Dienstag, 30. Oktober 2012

1847 "Die Zukunft des Christenthums"


Aus: Theodor Althaus: "Die Zukunft des Christenthums". Seine Wahrheit, seine Verkehrung und seine Wiedergeburt durch Freiheit und Liebe. Dem deutschen Volke gewidmet. Darmstadt. Druck und Verlag von Carl Wilhelm Leske 1847

Christus der Demagog – und die christliche Polizei 

Weil wir Geistesverwandte sind und das ursprünglich christliche Werk fortsetzen, müssen wir auch in der Art desselben Geistes äußerlich wirken – wie gern würden wir es thun, wenn der Staat nicht Christi Beispiel nachzuahmen verböte und unmöglich machte. Es ist aber im Grunde nicht dieser moderne gegenwärtige Staat, oder unsre jetzt le enden Fürsten, welche es verbieten; denn von denen, welche im Vaterlande bekannt sind, wollen viele echte Christen sein, und zeigen, daß das Beste des Volkes nach ihrer Art ihnen wahrhaft und ohne Redensart am Herzen liegt. Vielmehr hat das Alte Christenthum in seiner ganzen Entwickelung an diesem Verbote gearbeitet, und die Staaten folgen nur dem, was mit wenigen Ausnahmen in der Meinung der Rechtgläubigen für christlich gilt. Seit Christus zum Gott, zum allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden erhoben wurde, verstand es sich von selbst, daß wir sein Beispiel nur in gewissen Sachen nachahmen dürfen; und so ist es ganz natürlich, daß der Staat und die Frommen jetzt, wenn wir Christus in seiner Predigt und seiner volksthümlichen Wirksamkeit nachahmen wollen, alsbald sprechen: Halt! Ihr dürft ihm nur in der Liebe nachfolgen – als wenn die Liebe nicht drängte zum Apostelamt und zum Reden von den Dächern -; oder: das war einmal und kommt nicht wieder – als wenn das Reich Gottes schon fertig wäre! – In Christus ist keine servile Ader, kein knechtisches Wort ist aus seinem Munde gekommen, er hat geredet, was Wahrheit war, menschlich frei, begeistert; wohl in besonnener Würde und Macht, aber mit dem Feuer des Zorns nicht allein gegen die Sünde, sondern auch gegen die Sünder, die im hohen Rathe seines Volks auf Mosis Stuhle saßen, g e g e n   s e i n e  g o t t g e s e tz t e  O b r i g k e i t. Was er gegen diese Hohen geredet hat – verstümmelt, arm, zerstückelt wie es und überliefert ist, bleibt es ein ewiges Muster und Krone volksthümlicher Beredsamkeit – wessen Schuld ist es, daß wenn jetzt ein Freier bei Nacht gefangen wird und gefragt: was lehrest du? – er nicht sagen kann: ich habe geredet frei, offen vor allem Volk? Man braucht gewöhnlich, wenn man das Urschristliche erkennen will, jetzt, wie damals in den ersten Zeiten, nur zu forschen, was angesehen, hoch, und vor allem anständig ist bei den Hohen dieser Welt; in der Rede ist es: du sollst fein höflich reden mit Rücksicht gegen die Vornehmen, wenn du gleichwohl dem niederen Volke seine Sünden vorhalten darfst. Christus erhielt von seinen Feinden unwillig ein anderes Zeugniß, sie wussten nicht, wie sie ihn damit ehrten: Meister, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und fragest nach Niemand, denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen, sondern lehrest den Weg Gottes recht. (Marc. 12, 14) Wir gut für uns Spätgeborne, daß damals eine einfache Schilderung des Bestehenden noch nicht zum Hochverrath gestempelt war, daß man in Judäa noch die Freiheit der alten Welt achtete und Christum nicht alsbald gefangen nehmen oder des Landes verweisen konnte, sondern erst warten mußte, bis sein religiöses Verbrechen gegen das Gesetz des Landes reif war! Christus und die Seinen – obwohl keiner von ihnen seine Hoheit, Gewalt und Freiheit den Herren der Welt gegenüber erreicht zu haben scheint, trat auf nach der alten prophetischen weise und rief zum Reich Gottes in der einfach natürlichen  d e m a g o g i s ch e n  Art. Aber weil er nur mit Waffen des Geistes kämpfte, wiegelte er das Volk nicht auf, entwich ihnen, als sie ihm zum König machen wollten und wies alle Hülfe der Seinen die zum Schwert greifen wollten, ruhig ab. Er zahlte den Zins, predigte keine politische Rebellion und war kein Empörer. Aber zu schweigen verstand er sich nicht, sondern er wirkte die Werke dessen, der ihn gesandt hatte, so lang es Tag war – von unsern Zeiten hätte man vor wenig Jahren noch sagen können – und vielerorts noch heut: es ist gekommen die Nacht, da niemand wirken kann. Er zog im Lande umher, von Tausenden begleitet – man war noch nicht auf den Einfall gekommen, die Volksversammlungen zu verbieten - ; er predigte, wenn auch angefochten und bedroht, dennoch drei Jahre lang. Denn erst der moderne Staat, der sich den christlichen nennt, hat die Virtuosität im Verbieten der Wahrheit mit der Schnelligkeit ihrer Unterdrückung zu vereinigen gewußt.
Aber der alte vergessene Traum vom Gottesreich wacht wieder auf in der Welt, und die innre Stimme mahnt, daß die Wahrheit etwas höheres sei als liebevolles Verschweigen, und ihr Schwert in den Zeiten der Erfüllung heiliger als der Palmzweig, und die Stimmen, die: Friede predigen, wo doch kein Friede ist. Der deutsche Geist steht auf, die deutsche Brust wird weit, zum Volke zu reden, und wir wissen, daß der christliche Geist der ist, welcher den Propheten im härnen Gewand dem König zurufen ließ: es ist nicht recht! Welcher auch uns nicht sorgen lässt, wie oder was wir reden sollen; welcher sich in den Märtyrern und den großen Priestern der Vorzeit und in Luthers noch freien Reden nicht unbezeugt gelassen hat – das ist unser Geist. Und dürften wir nur der Wahrheit gehorchen wie wir wollen, nach rechts und links! Nun aber glauben Viele schweigen zu müssen, weil die Männer der Freiheit nur  g e g e n  ihre Freunde freies Wort vergönnt erhalten.
Ihr Fürsten und fürstlich Gesinnten, irrt euch nicht! Außer allen Parteien, an deren Unterdrückung ihr Arbeitet, außer allen die ihr oberflächlich sondert in Radikale, Communisten, Atheisten, Liberale – außer allen, ja und in ihnen, wie wir wissen und vertrauen, ist eine andre Partei, unsichtbar zur Zeit, schwach dem Anscheine nach, verläumdet von ihren Freunden, übersehen am liebsten von euch. Sie weiß, was sie will, und wird nicht aufhören es zu fordern – aber sie führt ihre Waffen auch gegen sich selbst, denn es sind Wahrheit und Gerechtigkeit, Waffen des Geistes: darum ist sie noch  k e i n e  Partei im Sinne des Worts, d a r u m  aber ist ihr auch die Zukunft und ihr wird der Sieg sein. Wir schmähen euch nicht, wir rufen nicht zur Empörung, wir halten keine Revolution mit Mord und Blut für nothwendig – wir gehorchen euren Gesetzen; wir erkennen euer menschliches Recht an, denn euer ist das Bild und die Umschrift, ihr seid unsre Herren. Aber euer göttliches und unantastbaren Recht anzuerkennen haben wir verlernt an all dem göttlich-privilegirten Auswurf der Menschheit, der auf Thronen gesessen hat; haben wir verlernt, seit das Bewusstsein unsres menschlichen Wesens in uns erwacht ist;: und wo das Volk noch christlich ist, werden wir ihm die Wahrheit des Christenthums zum Bewusstsein bringen und die Freiheit in Christi Geist, in unserm, dem menschlichen, dem göttlichen Geist wieder auferstehen lassen. Die Freiheit ist uns kein zügelloses, selbstsüchtiges Verlangen, das euch nur eure Macht missgönnt, sondern sie ist der Drang zum Reiche Gottes in der That und Wahrheit, und nur mit Gott, Liebe, Wahrheit – nur mit allem, was uns heilig ist zwischen Himmel und Erde, könnt ihr sie aus unsrer Brust reißen.
Wir sind keine Kinder und Unmündige, sondern Männer, welche das Ziel der Menschheit erkannt haben. Wir wiederholen es euch so ernst, wie es uns mit unserer Sache ernst ist: wir wollen  n u r  die Waffen des Geistes gebrauchen, wir wollen uns nicht empören, wir wollen euren Gesetzen gehorchen, oder, wenn es einmal einer um des Gewissens willen nicht kann, ruhig dulden, was ihr über uns verhängt. Aber eben so offen sagen wir euch: mit ein paar Privilegien für uns und mit ein paar Concessionen für das Volk werdet ihr uns nie zufrieden stellen; wir werden unzufrieden bleiben, so lang wir nicht erreicht haben, was kräftigen und begeisterten und besonnenen Menschen möglich ist. Keine menschliche Schranke erkennen wirk an deren Niederreißung des menschlichen Geistes Kraft sich nicht erproben sollte, wenn Liebe und Freiheit es verlangen-; wenn wir eine solche feststellten, so wären wir  g o t t l o s  und wäre es uns nicht Ernst mit dem Reiche Gottes. Und seht, so riesengroß dieser Kampf auch ist, so wahr es sich um eine neue Welt handelt – er ist doch vor dem Auge des Geistes nur ein Nachspiel und eine Erfüllung des ersten Kampfes, den Christus gekämpft hat gegen das göttliche Gesetz. Gleiche Feinde, gleiches Ziel, gleiche Waffen. Ein altes Gesetz ist aus dem Herzen zu reißen, um die Wahrheit leuchten zu lassen, die sich in der Zeit unter den Händen der Menschen zur Lüge verkehrt hatte. Aber weil wir im alten Gesetz die ewige Wahrheit, die in der ersten That hervorbrach, erkannt haben, und das Christenthum  s e l b st  zum Kampf gegen seine Verkehrung ruft, und alle Begeistrung jenes ersten Sieges wach wird und mächtig in den Herzen: darum wissen und glauben wir: gleicher Kampf, gleicher Sieg! Und wenn auch tausendmal das Loos unsres Freundes uns einzelnen in diesem Geschlecht zurufen sollte: gleicher Untergang! Denn sind wir mit ihm zum Tode gepflanzt, werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. (Röm. 6, 5.)
So haben wir denn, ehe von der Wiedergeburt geredet ist, das ursprüngliche Leben, zu dem das veraltete und erstarrte wieder geboren werden muß dargelegt, und – wir hoffen es – klar und rund genug gesagt, was sie neue Zeit der Gerechtigkeit als das Wesen des Christenthums erkennen muß und wird. Es ist, mit einem Worte, sein göttlicher Geist, der sich in der That bewährt hat und aus seinem Leben darum ewig neu sich wiedergebärt und Leben schafft, weil in ihm die ewigen Gedanken, die fortan alle Geschichte und alles menschliche Werden zum Dasein fördern und bewegen, zuerst erschienen sind. Das Wesen ruht, wie schon eine alte richtige Unterscheidung gefunden hat, nicht in seinen Lehrsätzen, sondern in seinen Grundsätzen, nur wußte und wagte man nicht, dieß Wesen in seiner Fülle zu entfalten. Nennt man zu den Grundgedanken, die sich im reich Gottes zusammenschließen lassen, noch: Wahrheit, im Sinn des vierten Evangeliums hauptsächlich, so ist damit theils nur die nothwendige Bestimmung hinzugefügt, daß in jenem Gedanken die höchste Wahrheit ist; theils will es heißen: daß er kämpft  g e g e n  alle Lüge, die sich am schneidendsten in der bloßen Form und Aeußerlichkeit offenbart, und  f ü r  den Geist, in dem allein die Wahrheit ist, der allein die Thaten rechtfertigt die aus ihm geboren sind.
Wir haben es aber mit dem Leben der gegenwärtigen Zeit zu thun, und in ihr tritt uns ein in die heilige Schrift eingeschränktes, und noch dazu von der Kirche dogmatisch festestelltes – ein Altes Christenthum ein im schlechten Sinne fast überall menschliches Christenthum entgegen. Was geschehen ist und besteht, kann uns von der Erkenntniß der Wahrheit nicht zurückhalten, vielmehr ist die Geschichte nach ihrer ersten Betrachtung Lehrmeisterin zur Wahrheit. Darum wenden wir uns wieder zu ihr, denn bevor wir von einem neuen Baue reden können, müssen wir das  A l t e  v e r s t a n d e n  und mit ihm Abrechnung gehalten haben. (S. 76 - 81)

Anmerkung: Die zeittypische Rechtschreibung wurde beibehalten. 

Diesen und mehr Texte von Theodor Althaus gibt es in einer Sammlung:
Theodor Althaus, Zeitbilder 1840 - 1850
Hrsg. von Renate Hupfeld
Aisthesis Verlag Bielefeld, 2010

Erzählende Biografie:
Renate Hupfeld: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland

Taschenbuch bei  http://www.text-und-byte.de/

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Donnerstag, 25. Oktober 2012

190. Geburtstag von Theodor Althaus

Vor 190 Jahren, am 26. Oktober 1822, wurde Theodor Althaus als ältester Sohn des zweiten Predigers der Stadtkirche in Detmold im Pfarrhaus in der Bruchstraße geboren. Derzeit bestand Deutschland aus 36 Einzelstaaten, in denen nach den Karlsbader Beschlüssen je nach Fürstenwillkür ein schwächer oder stärker ausgeprägtes polizeiliches Überwachungssystem zur Unterdrückung von nationalen und liberalen Bestrebungen herrschte. Im Fürstentum Lippe regierte seit zwei Jahren Leopold II., dessen wichtigste Interessen nicht dem lippischen Volk, sondern der Jagd und dem Theater galten.

Stadtkirche am Marktplatz in Detmold

Pfarrhaus in Detmold

Der junge Althaus entwickelte sich zu einem wachen Geist mit außerordentlicher Begabung in allen Bereichen, vielseitigen Interessen und einer zunehmend kritischen Haltung gegenüber Ungereimtheiten und Ungerechtigkeit. Seit Beginn des Studiums in Bonn im Jahre 1840 war sein wichtigstes Ziel ein einheitliches demokratisches Deutschland mit Gerechtigkeit für alle Menschen. Dafür gab er alles und landete schließlich im Gefängnis. Er wurde nicht einmal dreißig Jahre alt. 
Anhand der umfangreichen Schriften von Theodor Althaus und seiner schicksalhaften Laufbahn wird klar, wie schwierig und verlustreich die Anfänge der Demokratie in Deutschland waren. Der junge Detmolder steht stellvertretend für viele, die im Kampf um deutsche Einheit und demokratische Strukturen Freiheit, Heimat und Leben verloren haben. Hier ist seine Geschichte - zum 190. Geburtstag im neuen Outfit: 

Hier geht's zum Buch:







Montag, 15. Oktober 2012

Berufliche Perspektive und Preußische Zensur

Leseprobe aus: Renate Hupfeld: Theodor Althaus (1822 - 1852) - Revolutionär in Deutschland


Ende September 1846 wurde „Eine Rheinfahrt im August“ mit dem Untertitel „Den Kölnern, den Schleswigholsteinern, Allen die den Rhein lieben gewidmet“, gedruckt, auch diesmal wieder beim Schünemann Verlag in Bremen.
In dem Zusammenhang erfolgte eine Einladung von den Redakteuren der „Weser-Zeitung“, deren Verleger ja auch Schünemann war. Man wollte den jungen Literaten, der seit zwei Jahren regelmäßig brillante Texte lieferte, persönlich kennenlernen und mit ihm über eine ständige Mitarbeit in der Redaktion reden. Das waren attraktive Aussichten und eine Übersiedlung nach Bremen hatte zudem wegen der Erinnerung an die jahrelange Tätigkeit von Großvater Dräseke an der dortigen Gemeinde St. Ansgarii einen ganz besonderen Stellenwert. Drei Tage brauchte die „Miethskutsche“ durch Sand- und Heidewege.
Das Gespräch fand statt, doch die Redakteure der „Weser-Zeitung“ waren keinesfalls in allen Punkten mit Theodor einig. Seine politischen Ziele gingen über das hinaus, was eine Tageszeitung sich seinerzeit in Bremen leisten konnte. Man einigte sich auf eine befristete Mitarbeit, zunächst für ein halbes Jahr. Der Vertrag sollte sofort in Kraft treten.
Doch dann traf Theodor Althaus das Missgeschick gleich in zweierlei Weise. Er wurde ernsthaft krank und war monatelang nicht arbeits- und noch weniger reisefähig. Und noch schlimmer war, dass die „Rheinfahrt“ vom Oberzensurgericht Preußen verboten wurde. Schünemann wurde aufgefordert, die Vertreibung der Schrift sofort zu stoppen, andernfalls werden Sanktionen folgen. Eine schriftliche Eingabe des Verfassers an den preußischen Innenminister blieb trotz glänzender Argumentation ohne Erfolg.
Unter diesen Umständen distanzierte sich Schünemann, um weiteren Schwierigkeiten mit den preußischen Behörden aus dem Weg zu gehen. Man verschob das Inkrafttreten des Vertrages bis auf Weiteres. 

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Dienstag, 9. Oktober 2012

Literarische Abende bei von Meysenbugs

Leseprobe aus: Renate Hupfeld, Theodor Althaus (1822 - 1852) - Revolutionär in Deutschland

Dennoch wurde zu weiteren Salonabenden in das Meysenbug’sche Palais eingeladen. Der Akzent lag auf literarischen Themen, z.B. Goethes „Faust“ und die „Albigenser“ von Nikolaus Lenau. Doch diese Zusammenkünfte wurden zunehmend schwieriger für Malwida und Theodor, zumal sie sich nie zu zweit aussprechen konnten, sondern immer in Gesellschaft waren. Misstöne gab es vor allem zwischen Theodor und Malwidas jüngerer Schwester. In einem Brief entschuldigte er sich für seine Unliebenswürdigkeit gegenüber Laura am Abend zuvor:
„Wenn man einen ganzen Abend zusammen ist, und an das sich Gehen lassen gewöhnt, wie ich, so kann es nicht fehlen, daß die Stimmungen wechseln. Und bei mir, daß ich gerade in solche gerathe, wo ich nicht in Ihren Kreis passe. Wenn man zu zweien ist, ists eine andere Sache; …“
Überdeutlich wurde hier, wie unwohl Althaus sich im Salon der von Meysenbugs fühlte, er gehörte nicht dazu und wollte es wohl auch gar nicht. Nur Malwida zuliebe ließ er sich darauf ein, denn er liebte sie trotz allem und die Übereinstimmung seiner Ansichten mit ihren, vor allem in philosophisch-religiösen Fragen, war für ihn ein Gewinn, sogar in zunehmendem Maße, denn je mehr er sich in der Residenz isolierte, desto wichtiger war die Anbindung an die Freundin, die trotz des kalten Gegenwinds treu zu ihm hielt. Er vertraute darauf, dass die Liebe stärker war als der gesellschaftliche Druck. So schrieb er im selben Brief:
„Eins haben Sie aber wenigstens sicher bei meiner – ich möchte fast sagen lieblosen Art – daß Sie mich jedes Mal so haben, wie ich bin und nicht wie ich mich machen könnte. Es ist das freilich ein schlechter Trost, da ich Ihnen mit dieser Art weh thun mußte – aber ich glaube es ist dennoch immer für Sie. – Sie denken zu gut von mir, Sie haben mich zu lieb. Wir beide wissen, was diese Liebe Edles in mir gemacht hat, aber ich habe mich auch von ihr verwöhnen lassen. Wir vertrauen aber auch beide, daß wir irgendwie die Harmonie wieder finden werden, einerlei in welcher Art.“

Resignieren war ohnehin nicht seine Sache. Von der Ressourcenmisere ließ er sich nicht einschüchtern und gründete zusammen mit dem gleichaltrigen Theologen Carl Volkhausen einen Leseverein, in dem Bücher und Broschüren angeschafft und zu einem geringen Beitrag in Detmold und vielen anderen lippischen Orten verbreitet wurden. Natürlich legten die Gründer Wert auf Texte progressiven Inhalts zu Politik, Religion und Gesellschaft wie die von Feuerbach und Strauß, die in Publikationen das derzeit gelebte Christentum kritisiert hatten, sowie Georg Herwegh und Johann Jacoby, die sich mit allen Mitteln für ein demokratisches Deutschland einsetzten. Zu den Mitgliedern des neuen Lesevereins gehörten Beamte,  Ärzte, Advokaten, Kaufleute und Gutsbesitzer. 


E-Book und Taschenbuch: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland