Ein Besuch bei Bettina von Arnim, deren Wohnung auch
regelmäßig für Treffen und Gespräche offenstand, verlief so ganz nach Theodors
Geschmack. Studenten gingen bei Bettina ein und aus. Die Schwester von Achim
von Arnim, Witwe von Clemens Brentano und Mutter von sechs Kindern, hatte wegen
ihres offenen Wesens und ihrer Gastfreundschaft sehr viele Sympathien in der
Stadt. Ihr engagierter Einsatz für benachteiligte und verarmte
Bevölkerungsgruppen war außergewöhnlich. Sie selbst war wirtschaftlich
unabhängig und gehörte zur privilegierten Gruppe der Gesellschaft, war aber
bereit zu geben, was sie nur konnte. Und sie nahm kein Blatt vor den Mund.
Selbst dem preußischen König konnte sie die Wahrheit sagen und war mutig genug,
ihre Kritik unter dem provokanten Titel Dies
Buch gehört dem König zu veröffentlichen. In ihrer natürlichfrischen Art
erfreute die Sechsundfünfzigjährige das junge Stürmerherz. Theodor Althaus war
mächtig angetan von der quirligen Frau mit dem hessischen Dialekt. Wißt was? Geht bis neun Uhr spazieren, dann
kommt wieder, da woll mer schwätze, so viel Ihr Lust habt. Nehmt’s nit übel,
zitierte er sie im Brief an seine Mutter und schilderte, wie er zusammen mit
seinem Freund eineinhalb Stunden später dann an ihrem Teetisch saß, ab und an
die jüngste Tochter Gisela durch den Raum flog und die Hausherrin, ihr
Versprechen einhaltend, nach Herzenslust bis weit nach Mitternacht mit den zwei
Studenten schwätzte. Daß die Berliner
Gesellschaft diese Frau verrückt nennt, ist kein Wunder, denn sie gehört zu den
unbequemen Leuten, die die Wahrheit sagen, war sein Fazit im Brief an die
Mutter.
aus: Theodor Althaus. Revolutionär in Deutschland
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