Leitartikel von Theodor Althaus in der von ihm redigierten "Bremer Zeitung" vom 14. November 1848 zum Tode von Robert Blum:
R o b e r t B l u m.
* Die Männer, die das Volk zu
Wortführern und Kämpfern … seine Freiheit und des Vaterlandes Ehre gewählt,
sind das …. Ziel der feindlichen Macht. In Frankfurt sind sie im Verhör, … in Berlin ist ihre Versammlung des
Hochverraths angeklagt, in Wien ist Robert Blum, der Führer und der Abgesandte
der Partei, der das Vertrauen des Volkes hat, standrechtlich verurtheilt,
erschossen. Nach dem Flügelschlag der Revolution vom Süden bis zum Norden, schließt
der Belagerungszustand einen Heerd der ….heit nach dem andern ein, und dieser
letzte erschütternde Schlag ist das Aeußerste der Rechtlosigkeit, der
Niederlagen, von denen wir in unaufhaltsamer Folge gebeugt sind. Wer noch nicht
glauben wollte, daß um Tod und Leben in diesen Tagen gerungen wird, den werden
die Schüsse aus der Brigittenau durchbeben, daß er ….: Es wird Ernst, der
fürchterliche Ernst der Contrerevolution! Und wenn die Freiheit jetzt
u n t e r l i e g t, so
wird sie auch in den Staub z e r t r e t e n werden!
Sie unterliegt nicht! wir sind
nur in einer sinkenden Welle in dem wogenden Meerstrom des Jahrhunderts, und
die nächste wird gewaltiger steigen als die ersten. Die Brust senkt sich einen
Moment, aber der Athem der Revolution ist nicht erstickt u n d sie rudert die neuen Lasten um so wilder ab,
je unerträglicher sie aufgebürdet wurden.
Sie schafft sich ihre Männer
selbst, und in diesem unerschütterlichen Glauben wird Robert Blum mit festem
Blick seine Brust den …..geln geboten haben; vielleicht mit dem letzten
Gedanken an die Worte seines Gefährten Julius Fröbel, unseres edlen Freundes,
um dessen Schicksal wir noch in Sorge schweben, - an die Worte:
Die
Freiheit ist des Blutes werth,
Und
fällt für sie ein starkes Haupt, so richten
Begeistert
neue Häupter sich empor! –
Nur einen Moment haben wir, ihm
nachzublicken; einen Moment, in dem noch Keiner weiß, ob er den Gefallenen
beklagen oder glücklich preisen soll, die Tage der nächsten Zukunft nicht mehr
gesehen zu haben.
Vor einem Jahr in diesen
Novembertagen sahen wir ihn auf dem Fest des deutschen Freiheitsdichters, das
Leipzig feiert, das er mitbegründet hat. Wie viele sind, die ihn von Ministern
und Kammern, von Reaction und Revolution reden gehört! Und Andere verstanden
das so gut wie er. Aber wer vergisst dieses Fest, wo er draußen im niedrigen
Saal zu den Bauerkindern sprach, wo er … der Schule und den Büchern in
einfachster Weise die jungen ….stellungen heraufleitete bis zur Ordnung in der
Gemeinde, bis zum Gesetz im Staat, zur Freiheit und Liebe im Vaterland; wie
samt der inneren Lust, die stets sein Reden und Wirken begleitete, die Keime
des Hohen und Edlen, die unser Dichter und Prophet hier ausgestreut, hier jedes
Jahr von neuem den Kindern des Volks in die Herzen legte! Die unermüdete Treue,
mit der er im kleinsten Kreise wirkte, wie er ja auch gedient und gearbeitet
hatte von unten auf, wird sein bleibender Ruhm sein; aber wer ihn nicht kannte
– und sehr wenige haben ihn ganz gekannt – ahnte weder in diesen gemüthlichen
Reden, noch in der Ruhe, die er im …. Leben stets bewahrte, die gewaltigen
Leidenschaften, die seine Seele gebändigt hatte.
Von ihnen war sein Inneres
stärker als je bewegt in jener Märznacht, nach den Tagen von Berlin, als in
einem engen Kreise der politischen Freunde der Feldzugsplan zum Vorparlament
berathen wurde. Die kleine Gesellschaft war bei ihm versammelt; manche von
weiter her eben angekommen; die Erregtheit stieg, der revolutionäre Ungestüm
brach aus den Tiefen hervor und in den …igen Forderungen und Entgegnungen verlor
sich die Debatte mehr als einmal aus ihren Gränzen und stürmte über ihren Zweck
hinaus. Es verstand sich von selbst, daß Blum präsidirte; er war es, der jedesmal
im rechten Moment die Zügel ergriff, das Hauptziel ins Auge faßte und frisch
blieb bis zuletzt, als seine Rede wie …te
eines Feldherrn klang, und seine junge Schwester, die neben seinem Stuhle
stand, so stolz auf ihren Bruder sah!
Die Zeiten hatten sich erfüllt; Blum
war der Führer der Linken in der Nationalversammlung geworden. Noch waren die
Spaltungen nicht so unversöhnlich weit wie jetzt gerissen, die Hoffnungen noch
stark, das Vertrauen größer, der Haß ungewisser, und mit neuem Muth sah die
große Mehrzahl der neuen Macht, der Centralgewalt entgegen. Damals war Blum fast
der Einzige, der unbeirrt von dem Lächeln und Schweigen der „ehrlichen
Freiheitsfreunde“, den Charakter der neuen Macht erkannte und sich nicht
scheute, seine Rede leidenschaftlich zu enden: „Wollen Sie das Himmelsauge der
Freiheit brechen sehen und die alte Macht heraufführen:
s c h a f f e n Sie Ihre
D i c t a t u r!“
Damals wurde er verlacht wegen
der „Phrase.“ Vier Monat später, am Morgen des neunten November, hat er
vielleicht an sie zurückgedacht, einst als er, so oft von Tausenden begleitet
und begrüßt, nun allein, verlassen, preisgegeben, ohne Freunde, ohne Volk, in der
Brigittenau draußen vor Wien den letzten Gang gethan zwischen den czechischen
und polnischen Bajonetten! – Ein sehr naher Gedanke!
Oder ist nicht etwa die
Centralgewalt in der That zur Dictatur geworden? Ist nicht von
F r a n k f u r t der Belagerungszustand nach Wien gekommen,
und haben nicht die Minister der Centralgewalt in diesen Tagen aus vollem
Herzen das Lob des Standrechts und des Generals verkündigt, von denen über Blum
das Todesurtheil gesprochen wurde? Und erleben wir es nicht, daß in Berlin der
Hochverrath der Krone gegen das Volk „eine zweckmäßige Maßregel“ genannt wird
von dem Reichscommissar, den die Centralgewalt dahin gesandt?
Ist zwischen Olmütz und Potsdam, ist
zwischen Windischgrätz und Wrangel ein Unterschied?
Was kann Bassermann nach dieser
Erklärung anders, als in die Fußstapfen der wiener Commissare treten, die
einzig noch zu sorgen übrig hatten, „daß die Entscheidung nicht a l l z u b l u t i g werde“?!
Nein, es ist k e i n
U n t e r s c h i e d zwischen Wien und Berlin, es sind die Kämpfe
der Freiheit im
e i n i g e n
D e u t s c h l a n d,
ihre Niederlagen und ihre Siege zucken elektrisch durch das ganze Land.
Das fühlt das Volk, und das wird
ein Trost sein, denn aus diesem Bewußtsein werden Thaten und ein einiger
Aufschwung der Revolution hervorgehen. Wir bedürfen dieses Trostes, denn der
Schmerz über unsre Schmach ist zu groß. Einen Mann, von dem der Haß nicht
läugnen kann, daß er für Volk und Freiheit alle Kräfte aufgeboten, - einen von
den Vertretern der deutschen Nation haben sie gerichtet ohne Recht, haben ihn
erschossen und begraben ohne Sang und Klang, und ein trotziger Soldat
schleudert dem schützenden Gesetz der Nationalversammlung diesen Hohn entgegen,
während im Vaterlande der Mann, der für die Freiheit treu hinter seiner
Barrikade ausgehalten hat, von der hohen und niedern Pöbelpresse mit Schimpf
und Schande zu Grab geleitet ist. Erst höhnten ihn die Weisen als einen Mann
der vulgären Phrasen; dann fiel ihn das Gezücht seiner heimlichen und offenen Feinde
mit hämischen Verläumdungen an, verkündete mit Triumph: er sei feige entflohn;
und endlich, da sie ihm die Ehre des Muths und der Todesverachtung nicht rauben
konnten, suchten sie ihn wenigstens als Bluthund zu brandmarken; voran, wie
immer, das Organ der Centralgewalt, und der Chor hintendrein. –
J e t z t werden sie
heulen, denn sie f ü r c h t e n.
Wie Simson kann er in seinem fall die letzte gelobte „Säule des Staats“ mit
umreißen.
Denn wenn seine Freunde in
Frankfurt noch ihre Ehre waren und die Gesetze der Nationalversammlung nicht
verhöhnen lassen wollen, so müssen sie den zur Strafen ziehenm der sie verhöhnt
hat. „Wir werden es, er trage eine Blouse oder eine Krone“! jubelte einst das
ganze Parlament. Wohlan, auch jetzt denn, da er einen
F e l d h e r r n s t a b trägt!
Die Volkspartei muß
verlangen: d a ß W i n d i s c h g r ä t z, d e r a u f d e u t s c h e m B o d e n e i n e n d e u t s c h e n
V o l k s v e r t r e t e r
p o l i t i s c h
g e m o r d e t u n d a n
e i n e m
d e u t s c h e n
R e i c h s g e s e t z
d o p p e l t u n d
d r e i f a c h
g e f r e v e l t h a t, s o f o r t v o n s e i n e m
C o m m a n d o
e n t h o b e n u n d z u r
V e r a n t w o r t u n g u n d S t r a f e
g e z o g e n w i r d.
Windischgrätz aber ist die Säule
des Reichsministeriums, und die Nationalversammlung will das Reichsministerium
nicht fallen lassen?
Dann kann ein letzter Schritt
geschehen, und wenn die Angst und Muthlosigkeit jammernd fragt: was wollt Ihr
machen? – so wird die Antwort kommen, die jener Bursch hinter der Barrikade in
Frankfurt gab:
„Was wir machen wollen? E i n
P a r l a m e n t, d a s E h r e i m
L e i b
h a t!“
A u f f o r d e r u n g.
Robert Blum hinterläßt eine Frau
und mehrere unerwachsene Kinder. Mögen Alle, die in den Jahren des Druckes und
in den Tagen der Erhebung die freien und beredten Worte des Mannes gerühmt
haben, ihm jetzt die letzte Ehre erweisen, und durch die Sorge für seine
Familie ihm den Dank abstatten, den das Volk ihm schuldig ist.
Wir erklären uns zur Annahme und
Weiterbeförderung von Beiträgen bereit.
D i e
R e d a k t i o n d e r B r e m e r Z e i t u n g.
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