fotografiert in der Ausstellung "roads not taken" im DHM Berlin |
Endlich kam der
Tag, an dem die Zeitungen über die Vollendung des Werkes berichten konnten, zu
dem die Nationalversammlung elf Monate zuvor berufen war. Am 28. März 1849
wurde nach monatelangen Debatten und Abstimmungen die Verfassung des deutschen Reiches verkündet. Angesichts des enormen
Drucks auf die vom Volke gewählten Vertreter im Frankfurter Parlament, heftiger
Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Versammlung, monarchischer
Machtdemonstration und Verzögerungsspielchen erschien es fast schon wie ein
Wunder, dass es in Frankfurt gelang, das Ziel zu erreichen. Doch es war kein
Wunder, sondern starker Wille und enorme Einsatzbereitschaft von Verfechtern
eines demokratischen Deutschlands, übermenschliches Engagement einzelner
Politiker gepaart mit taktischem Geschick und harte Arbeit an Inhalten und
Texten. Voller Respekt vor dem Abschluss dieser immer wieder durch Störungen
verzögerten Parlamentsarbeit zeigte sich Althaus hochzufrieden mit dem
Kompromiss zwischen den Befürwortern der Fürstenmacht und den anderen, im
Artikel am 30. März 1849 wir genannt,
die im ersten deutschen demokratisch entstandenen Verfassungswerk das Prinzip
der Volkssouveränität in den Werten Vaterland,
Einheit und Freiheit bestens angelegt sahen.
Vorgesehen war ein Vaterland als Bundesstaat mit
einem Parlament, einem Heer und einer Vertretung nach außen. In das sogenannte
Volkshaus würden die Vertreter aus dem Volke gewählt. Alle Männer über 25
Jahre, selbst der ärmste Sohn des Volkes,
dürften an die Wahlurne. Im Staatenhaus würden die Belange und Interessen
der einzelnen Länder durch deren Deputierte vertreten. Um partikularistischen
Tendenzen vorzubeugen, sollte das Heer auf die Reichsverfassung vereidigt
werden und an der Spitze des deutschen Reiches sollte ein von der Versammlung
gewählter erblicher Monarch stehen, mit einem Vetorecht, jedoch keinem
absoluten, sondern nur einem aufschiebenden.
Das Frankfurter Parlament hatte seine Sache wirklich
gut gemacht und war am Ziel angekommen. Jedoch durfte man nicht verkennen, dass
die Reichsverfassung noch nicht ins Leben
eingeführt war, schrieb Althaus und weiter: … jetzt hängt es von der Weisheit der Reichsversammlung ab […] sie darf
für die Macht, die ihr fehlt, nicht den Preis des Rechts, der Freiheit und der
Verfassung zahlen, sondern sie muß für die Krone den Preis der Anerkennung
dieser Verfassung fordern.
Auch für die Krone hatten die Männer von Frankfurt
alles vorbereitet. Begleitet vom Glockengeläute im Turm der Frankfurter Paulskirche
und anschließendem Kanonendonner in der ganzen Stadt, war das Ergebnis der Wahl
des Reichsoberhauptes bekannt gegeben worden. Die Versammlung hatte den
preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum Kaiser
der Deutschen gewählt. Der
Gewählte musste jetzt nur noch die Wahl annehmen. Eine Delegation von 32
Mitgliedern machte sich einige Tage später auf den Weg von Frankfurt nach
Berlin, um König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone anzutragen. Man hoffte,
der erwählte Monarch würde seine seit Wochen geäußerten Vorbehalte gegen eine
Krone aus der Hand von Volksvertretern ablegen und sich an seine Versprechungen
halten, die deutsche Sache zu schützen und zu unterstützen.
In verschiedenen Städten machten die Männer Station.
Die Menschen reagierten einerseits enthusiastisch, andererseits jedoch auch mit
großer Zurückhaltung. Althaus gehörte zu den Skeptikern. Nicht einmal die Rede
des inzwischen knapp achtzigjährigen Ernst Moritz Arndt vom Balkon des
Hannoveraner Hotels war ihm einen Kommentar wert. Ins Detmolder Elternhaus berichtete
er am 2. April: Die Kaiserdeputation war
schon vorgestern Abend hier. Ich hatte nicht viel damit zu schaffen, mich
drückt diese ganze Atmosphäre […]. Ihr werdet mich in der Zeitung etwas stumm
finden. Was sollte ich auch schreiben? Mir ist alles verächtlich in diesen
Tagen, außer Schweigen oder Handeln. Schweigen konnte er nicht zu dem
Geschehen, das sich am 3. April 1849 im Berliner Schloss abspielte. Man hatte
auf die Hochherzigkeit des Königs vertraut und darauf, dass er in diesem großen
Moment der deutschen Politik nicht schwanken und die nationale Sache
entscheidend mittragen würde, zumal man sicher sein konnte, dass breite
Bevölkerungsschichten hinter der demokratischen Verfassung standen.
Friedrich Wilhelm IV. von Gottes Gnaden empfing die Delegation
im Berliner Schloss mit allen Ehren, ließ sich ihr Anliegen vortragen und
lehnte die Kaiserkrone aus den Händen von gewählten Vertretern des deutschen
Volkes ab.
Wer sollte das verstehen? Leseprobe aus:
Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland
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