Theodor Althaus war 18 Jahre alt, als er an einem Oktobertag
des Jahres 1840 die Wohnstube des Pfarrhauses Unter der Wehme in Detmold verließ, zu Fuß nach Paderborn ging und
von dort mit der Postkutsche an den Rhein fuhr. Der älteste Sohn des lippischen
Generalsuperintendenten hatte ein glänzendes Abiturexamen abgelegt und wollte
an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn Theologie zu studieren. Und es
war schon etwas Besonderes, von einer der ersten Amtshandlungen des preußischen
Königs Friedrich Wilhelm IV. zu profitieren und bei der Einschreibung vom
gerade rehabilitierten Rektor Ernst Moritz Arndt persönlich begrüßt zu werden.
Berechtigte Hoffnung auf ein einheitliches, freies und demokratisches
Deutschland lag in der Luft. Doch in den beiden Vertretern der theologischen
Fakultät, den Professoren Nitzsch und Bleek, sah der junge Stürmer aus dem
Fürstentum Lippe diese Hoffnungen nicht erfüllt. Das sah er lediglich in den
überzeugenden Vorträgen des fünfundzwanzigjährigen Dozenten Gottfried
Kinkel. Bei ihm hörte er Kirchengeschichte
und das mit Begeisterung und großem Respekt. Später gehörte er zum
studentischen Kreis der wöchentlichen Kränzchen, zu denen Kinkel eine kleine
Anzahl seiner Schüler in das Poppelsdorfer Schloss einlud. Die Verehrung des
Theologiestudenten aus Detmold ging so weit, dass er seinem Dozenten bei
bestimmten Themen seines Unterrichtsfaches inhaltlich zuarbeitete. So
entwickelte sich über die Kränzchenabende hinaus eine Freundschaft, die auch
nach Beendigung des Studiums anhielt.
Es war im Sommer des Jahres 1846, als sich wieder trafen. Drei Jahre nach
Beendigung des Theologiestudiums hatte sich für den Kandidaten Theodor Althaus keine
berufliche Perspektive ergeben. Als Schriftsteller und Journalist lebte er in seinem Detmolder Elternhaus und
hatte gerade eine längere Schrift über die Zukunft
des Christenthums verfasst. Während einer Wanderreise an den Rhein besuchte
er seinen ehemaligen Dozenten Gottfried Kinkel in Bonn. Der war nach seiner
Heirat mit der geschiedenen Johanna Mockel umhabilitiert worden und
unterrichtete inzwischen das Fach Kunstgeschichte. Im vertrauten Gespräch
stellten die beiden fest, wie wenig sich die Hoffnungen auf ein einheitliches
demokratisches Deutschland erfüllt hatten. Deutschland war nach wie vor
zersplittert in 36 Einzelstaaten, in denen der jeweilige König, Fürst oder Großherzog auf dem Hintergrund der
Karlsbader Beschlüsse mehr oder weniger despotisch gegen seine Untertanen regierte. Wenige besaßen viel und weite Teile der
Bevölkerung litten Not und hungerten.
In ihren jeweiligen Zusammenhängen kämpften Kinkel
und Althaus gegen diese Ungerechtigkeiten. Unabhängig voneinander wurden sie im
reißenden Strom des Revolutionsjahres 1848 mitgerissen und gehörten zu
denjenigen, deren Laufbahn im Zusammenhang mit den Reichsverfassungskämpfen im
Mai 1849 schicksalhaft beendet wurde. Kinkel landete nach der Teilnahme am
Sturm auf das Siegburger Zeughaus sowie am badischen Aufstand im pommerschen
Zuchthaus Naugard und Althaus als Redakteur der „Zeitung für Norddeutschland“
wegen eines Artikels mit Aufruf zur Bildung eines Ausschusses zur Durchführung
der in Frankfurt vollendeten Reichsverfassung im Staatsgefängnis St. Godehard
in Hildesheim. Hier schrieb er im Jahre 1850 seine persönlichen Erinnerungen Aus dem Gefängniß, in denen er neben
Robert Blum, Heinrich von Gagern und Julius Fröbel seinem Freund Gottfried
Kinkel ein Kapitel widmete.
(Renate Hupfeld im November 2013)
Bildquelle: Bernhard Höfling: Porträt Gottfried Kinkel,
Druck, Köln, Kölnisches Stadtmuseum