Theodor war
zuversichtlich, als er am Freitag, dem 22. Dezember 1848 das großzügig
angelegte Bahnhofsgebäude von Hannover verließ und ein Zimmer im nahe gelegenen
Hotel Royal bezog. So wenige Abschiedsbesuche wie in Bremen hatte er in keiner
Stadt vorher gemacht. Er hoffte sehr, die Menschen in dieser Stadt weniger
zugeknöpft vorzufinden. Weil er wusste, dass sich seine Mutter nach den Bremer
Rückschlägen um ihn sorgte, schrieb er ihr gleich einen Brief, in dem er sich
einerseits optimistisch gab, ihr andererseits jedoch ankündigte, dass er
weiterhin in seinen Leitartikeln schreiben müsse, was er denke, schon allein
angesichts der reaktionären Entwicklungen in Österreich und Preußen, die er
sarkastisch sanfte preußisch-österreichische
Sonnenwärme nannte und die eine Rückkehr monarchischer Strukturen
befürchten ließen.
Nach einem winterlichen Rundgang vorbei an
Bauernhäusern in den Randbereichen, Militärgebäuden am Waterloo Platz,
Fabrikanlagen und durch Bereiche mit aristokratischen Prachtbauten fand er den
Weg zum Druck- und Verlagshaus der Gebrüder Jänecke in der Osterstraße. Dort
sollte seine Zeitung verlegt und gedruckt werden. In dem einundzwanzigjährigen
Georg, dem Sohn von Christian Jänecke, hatte er einen Ansprechpartner, der die
Revolution in Wien erlebt hatte und politisch in die gleiche Richtung dachte
wie er. Im Übrigen waren die Jäneckes überaus innovationsfreudige und
grundsolide Unternehmer, die mit gutem Geschäftssinn für Verbesserungen und
Erweiterungen in die Zukunft planten. Um das Verlegen einer Tageszeitung hatten
sie sich bei den hannoverschen Ämtern seit Jahren vergeblich bemüht. Nach
Erlangen der Pressefreiheit im März 1848 konnten sie das Projekt nun endlich
angehen. So kamen ihnen die geschäftlichen Probleme des Heyse’schen Verlages
sogar gelegen. In ihrem Hause sollte die „Bremer Zeitung“ weitergeführt werden
und ab 1. Januar 1849 als „Zeitung für Norddeutschland“ erscheinen. Theodor
Althaus wurde als leitender Redakteur mit seinen Mitarbeitern übernommen.
Nach
der ersten Orientierung im neuen Wirkungskreis begann er schon bald, in den
entsprechenden Stellen erste Kontakte zu knüpfen und sich als neuer Redakteur
in Hannover vorzustellen. Einer seiner ersten Besuche galt Innenminister Stüve
aus Osnabrück, der nach den Märzereignissen das Ministerium übernommen hatte. Der Empfang war alles andere als freundlich.
Stüve schien das Erscheinen einer neuen Tageszeitung in der Hauptstadt des
Königreichs Hannover nicht sonderlich zu interessieren. Jedenfalls gab er sich
anderweitig beschäftigt und war äußerst abweisend. Der tiefere Grund dafür
waren seine Vorbehalte gegenüber dem engagierten Zeitungsmann. Stüves
Bemerkung, die Redakteure der Bremer
Zeitung hätten den norddeutschen
Charakter auf die Probe gestellt, wies darauf hin, dass er über die
Vorgänge in Bremen informiert war. Er
selbst hatte nach der Übernahme des Amtes im Märzministerium einen Rechtsruck
gemacht und vermittelte den Eindruck, als sei es ihm am liebsten, wenn das
bestehende System beibehalten würde. In seiner gewohnten Art, kein Blatt vor
den Mund zu nehmen, scheute Althaus nicht davor zurück, das brisante Thema
Reichsverfassung direkt anzusprechen. Stüve wehrte das Gespräch ab. Der
fünfzigjährige Minister des Königreichs Hannover und der ungestüme Redakteur
der Zeitung für Norddeutschland brachten
es nicht fertig, sich sachlich auseinanderzusetzen. Es klang zugleich trotzig
und zynisch, wenn Theodor seiner Schwester versicherte: Ich bin für mein Theil sehr zufrieden, denn ich habe Alles, was ich
erwarten konnte: ihn nämlich kennen gelernt und einigen Stoff für meine
Combinationen.
Nachdem er in die unmittelbare Nachbarschaft des
Druckhauses in die Osterstraße Nr. 89 umgezogen war, ging die Zeitungsarbeit
erst richtig los. Bis zum Erscheinen der ersten Ausgabe war noch jede Menge
vorzubereiten und nicht alle technischen und organisatorischen Gegebenheiten in
Druckerei und Büro waren fertig gestellt. Letzteres war vorerst nur
provisorisch eingerichtet und außerdem ungemütlich kalt, was der
vorweihnachtlichen Stimmung nicht gerade zuträglich war.
Nach dem Weihnachtsfest mit morgendlichem Besuch der
Wohlbrücks und der Setzer sowie einem nachmittäglichen seinerseits bei den
Jäneckes war dann am letzten Tag des Jahres 1848 das zukunftsweisende neue
Projekt startfertig. Die erste Ausgabe der Zeitung
für Norddeutschland ging in den Druck. Doch genau an dem Tage erreichte
Theodor Althaus die Nachricht von der plötzlich aufgetretenen schweren
Erkrankung seiner Mutter. So erschütternd diese Botschaft auch war, so konnte
er doch nicht alles liegen lassen und Knall auf Fall nach Detmold fahren.
Es kam noch schlimmer. Zwei Tage später erfuhr er,
dass seine liebste kleine Mama gestorben war. Das war ein Schlag, der ihm fast
das Herz brach. Mit äußerster Beherrschung und Mühe machte er noch einen
Leitartikel druckfertig und fuhr die ganze Nacht hindurch, um morgens bei der
Beerdigung dabei zu sein.
Leseprobe aus:
Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland (Taschenbuch)
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