihn Malwida von Meysenbug. In ihren Memoiren berichtete
sie darüber: „Ich fand ihn auf dem Sofa liegend, er schien tief gerührt, mich
zu sehen. Ich war bis in das Innerste erschüttert von seinem Anblick und
dachte, dass das nicht die einzigen Helden sind, die auf dem Schlachtfeld für
die Freiheit sterben. Er starb ja auch, ein Kämpfer, an den Folgen des Kampfes.
Sein Zimmer war gross und luftig, aber es war doch das Zimmer eines Hospitals,
und er war allein da, fern von allen, die er liebte. Er war noch nicht dreissig
Jahr, aber er schien mindestens vierzig; ein langer schwarzer Bart hob seine
Blässe und Magerkeit noch mehr hervor, und wenn ein Lächeln auf seine Lippen
kam, so war es traurig zum Weinen.“
Die
Freundin hatte sich in einem Gasthof eingemietet und blieb eine Woche in Gotha.
Täglich besuchte sie Theodor und blieb so lange, bis er sich ausruhen musste.
Auch den Silvesterabend verbrachten sie mit Erinnerungen an ihre Zeit in
Detmold, ihre gemeinsamen Ideale von Liebe und Freiheit und an seine Mutter.
Bevor Malwida Gotha verließ, besorgte sie ihm einen bequemen Lehnstuhl, weil
ihr aufgefallen war, wie schwer das Sofasitzen ihm fiel. Malwida erinnert sich:
„Er war sehr gerührt, und als er mir die
Hand zum Abschied reichte, sagte er mit bewegter Stimme: 'Man hat behaupten
wollen, dass die demokratischen Frauen kein Herz hätten; es ist an mir, dem zu
widersprechen.’“
Auszug aus: