Ein Fackelzug für die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm
in der Lennéstraße sollte veranstaltet werden. Die Brüder gehörten, wie
Dahlmann, zu den sieben Göttinger Professoren, die 1837 gegen die willkürliche
Aufhebung der Verfassung protestiert hatten und vom Hannoverschen König
entlassen wurden. Im Zuge des vielversprechenden Amtsantritts von König
Friedrich Wilhelm IV. waren sie im Jahre 1840 rehabilitiert worden und hielten
Vorlesungen an der Berliner Universität. Als Cheforganisator der Veranstaltung
hatte Althaus alle Hände voll zu tun, die vielen Meinungen unter einen Hut zu
bringen und die Vorbereitungen zu koordinieren. Um jenaischen Verbindungsglanz
nach Berlin zu holen, lieh man Kostüme bei Ausstatter Noack. Die polizeiliche
Erlaubnis wurde unter der Bedingung erteilt, dass einige wegen oppositionellen
Verhaltens aufgefallene Studenten nicht an der Demonstration teilnahmen, was
natürlich im Vorfeld großen Unmut und erneute Diskussionen verursachte.
Als dann nach einer Menge Arbeit und vielen
Schwierigkeiten am 10. Februar 1844 der Tag des Fackelzuges gekommen war, gab
es einen fürchterlichen Schneesturm, sodass die Teilnehmer in
Burschenschaftsoutfit abends auf dem Hof der Universität bis zu den Knien im
Schnee standen. Als wäre das nicht genug, musste der Organisator noch beim
Umlegen der Schärpen, Umschnallen der Schläger und beim Anzünden der Fackeln
helfen, …ein heilloser Gesammteindruck
[…] denn überall war fürchterliches Pöbelgedränge und dabei ein entsetzlicher
Mangel nicht nur an studentischem Tact, sondern an allgemeiner Anstelligkeit.
Sie begriffen nichts als wozu man sie stieß und schob, notierte er später im
Tagebuch. Immerhin erreichte der Zug ohne Schneegestöber das Haus der Grimms in
der Lennéstraße. Theodor und einige Kommilitonen gingen hinauf in die Wohnung
und huldigten den Brüdern Grimm mit einem dreifachen Hoch für ihr echt deutsches Wesen und Wirken. Wilhelm
redete vom Balkon aus zu den Studenten, sinngemäß dahingehend, man solle die
Wissenschaft nicht als etwas Totes, sondern als Verbindung von Vergangenheit
und Gegenwart sehen. Es folgten Hochrufe auf die Brüder Jacob und Wilhelm, die Göttinger Sieben und Hoffmann von
Fallersleben, der sich in der Grimm’schen Wohnung aufhielt und eigentlich nicht
entdeckt werden wollte, weil er sich in Berlin gar nicht aufhalten durfte. Als
dann von den Studenten auch noch Georg Herwegh in Abwesenheit gefeiert wurde,
war es den Polizisten zu bunt. Sie ritten in die Versammlung und trieben die
Teilnehmer auseinander. Theodor ging noch einmal hoch zu den Grimms, wo er sich
mit Hoffmann unterhalten konnte und ihn dabei an seinen Auftritt vor jenaischen
Studenten zwei Jahre zuvor erinnerte.
Ein paar Tage später war er in einer Kneipe dabei,
als Hoffmann von Fallersleben einen öffentlichen Auftritt als fahrender Sänger
hatte. Nach dem Trinkspruch Deutschland
ohne Lumpenhunde gab der heimatlose Professor Gedichte, Lieder und
Erzählungen über seine Wanderungen zum Besten. Mit großem Erfolg bei den
Zuhörern, jedoch nicht bei den preußischen Behörden. Denn die teilten ihm am
nächsten Tage mit, dass er wegen Störung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit
schnellstens die Stadt zu verlassen habe. Althaus begleitete den Poeten
Hoffmann, bis der mit einer Kiste voller Bücher, Papieren und Zigarren in der
Postkutsche saß, sich mit einem Zündhölzchen eine anzündete und mit gewohntem
Spott die viel gerühmte Aufklärung in
Berlin vorführte.
Aus: Theodor Althaus. Revolutionär in Deutschland
Bildquelle: Berlin, Unter den Linden, Victoria Hotel zwischen 1890 und 1900
gemeinfrei bei Wikipedia
Bildquelle: Berlin, Unter den Linden, Victoria Hotel zwischen 1890 und 1900
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