Unerwartet
flatterte plötzlich wieder ein Angebot in die elterliche Wohnstube. Wieder kam
es aus Bremen, doch diesmal war es die Bremer
Zeitung, die nach ihm verlangte. Der leitende Redakteur Karl Theodor Andree
machte Althaus den Vorschlag, für die Bremer
Zeitung über die Frankfurter Nationalversammlung zu berichten. Da gab es
nichts zu überlegen. Auf nach Frankfurt!
Welche Gefühle und Gedanken mussten ihn bewegt
haben, als er in der Stadt ankam, in der seit Wochen die politische Musik
spielte, gerade rechtzeitig, um am 18. Mai 1848 dabei zu sein, als 400
Abgeordnete der verfassunggebenden Nationalversammlung bei Kirchengeläute und
Kanonendonner, umsäumt von schwarz-rot-goldenen Fahnen, Girlanden und Parolen,
zwischen dem Jubelspalier von Tausenden vom Kaisersaal zur Paulskirche zogen?
Und was mag in ihm vorgegangen sein, als er seine Mitstreiter aus Leipzig,
Robert Blum, Georg Günther, Moritz Hartmann und Arnold Ruge in der Menge der
Gewählten entdeckte? Er war einer der vielen Zuschauer auf der Tribüne des
eigens für den Zweck umgestalteten runden Kirchenraumes, mit deutschen Farben
geschmückt und dem Bild der Germania hoch oben thronend über Sitzreihen, Podium
und Galerie. Trotz wilder Debatten einigte man sich in dieser ersten
Versammlung auf den vorübergehenden Alterspräsidenten Lang aus Hannover und auf
den Termin für die nächste Sitzung des Parlamentes.
Am 19. Mai 1848 wurde der neunundvierzigjährige
Heinrich von Gagern mit überragender Mehrheit zum Präsidenten der
Nationalversammlung gewählt. Als ehemaliger Burschenschaftler, Mitglied des
Hallgartenkreises und seit der Märzrevolution Ministerpräsident von
Hessen-Darmstadt genoss er Respekt und großes Vertrauen durch alle
Gruppierungen. Man traute ihm zu, dieses schwierige Amt zu meistern. Weder
fehlte es ihm an Fachkompetenz und Glaubwürdigkeit, noch an Selbstbewusstsein
und persönlicher Ausstrahlung. Seine Antrittsrede mit dem Versprechen, eine
Verfassung für Deutschland auf der Grundlage der Souveränität der Nation zu
schaffen, wurde mit heftigem Beifall von Versammlung und Publikum aufgenommen.
Am 31. Mai wurde Gagern mit einem Fackelzug vor dem Mumm’schen Haus geehrt.
Darüber berichtete Korrespondent Althaus nach Bremen. Es gebe auch kritische
Stimmen, doch sei es Gagerns Glaube und Hoffnung, dass man mit ihm schöne Zeiten
erleben werde. Er sei ein Mann des Volks,
las man am 5. Juni 1848 in der Bremer
Zeitung.
Nach den Beobachtungen in den ersten zwei Wochen des
Frankfurter Politgeschehens war dem Visionär aus der Detmolder Dichterstube
mehr denn je klar geworden, wie verworren die politische Situation war und wie
schwierig es werden würde, einen Konsens für ein deutsches Staatsgebilde zu
finden. Gab es doch so viele verschiedene Bedürfnisse und Interessen, so viele
unterschiedliche Auslegungen von Begriffen, so viele unterschiedliche Erwartungen
und Vorstellungen. Ueberall Konfusion und
Gegeneinanderzücken von Parteiungen und provinziellen Sonderinteressen, sah
er in seinen Genrebildern aus Frankfurt,
die am 7. Juni 1848 auf der Titelseite der Bremer
Zeitung erschienen, Impressionen von sogenannten Klubversammlungen in der Sokrates-Loge, im Hof von Holland,
Deutschen Haus und im Weidenbusch.
Wie sollte man das Werk auf die Füße stellen, so
dass es stehen bleibe und auch gehen könne, fragte er sich und seine Leser.
Nach seiner Meinung gab es unter den Abgeordneten zu viele, die Konfrontation
anstatt Ausgleich suchten und denen Profilierung um jeden Preis wichtiger war
als das gemeinsame Ziel. Und es gab zu wenige Männer, die aufgrund ihrer
Begabung, sachlicher Herangehensweise und persönlicher Ausstrahlung Respekt und
Sympathie gewannen. Zu Letzteren gehörte unbedingt Julius Fröbel. Im Juni gab
es ein herzliches Wiedersehen mit dem verehrten Freund aus Dresden. Nicht als
Mitglied der Nationalversammlung war Fröbel in Frankfurt, sondern als
Deputierter des ersten Demokratenkongresses, der am 14. Juni 1848 im Deutschen Hof begann. Fröbel redete so
glaubwürdig und überzeugend, dass er mit großer Mehrheit zum Präsidenten des
demokratischen Vereins gewählt wurde. Die Arbeit am Programm machte er
hervorragend, so dass man auch über die Vereinsmitglieder hinaus auf ihn
aufmerksam wurde. Bald war er für kurze, doch sachgerechte Diskussionen mit
schnellen und guten Ergebnissen bekannt. Voller Bewunderung für diesen integren
Mann verfolgte Althaus die Veranstaltung.
Leseprobe aus:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen