In der Frühe eines
Oktobermorgens des Jahres 1840 stand der älteste Sohn der Familie Althaus im
Wohnzimmer mit Ranzen und Wanderstock, umgeben von Vater, Mutter, Schwestern
und Brüdern, bereit zum Abschied aus dem Elternhaus. Knapp achtzehnjährig hatte
er am Detmolder Gymnasium einen ausgezeichneten Abiturabschluss erreicht und
somit beste Voraussetzungen für ein Studium. Voller Neugier auf die Welt
stiefelte er zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Freund Rudolf Cruel aus dem
lippischen Schöttmar los in Richtung Paderborn, von wo aus ihn eine Postkutsche
an den Rhein brachte. An der Bonner Universität wollte er Theologie studieren.
Warum
wählte ein Abiturient aus dem Fürstentum Lippe ausgerechnet Bonn als
Studienort? Nun, es hatte sich wohl bis in alle Regionen des Deutschen Bundes
herumgesprochen, dass gerade dort in jenem Herbst ein besonders frischer
politischer Wind wehte. Das hatte mit dem Beginn der Amtszeit von König Friedrich
Wilhelm IV. in Preußen zu tun. Eine seiner ersten Regierungshandlungen war eine
teilweise Aufhebung der Karlbader Beschlüsse, was als Initialzeichen zum
nationalen Aufbruch gesehen wurde. Für die Universitätsstadt am Rhein bedeutete
das die Rückkehr von Professor Ernst Moritz Arndt, der nun nach zwanzig Jahren
Berufsverbot wegen demagogischer Umtriebe
rehabilitiert und sogar Rektor der Bonner Friedrich-Wilhelms-Universität wurde.
Ein weiterer Impuls für die Hoffnung auf ein
einheitliches Deutschland war der Rücktritt des kriegswilligen französischen
Außenministers Adolphe Thiers, der ein Ende der Auseinandersetzungen mit
Frankreich um den freien deutschen Rhein bedeutete. Nein, sie sollten ihn nicht
haben. Zu dem Zeitpunkt war Theodor Althaus bereits in Bonn angekommen und es
war etwas ganz Besonderes, eine so wichtige politische Neuigkeit eher zu
erfahren als die Eltern und Geschwister zu Hause. Da konnte er doch gleich am
26. Oktober 1840, seinem achtzehnten Geburtstag, die brandaktuelle Nachricht
nach Detmold senden. Und es war auch etwas Besonderes, bei der Einschreibung
vom gerade rehabilitierten Rektor der Universität persönlich begrüßt zu werden.
Am 4. November 1840 berichtete er seinem Vater über
die Immatrikulation und seine ersten Eindrücke von den Lehrveranstaltungen.
Nicht alle entsprachen den hohen Erwartungen des Studienanfängers. So
beschwerte er sich über die beiden Vertreter der theologischen Fakultät:
Die ganze Zeit, seit ich hier gewesen bin,
habe ich nur von Mittwoch bis jetzt die Synopse und die Psalmen bei Bleek hören
können (fünf Stunden jede), und leider hat er keinen günstigen Eindruck auf
mich gemacht. Einestheils ist sein Vortrag unter aller Kritik eintönig und
unverständlich, sodann hat er die Kunst erfunden, jedes Mal in der folgenden
Stunde noch langweiliger als in der vorhergehenden zu sein.
[…]
Zu
N i t z s c h bin ich vier- oder fünfmal in
die Dogmatik und praktische Theologie hospitiren gegangen. Er ist eben so
klein, aber nicht ganz so dick als Bleek; sein Gesicht
ist auch nicht so dumm, wie jenes, sein Vortrag nicht so eintönig; dennoch hat
er mir nicht gefallen. Man sieht ihm an und hört ihm an, daß er ein tiefer
Denker ist; aber er hat in seinem Vortrage etwas Affectirtes (z.B. beginnt er
in einem großen Auditorium so leise, daß ich, nur sechs Fuß von ihm, ihn bei
völliger Stille nie verstehen kann) und in seinem ganzen Wesen etwas Anmaßendes
und Absprechendes; und – so tief er denken mag, er kann es nicht klar machen.
Er hüllt sich, um seine Meinung nicht gerade heraus sagen zu müssen, in einen
Mantel von philosophischen und gelehrten Kunstausdrücken ein und scheint, wenn
er von ‚dem Unsinn einer populären Dogmatik’ spricht, nicht an den Unterschied
zwischen populärer und klarer Darstellung zu denken […]
Leseprobe aus:
Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland (Kindle)
Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland (Beam)
Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland (Kindle)
Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland (Beam)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen