Freitag, 1. Juli 2016

Sommer 1848: Bremer Perspektiven



Ein deutscher Sommer umgab den erfolgreichen Journalisten Althaus, als er auf dem Oberdeck eines Eisenbahnwagens von Frankfurt nach Hanau fuhr. Ihm war, als wäre eine drückende Schwere von ihm gewichen. Das herrliche Land und die republicanischen Menschen, Alles kam mir so zweckmäßig, so menschlich, so interessant vor, nichts vergeblich oder unnöthig. Die Felder, die Aehren, jeder Pflug, jede Egge, jeder gebahnte Weg und alle Spuren der Menschenthätigkeit waren meinem Herzen und meinen Sinnen näher als zuvor. Alles hatte Sprache gewonnen – eine Heimath freier Bürger, ein Vaterland!, schwärmte er in seiner Erinnerung.
Dieses Gefühl der Leichtigkeit brachte er mit ins Elternhaus, wo er auf dem Weg nach Bremen einen Tag lang Station machte. Bei herrlichem Sommerwetter unternahm die Familie einen Ausflug durch Fichten- und Buchenwälder zum Forsthaus Hartröhren. Weil die Mutter das ganze Frühjahr hindurch krank gewesen und noch immer sehr schwach war, fuhr man mit dem Wagen und als der Weg zu Fuß steil bergauf ging, blieb Theodor neben ihr sitzen, behielt sie im Arm und erzählte von seinen Neuigkeiten und Plänen, bis die anderen zurückkamen. Sollte ihr Ältester nun endlich seinen Weg gefunden haben? Es sah gut aus.
Als er sich schließlich in Bremen am 5. Juli 1848 in seinem Zimmer in der kleinen Straße Contrescarpe nahe dem Herdentore eingerichtet hatte, blickte er aus dem Fenster zwischen den Kastanienbäumen über Wall und Stadtgraben hinweg und entdeckte den Turm von St. Ansgarii. Dort hatte Großvater Johann Heinrich Bernhard Dräseke im Jahre 1815 eine Predigerstelle angetreten und mit seiner Familie in der Nähe des Ansgariitores gewohnt, bis er im Jahre 1832 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. zum Bischof ernannt und Domprediger von Magdeburg wurde.  Außerdem war Dräseke Vorsitzender der Freimaurerloge Zum Ölzweig und Ehrenbürger der Stadt Bremen geworden. Der Enkel wohnte also nicht weit entfernt von der Kirche, in dem der Großvater gewirkt, und dem Hause, in dem der Vater Georg Friedrich Althaus bei einem Besuch des Predigers dessen älteste Tochter kennengelernt hatte, seine Mutter Julie Dräseke.
Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Theodor das Gefühl, eine Lebenssituation zu haben, in der er auf festem Boden frei und ohne Zensur leben und wirken konnte. Zum ersten Mal auch ging ihm der Gedanke an ein sweet home durch Kopf und Herz. Nach der Arbeit wanderte er zum Punkendeich, nahm sich einen Kahn, ruderte die Weser hinauf und badete im Fluss. Als leitender Redakteur einer überregionalen Tageszeitung hatte er eine berufliche Aufgabe, in der er sich verwirklichen konnte. Die politische Richtung der Bremer Zeitung, geprägt von dem erfahrenen Journalisten Karl Andree, stimmte mit seinen Vorstellungen von Volkssouveränität und Demokratie überein. Der Schwerpunkt lag auf den ganz Deutschland bewegenden aktuellen Entwicklungen zu einem deutschen Staatswesen mit parlamentarischen Strukturen. So war ihm das wichtigste Anliegen, in seinem Organ den Bemühungen der Abgeordneten in Frankfurt um Verwirklichung und Gestaltung der deutschen Nation eine Stimme zu geben. An seiner Seite hatte er in Dr. Wohlbrück einen hervorragenden Mitarbeiter, der weitgehend mit ihm konform ging und sich im Wesentlichen der auswärtigen Angelegenheiten annahm.
Nach den Entscheidungen für die provisorische Zentralgewalt, Reichsverweser und Reichsministerium wurde im Frankfurter Parlament in diesen ersten Julitagen des Jahres 1848 heftig über den kriegerischen Konflikt zwischen Deutschland und Dänemark um die Herzogtümer Schleswig und Holstein debattiert. Im Rahmen der nationalen Bestrebungen war die Frage der Zugehörigkeit dieser beiden nördlichen Gebiete in den Fokus geraten. Wegen komplizierter Erbfolge- und ungeklärter Verfassungsregelungen auf beiden Seiten war die Lage verworren. Preußen war in den umkämpften Regionen mit Truppen unter Friedrich von Wrangel präsent und hatte von der Bundesversammlung die Vollmacht erhalten, einen Waffenstillstand mit Dänemark anzustreben, was angesichts des stagnierenden deutschen See- und Küstenhandels nicht von der Hand zu weisen war. Allerdings hatte die Bundesversammlung ihre Befugnisse an die provisorische Zentralgewalt weitergegeben.
Althaus mag an Blums leidenschaftliche Junirede zu den Grenzen der provisorischen Zentralgewalt gedacht haben, als er schon bald nach Beginn seiner redigierenden Tätigkeit einen entschiedenen Standpunkt zu diesem geplanten Waffenstillstand einnahm. Im Leitartikel der Bremer Zeitung vom 8. Juli 1848 sprach er Preußen schlichtweg die Legitimation ab, Deutschland nach außen zu vertreten: Der Auftrag, den Preußen vom Bundestag empfangen hatte, ist erloschen mit der in Frankfurt beschlossenen Aufhebung des Bundestages. Nach dem neuen Gesetz über die Bundeszentralgewalt könne der Vertrag zwischen Deutschland und Dänemark nicht in Berlin, sondern nur in Frankfurt ratifiziert werden, und zwar vom Reichsverweser im Einverständnis mit der Nationalversammlung. Mit Rücksicht auf die in Bremen befürchteten Handelseinschränkungen hieß es am Schluss des Artikels besänftigend: Wir bedauern im Interesse des deutschen Handels diese neue Verzögerung; aber wir erinnern auch daran, dass die hier fortwährenden Störungen auf der andern Seite reich ersetzt werden durch das allen Verkehr beflügelnde innere Vertrauen, wenn im Einklang mit der großen Mehrheit der Nationalversammlung unsere neue Centralgewalt gleich mit ihrem ersten Schritt die laute und allgemeine Anerkennung sich  v e r d i e n t , die ihr bis jetzt nur in Erwartung und Hoffnung entgegenkommt.
In der Erwartung, die Zentralgewalt möge der Nationalversammlung und ihren Beschlüssen die Anerkennung verschaffen, die sie verdiente, wurde der sechsundfünfzigjährige Erzherzog Johann von Österreich am 11. Juli 1848 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Frankfurt empfangen, um das Amt des Reichsverwesers anzutreten und eine provisorische Zentralregierung zu bilden. Die Freude über dieses Ereignis schwappte in alle Regionen von Deutschland über, so auch nach Bremen in das Althaus’sche Tagebuch: Bei der Reichsverweserfeier war ich auf dem Kanonenboot. Bei der Illumination die ‚Bremer’ und die ‚Weserzeitung’, erstere schmeichelhaft kühn dargestellt.
Kühn musste der leitende Redakteur sich auch bei einem regionalen Zwischenspiel vorgekommen sein, als er eines Abends mit den Setzern seiner Zeitungsdruckerei ein Vermittlungsgespräch über deren Lohnforderungen und Androhung eines Streiks führte. Zumindest handelte er einen Kompromiss aus dahingehend, dass am Sonntag keine Zeitung mehr erscheinen sollte. Über finanzielle Forderungen musste der Druckereibesitzer, Prinzipale genannt, entscheiden. Dieser Ruhetag kam auch ihm selbst zugute, denn auf seinem Schreibtisch türmten sich Berge von Zeitungen und Manuskripten, sodass er kaum einmal dazu kam, private Kontakte zu pflegen. Einen Besuch bei Familie Wohlbrück erlebte er schon fast als Störung der Arbeitsabläufe. Und ein Treffen mit Adolph Stahr, der ihm nicht nur einen Artikel anbieten wollte, sondern auch noch seine Mährchen kritisierte, empfand er als ärgerliche Zumutung. Ja, das Arbeitspensum in der Redaktion war enorm. Er hatte dafür zu sorgen, dass täglich zwei Ausgaben seines Organs erschienen und diese Verantwortung brachte ihn oft bis an die Grenze der Belastbarkeit. Zudem nahm er die Dinge sehr genau und hätte am liebsten vom Korrekturlesen bis zum Setzen alles selbst gemacht. Der Schwester berichtete er am 26. August 1848 über den nachlässig arbeitenden Korrektor, den genervten Drucker, der auch noch krank wurde, und Wohlbrück, der sich auf Reisen befand, sodass er zu dem innenpolitischen auch noch den Bereich der auswärtigen Politik zu bearbeiten hatte. Da nahm ich gestern Nachmittag auch die englischen und französischen Zeitungen, und als ich nach Hause kam, besah ich mich im Spiegel. Heute Mittag um halb zwei, als es Alles fertig war, glaubte ich gerade so lange geträumt zu haben, und morgen werde ich beim Kaffee die Zeitung lesen, die ich heute gemacht habe, um doch auch zu wissen, was drin steht.
Zu diesen enormen Belastungen durch Aufrechterhaltung und Organisation des Betriebes der Bremer Zeitung beschäftigten ihn weiterhin und zuvörderst die Angelegenheiten, die auf der großen politischen Bühne gespielt wurden, derentwegen er ein Zeitungsmann geworden war. Aktuell war es die auf Drängen von Frankreich, Großbritannien und Russland unmittelbar bevorstehende Ratifizierung des Waffenstillstandsvertrages zwischen Preußen und Dänemark. Im Leitartikel Die schleswig-holsteinische Angelegenheit, der am 21. August 1848 mit dem Untertitel Rückblick und Resultate erschien, beklagte Althaus, wie schon einige Wochen zuvor, dass dieses ohne Einbeziehung des vom Volk gewählten Parlamentes und den von diesem gewählten Vertretern der deutschen Nation, also dem Reichsverweser im Einvernehmen mit der Nationalversammlung, verhandelt wurde. Gegenüber England, Frankreich und Russland, die sogar im Falle des Nichtzustandekommens des Waffenstillstandes mit militärischen Maßnahmen drohten, nahm Deutschland nicht die Stellung ein, die seiner wirklichen Macht entspräche. Blum hatte recht gehabt mit seinen Bedenken und der Forderung nach einem Vollziehungsausschuss. Um politische Ziele durchzusetzen, fehlten der provisorischen Zentralregierung jegliche Mittel. Die Ohnmacht nach innen und außen war offensichtlich. Wo stand Heinrich von Gagern, wo der Reichsverweser Johann von Österreich, wo der provisorische Ministerpräsident Karl zu Leiningen und sein Ministerium? Wo stand die deutsche Nation? Was nützten Gebietsgewinne, war doch in Althaus Formulierung erst einmal wichtig: … unsere Ehre ist der Respekt, den wir vor der Berechtigung  j e d e r  Nationaleinheit und Nationalunabhängigkeit beweisen; sei’s auch um den Preis, daß Deutschland nicht bis zur Königsau geht, und einige Abgeordnete der dänischen Bezirke die Paulskirche verlassen müssen.
Nach der erfolgten Ratifizierung des Vertrages am 26. August 1848 unter Vermittlung von Schweden in Malmö wurde das eigenmächtige Verhalten der preußischen Regierung sowohl in der deutschen Öffentlichkeit als auch in der Presse, den verschiedenen politischen Gruppen und der Nationalversammlung so heftig und kontrovers diskutiert, dass es am 5. September 1848 in der Paulskirche zur Abstimmung kam, bei der 238 Parlamentarier mit 221 Gegenstimmen den Waffenstillstand von Malmö in dieser Form ablehnten, was bedeutete, dass alle Maßnahmen zur Umsetzung gestoppt wurden. Daraufhin trat das Ministerium Leiningen zurück und Friedrich Christoph Dahlmann, der besonders leidenschaftlich für die Ablehnung plädiert hatte, wurde vom Reichsverweser Erzherzog Johann mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt. Preußen hat im Namen des Bundes  u n d  in seinem eignen den Waffenstillstand abgeschlossen, die Nationalversammlung hat seine Ausführung sistirt, und so muß  P r e u ß e n  b i e g e n  oder die  C e n t r a l g e w a l t  muß  b r e c h e n, resümierte Althaus am 8. September 1848 im Leitartikel Die Entscheidung. Im Namen des Bundes! Was hatte Blum prophezeit? Rückschritt in die Metternichära. Und Preußen als Vorreiter. Ja, Preußen müsste sich fügen und die parlamentarische Abstimmung gegen den Vertrag, für Einheit und Freiheit, akzeptieren. Sie war ein Sieg der Demokratie.
In den darauffolgenden Tagen erfuhr der leitende Redakteur der auflagenstarken Bremer Zeitung schmerzlich, wie wenig im Moment die Demokratie und die während der Märzrevolution erlangte Pressefreiheit wert waren. Nachdem er sich am 11. September 1848 von der Haltung Waffenstillstand zugunsten des Handels um jeden Preis deutlich distanzierte und sich klar hinter das Votum der Nationalversammlung stellte, gab es eine Vielzahl von Kündigungen der Abonnements. Für viele Bremer Bürger waren Handel und Gewerbe Größen, denen sich die Politik unterzuordnen hatte. Für Althaus hingegen hatten Einheit, Ehre und Freiheit des Vaterlandes oberste Priorität, auch um den Preis der Aufgabe von territorialen Zugewinnen an der Grenze zu Dänemark und Verzögerungen des Küsten- und Seehandels. Besonders das Letztere, Beeinträchtigungen des Seehandels, dürfte in Bremen für großen Unmut gesorgt haben.
Der Rückgang der Abonnenten brachte Althaus eine Menge Ärger mit dem Verleger, der sich in dem Zusammenhang auch um das Anzeigengeschäft sorgen musste. Er wollte diese bitteren Realitäten nicht so recht an sich heranlassen, wenn er am 13. September 1848 im Tagebuch notierte: Diese Gesichter des Himmelseinsturzes, wenn ein Abonnent gekündigt hat! Doch die Misstöne drückten schwer auf seine Stimmung: So in’s Blaue hineinzuschreiben, wenn Dein Leben von nirgendher Dir wieder entgegenkommt – so gar keine Frucht zu sehen, gar keine Genugthuung als die innere, zu der man keine Zeit hat, und die sich endlich auf das leere Gefühl der vollbrachten Arbeit beschränkt! Das ging vorbei. Hart werden und Ausharren, sagte er sich. Er würde daraus lernen.
Es vergingen nur ein paar Tage bis zur nächsten Härteprüfung. Im Frankfurter Parlament war mit dem Ablehnungsvotum keine Ruhe eingekehrt. Wie sollte es weitergehen? Wie konnte man die preußische Vorherrschaft stoppen? Wie sollte man den demokratischen Karren aus dem Sand bekommen? Hektisches Agieren bestimmte das politische Geschehen. Dahlmanns Bemühen um ein neues Reichsministerium schlug fehl und er gab den Auftrag zur Regierungsbildung an den Reichsverweser zurück. Weitere Diskussionen und Parlamentsdebatten führten zu Verschiebungen von Mehrheiten, sodass die Nationalversammlung in einer erneuten Abstimmung am 16. September 1848 den Waffenstillstandsvertrag schließlich doch akzeptierte und mit 257 gegen 236 Stimmen für die Ratifizierung zwischen Preußen und Dänemark votierte. Damit hatte das erste frei gewählte deutsche Parlament das Vertrauen seiner Wähler und das potentieller Verhandlungspartner verspielt. Außerdem hatte es sich selbst als politische Kraft matt gesetzt, indem es den Beschluss über die Errichtung der Zentralgewalt nicht umsetzte, obwohl Im Erlass vom 28. Juni 1848 der vierte Absatz lautete: Ueber Krieg und Frieden und über Verträge mit auswärtigen Mächten beschließt die Zentralgewalt im Einverständnisse mit der Nationalversammlung.
Theodor Althaus konnte es nicht fassen. Über das leere Blatt auf seinem Stehpult hinweg blickte er auf die grünen stacheligen Kugeln der Kastanien vor seinem Fenster. Wie sollte er beginnen? Sie würden darauf schauen, was da nun morgen geschrieben stand in seinem Leitartikel. Viel hatte er noch nicht erfahren, zwei Tage nach dem parlamentarischen Donnerschlag. Die Informationen aus Frankfurt flossen spärlich. Die Entscheidung war knapp gewesen und das ließ hoffen. Es war noch nicht aller Tage Abend. Tumultartige Szenen vor der Paulskirche, hieß es. Kein Wunder, dass die Menschen sich Luft machten in ihrer patriotischen Leidenschaft. Wenigstens das Volk wusste, was es seinem Vaterland schuldig war, im Gegensatz zur Frankfurter Majorität. Der Beschluß der Nationalversammlung über den Waffenstillstand, schrieb er in die Kopfzeile. Das klang sachlich und würde niemanden provozieren. Und doch. Nur schreiben, was sie lesen wollten? Um den Verleger nicht zu verärgern? Dass er überhaupt darüber nachdachte. Nein, ungeschönt und in voller Klarheit würde er das Dilemma in der Paulskirche aufzeigen. Zum ersten Mal hätte die Nation als Einheit agieren können und hatte es nicht getan. Dänemark hätte die Zentralgewalt anerkennen müssen und hatte es nicht getan. Stattdessen diffuses Gerede von Verständigung und Modifikationen. Wer? Wo? Wie? Nichts als diplomatisches Geschwätz. Wer sollte eine Regierung denn auch ernst nehmen, die sich selbst nicht ernst nahm, seine selbst gegebenen Gesetze feige verleugnete? Wer sollte so einem Land völkerrechtliche Anerkennung gewähren? Und was war mit der Ehre Deutschlands und der Ehre der Zentralgewalt? Wer hatte daran gedacht? All das schrieb er und machte zum Schluss noch eine Bemerkung zur wichtigen materiellen Frage. Zumindest die könnte ja jetzt in der bremischen Kaufmannsstadt in Ruhe und gedeihlich gelöst werden.
Die Kritik an seinem Artikel in der Bremer Bürgerschaft, weitere Kündigungen von Abonnenten und die neuesten Nachrichten aus Frankfurt bereiteten ihm dann doch heftiges Kopf- und Bauchweh. Er wurde krank, arbeitete aber weiter bis nach Mitternacht, um die nächste Ausgabe einschließlich seiner Kommentare vorzubereiten, deren Inhalte er sich trotz allem nicht vorschreiben ließ. Die tumultartigen Ausbrüche vor der Paulskirche hatten sich an diesem 18. September 1848 in den Frankfurter Straßen und Gassen ausgeweitet. Abgeordnete der Nationalversammlung wurden angefeindet und als Verräter beschimpft. Der nach dem Rücktritt von Leiningens neu ernannte dreiundvierzigjährige Reichsminister Anton Ritter von Schmerling aus Österreich hatte, angeblich auf Bitten des Frankfurter Senats, preußische Truppen aus Mainz angefordert, was zur Eskalierung der Unruhen und zum Barrikadenbau führte, der allerdings ziemlich halbherzig und chaotisch angelegt war. Mit dem Eintreffen weiterer Truppen, auch österreichischen, war der Aufstand am selben Abend niedergeschlagen.
Außer schweren Schäden an Straßen und Gebäuden hatten die Kämpfe viele Verletzte und mehr als vierzig Todesopfer gefordert, darunter Aufständische, Zivilisten, Soldaten und Offiziere. Die preußischen Abgeordneten Hans von Auerswald und Felix Fürst von Lichnowsky wurden von einer Gruppe äußerst gewaltbereiter Fanatiker verfolgt, gejagt und mit unvorstellbarer Brutalität ermordet. Das war eine Bilanz, die in jedem Falle innehalten ließ. Vor allem die brutalen Morde an Auerswald und Lichnowsky beherrschten die öffentliche Diskussion und die Medien. Auch Theodor Althaus zeigte sich in der Ausgabe vom 22. September 1848 schockiert von diesen empörenden Grausamkeiten, die jenen Tag als einen Schandfleck unsrer Geschichte hinstellen, wollte jedoch das Geschehen nicht weiter kommentieren, bevor gerichtliche Untersuchungen die wahren Tatbestände aufgeklärt hätten. Auch wollte er den Septembertag nicht nur als fluchbeladenen sehen. Bei aller Schrecklichkeit des Geschehens wollte er sich nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass an den revolutionären Aktivitäten die Diskrepanz zwischen dem deutschen Volk und der Nationalversammlung deutlich wurde, das sich von dem im Mai gewählten Parlament nicht mehr vertreten fühlte.
Außerdem müssten endlich auch in den Ländern demokratische Strukturen geschaffen werden, forderte Althaus: Diese Revolution, die innerlich und ohne viel gewaltsame Ausbrüche gereift ist, macht eine neue Form, eine neue  V e r t r e t u n g  des wesentlich umgewandelten Volkswillens nothwendig, und wer ihr gesetzliches Zustandekommen verhindert, wird, wie einst und immerfort, die Schuld des gewaltsamen Weges tragen. Die festeste Stütze der Nationalversammlung aber werden nicht Truppenconcentrationen und Belagerungszustand sein, sondern  c o n s t i t u i e r e n d e  L a n d t a g e, die den Particularismus brechen und die Oberhoheit der deutschen Centralgewalt anerkennen werden.
Die Frage nach Ursachen und Schuld für die Hintergründe der Ausschreitungen beschäftigte nicht nur die Presse und die verschiedenen Gruppierungen im Umfeld der Frankfurter Nationalversammlung. Nachdem die neue provisorische Reichsregierung mit ihren von Preußen und Österreich unterstützten militärischen Maßnahmen mehr als eindrucksvoll vorgeprescht und in die Kritik geraten war, sah sie sich veranlasst, eine offizielle Darstellung zum Geschehen herauszugeben. Im Erlaß der Zentralregierung vom 22. September 1848 wollte von Schmerling nicht näher genannten Verschwörern die Schuld zuschieben, wenn er formulierte: Die unter dem längst verführten Volke verbreiteten falschen Auslegungen über den Beschluß der Nationalversammlung vom 16. September 1848 – wodurch der zu Malmö abgeschlossene Waffenstillstand nicht ferner zu beanstanden sei – brachten lange vorbereitete Pläne zur Ausführung. Am 17. September 1848 wurde nächst Frankfurt eine große Volksversammlung abgehalten, dabei der Aufruhr offen gepredigt und zum Sturme gegen die Majorität des Parlaments aufgefordert. Es trafen von allen Seiten Bewaffnete ein […]. Unter dem Schutze zweier aus Mainz beigezogener Bataillone hielt die Nationalversammlung am 18. September 1848 vormittags Sitzung, umringt von drohenden Haufen, deren Versuch, gewaltsam in den Sitzungssaal einzudringen, durch Reichstruppen vereitelt wurde. Von 2 Uhr bis gegen 9 Uhr abends dauerte der Straßenkampf gegen die zahlreich errichteten Barrikaden […]. Erst am 19. morgens war die gesetzliche Macht vollständig Meister der Stadt.
Beweise oder wenigstens schlüssige Antworten auf die Frage, wer falsche Auslegungen verbreitete, das Volk verführte und lange vorbereitete Pläne ausgeführt haben sollte, gab Reichsminister von Schmerling nicht. Stattdessen machte er einen diffusen Rundumschlag, meinte aber wohl vor allem die in der Paulskirche auf der linken Seite sitzenden republikanisch gesinnten Demokraten. Für diese sogenannten Linken stellten sich die Hintergründe ganz anders dar. Sie wehrten sich gegen die Kritik. In einer Kundmachung der Vereinigten Linken in der Frankfurter Nationalversammlung über die Septemberkrise“ vom selben Tage formulierten sie eine Gegendarstellung: Nicht die Schwäche oder Niederlage Deutschlands, sondern hauptsächlich eine unheilvolle Nachgiebigkeit gegen die Sondergelüste der preußischen Regierung hat uns diesen Waffenstillstand aufgedrungen […]. War es ein Wunder, wenn das Volk sich dasselbe Recht beilegte, welches sich die  E i n z e l r e g i e r u n g e n  durch wiederholte   M i ß a c h t u n g  der Beschlüsse der Nartionalversammlung angemaßt hatten? Blutige Szenen haben sich unter unsern Augen entwickelt, die wir eben so tief bedauern, als wir fest überzeugt sind, daß sie hätten vermieden werden können, wenn man zur rechten Zeit die geeigneten Maßregeln ergriffen hätte, welche wir nach Kräften anrieten  […]. Frankfurt steht jetzt unter der ehernen Zuchtrute des Belagerungszustandes und Kriegsgesetzes, d.h. der Rechtlosigkeit […].
Wie die geeigneten Maßregeln zur Verhinderung der Ausschreitungen ausgesehen hätten, wurde in einem Artikel der von Robert Blum und Georg Günther redigierten Deutschen Reichstagszeitung erläutert, den Althaus in der zweiten Ausgabe der Bremer Zeitung vom 23. September 1848 wortgetreu abdrucken ließ. Demnach sprachen an jenem Montag, dem 18. September 1848, die Abgeordneten Ernst Schilling, Ludwig Simon von Trier und Robert Blum mit Vermittlungsabsichten im Reichsministerium vor, nachdem sie sich mit den Demonstranten vor der Paulskirche ausgetauscht hatten. Dem Reichsverweser Erzherzog Johann und Reichsminister von Schmerling rieten sie dringend, die Truppen aus Frankfurt zurückzuziehen. Man könne nach ihrer Einschätzung darauf vertrauen, dass sich die Demonstration ohne militärischen Einsatz friedlich auflösen werde. Davon habe jedoch Schmerling überhaupt nichts wissen wollen. Mit herzloser Kälte und grinzendem Lächeln habe er einen Truppenabzug abgelehnt. Kurz nach diesen Friedensbemühungen der drei Abgeordneten sei der erste Schuss gefallen und die verhängnisvollen Kämpfe hätten begonnen. So wurde es im Artikel  der Reichstagszeitung und in der Bremer Zeitung publiziert.
Je mehr Wahrheiten über die Frankfurter Ereignisse zum Ende des Monats hin offenbar wurden, desto klarer wurde selbst den in der Paulskirche rechts sitzenden Konservativen, dass in der Tat sechstausend Soldaten gegen vierhundert Barrikadenkämpfer ein lächerliches Missverhältnis war. Ebenfalls wurde der Unterschied zwischen brutaler Mordlust und Empörung des beleidigten Nationalgefühls, als der wahren Quelle des Kampfes, wie Althaus ihn im Artikel Zur Orientierung am 3. Oktober 1848 herausstellte, inzwischen emotionsloser gesehen. Und nicht zuletzt war auch klar, dass das heraufbeschworene Komplott wohl außer Schmerling niemandem bekannt war, denn Beweise gab es nicht. Schon einige Tage zuvor hatte Althaus festgestellt, dass dieser unheilvolle Septembertag einen Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Revolution darstellte. Wieder einmal wurde ihm klar, wie recht Robert Blum mit seiner Junirede zur Zentralgewalt gehabt hatte. Gagern war als erster Mann der Nation vom Thron herabgestiegen in die Partei der Konservativen und hatte mit seiner Zustimmung zum Waffenstillstand das Vertrauen des Volkes verloren. Den kühnen Griff hatte er Schmerling überlassen, der sich mit Belagerungszustand und Kartäschen diktatorisch gegen Blums diplomatische Vermittlungsversuche gestellt hatte. Man befinde sich in einer Übergangsphase, in der man das Vertrauen des Volkes zurückgewinnen müsse, resümierte Althaus. Doch anstatt zügig die konstituierende Arbeit vor allem in den Ländern zu tun, werde derzeit  die Agitation für demokratische Gesetze als Anarchie denunzirt und in politischen Streitigkeiten die Zeit vergeudet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen