Dienstag, 18. März 2014

Auf seinen Spuren


Nach drei Stunden Fahrt mit dem ICE 545 und einem Café Mokka im Berliner Hauptbahnhof überquerte ich die Spree, streifte den Bundestag, den mit schwarzrotgoldener Fahne geschmückten Reichstag und ging den Parkweg zum Platz vor dem Brandenburger Tor. Platz des 18. März heißt er inzwischen und genau dieser 18. März war der Grund, warum ich vor dem Schild stand. Gemeinsam mit Frauen und Männern einer Initiative wollte ich mich daran erinnern, warum ich dieses Datum für den wahren Tag der deutschen Einheit halte.
Vor 165 Jahren, am 18. März 1848,  befanden sich hier und im gesamten Bereich östlich des Brandenburger Tores Barrikaden. In unbeschreiblichem Aufruhr waren sie aufgebaut worden. Heftigster Tumult herrschte in der Stadt. Die Soldaten sollten verschwinden, forderte das Volk. Alle kämpften mit, Männer, Frauen, Kinder, Greise, Arbeiter und Apotheker. Alle waren sich einig in ihrer Empörung über des Königs Militärdespotie und Ignoranz. Was war geschehen? Wenige Kilometer von hier auf dem Schlossplatz wollte Friedrich Wilhelm IV. seine Untertanen beruhigen, doch stattdessen fielen Schüsse. In dem Moment ging der Sturm los, wurde zum Orkan und war nicht mehr aufzuhalten, die ganze Nacht hindurch, bis in der Stadt kein einziger Soldat mehr zu sehen war. Hatte das Volk über Monarchenwillkür gesiegt?
Theodor Althaus war als Korrespondent der Bremer Weser-Zeitung in die preußische Hauptstadt geeilt, stand in der Menge, als der König einlenkte, mit schwarzrotgoldener Binde durch die Straßen ritt und vor Studenten der Berliner Universität die Parole Preußen geht fortan in Deutschland auf verkündete. Auch am folgenden Tag war er Augenzeuge, als der Monarch sich barhäuptig vor den gefallenen Revolutionären verneigte und im langen Trauerzug folgte er den 183 Särgen zur Bestattung auf dem Hügel in Friedrichshain.
Tief erschüttert von den schrecklichen Folgen der blutigen Barrikadennacht und als hätte er sein eigenes Dilemma voraus geahnt, berichtete er in einem bewegenden Leitartikel in der Weser-Zeitung am 22. März 1848: Die giftige Saat, die Untergrabung alles Vertrauens, das schwankende Spielen zwischen der persönlichen Willkür und den gerechtesten Forderungen des Volkes, die Demoralisation der höchsten Staatsgewalten, welche sich durch den Schein und die Heuchelei eine erträumte Macht zu sichern wähnten, ist nun so blutig aufgegangen, schrieb er und kam zu dem Fazit: Deutschland wird den achtzehnten März dieses Jahres nie vergessen.
Diesen Satz hatte ich im Kopf, als ich am 18. März 2013 vor dem Brandenburger Tor stand. Und was ist mit  dem jungen Verfasser? Wer erinnert sich heute an Theodor Althaus aus Detmold? Er war einer der ehrlichsten und unermüdlichsten Kämpfer für deutsche Einheit und Demokratie. Mir begegnete er bei der Konfrontation mit der Frage: Wie sah es im Deutschland zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus, wenn so viele Menschen ihr Heimatland verließen? So entdeckte ich vor einigen Jahren die Schriftstellerin Malwida von Meysenbug, in deren Memoiren einer Idealistin mich besonders ihr Detmolder Freund berührte. Wer war dieser junge Mann, der für seine Überzeugungen alles gab und nicht einmal dreißig Jahre alt wurde? Ich begab mich auf Spurensuche an den Orten seines Wirkens, in Archiven, Museen und Bibliotheken und bekam Einblicke in ein Leben, das geprägt war von einem wunderbaren Elternhaus, herausragender Begabung, interessanten Begegnungen und dem Kampf um eine gerechte Welt, den Theodor Althaus als Theologe, Schriftsteller und Journalist mit den Mitteln des gesprochenen und geschriebenen Wortes beharrlich führte. Er hat es verdient, dass seine Lebensgeschichte erzählt wird.

Vorwort aus:



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