Am 1. Januar 1849 erschien die erste Ausgabe der Zeitung
für Norddeutschland. Ihren Lesern stellte sie sich als überregionales
demokratisches Blatt vor. Der erste Leitartikel bekam die Überschrift Am
Jahreswechsel. In gewohnt glänzenden Formulierungen gab der leitende Redakteur
einen Rückblick auf die revolutionären Entwicklungen des Jahres 1848.
Alle Geister der alten Ordnung seien in Bewegung gebracht worden, jedoch in
eine rastlose Bewegung. Ungeahnt heftige Ereignisse und überstürzte Aktionen hätten
den Blick auf das große Ganze des Vaterlandes mitunter aus den Augen verlieren
lassen. Er erinnerte daran, dass trotz bitterer Niederlagen in Frankfurt die
Grundrechte als Reichsgesetz verkündet worden waren. Das große politische Ziel
des neuen Jahres müsse nun die Vollendung der gesetzlichen Voraussetzungen für
ein einheitliches Deutschland als Nation sein, und zwar in Form eines
Bundesstaates, in dem es nur ein Kriegsministerium, nur ein Ministerium des
Auswärtigen und nur eine Gewalt an der Spitze gebe. Nur dann sei Deutschland
Garant für europäische Freiheit und Gerechtigkeit. Und nur die souveräne
Nationalversammlung habe die Vollmacht, dieses Deutschland zu schaffen.
Welche Schwierigkeiten der Verwirklichung eines deutschen
Bundesstaates entgegenstanden, bestimmten in den folgenden ersten Januartagen
die Leitthemen. Am 4. Januar 1849 in Preußen und Deutschland beschäftigte
Althaus die Frage, welche Einzelstaaten überhaupt ohne Wenn und Aber
dazugehörten. Was war mit Schleswig und was vor allem mit dem Vielvölkerstaat
Österreich, dem es schon nicht gelang, intern die Zugehörigkeiten der einzelnen
Stämme zu klären? In der Nationalversammlung und in der Bevölkerung bildeten
sich zwei Lager, das der großdeutschen Lösung mit Österreich, wie immer das
aussehen könnte, und das der kleindeutschen Lösung unter der Führung von
Preußen mit der Option eines späteren Beitritts von Österreich. Und wie würde
selbst nach endgültiger Klärung der Zugehörigkeitsfrage die Umsetzung der
Reichsverfassung und demokratischer Strukturen in den Einzelstaaten aussehen,
angesichts der Tatsache, dass die monarchischen Regierungen Stück für Stück
verlorenes Terrain zurückeroberten und dass der Zentralgewalt die Mittel
fehlten? Notwendig sei ein allgegenwärtiger Aufschwung des demokratischen
Geistes und der patriotischen Gefühle der Männer der ersten Stunde von
Hallgarten und Heidelberg. Im Zusammenhang mit den monarchisch partikulären
Eskapaden Preußens meinte Althaus: Trotz alles Sträubens und Hinzögerns
wird Preußen s o in Deutschland aufgehen
m ü s s e n, wie
D e u t s c h l a n d
es will, und n i c h t, wie die Dynastie es
sich vielleicht einbildet.
Und wie sah es mit der Anerkennung und Umsetzung der
Reichsgesetze im Königreich Hannover aus? Machte doch das Ministerium Stüve-Bennigsen
keine Anstalten, sie zu publizieren, im Gegenteil. Bereits im Vorfeld der
Verkündung des Reichsgesetzes über die Grundrechte des deutschen Volkes hatte
das hannoversche Ministerium gegen eine Publizierung agiert. In zwei Schreiben
nach Frankfurt wurden Bedenken formeller und juristischer Art dargelegt, und
zwar am 4. November und am 17. Dezember 1848 an hannoversche Bevollmächtigte
bei der provisorischen Zentralgewalt. Mit dieser Verzögerungstaktik
beschäftigte sich Althaus in vier Leitartikeln, erschienen in der Zeit vom 6.
bis zum 12. Januar 1849. Er machte keinen Hehl daraus, dass er das Ministerium
als Hemmschuh für die nationale Sache betrachtete. Diese Betrachtung basierte
im Wesentlichen auf den zwei Ministerschreiben, Aktenstücke genannt. In diesen
wurden formelle und rechtliche Bedenken gegen eine Publizierung der
Reichsverfassung geäußert. Das hannoversche Ministerium gab an, vor der
Verkündung von Reichsgesetzen sei ein Votum der Stände einzuholen. Außerdem sei
sie vom juristischen Standpunkt aus bedenklich, man benötige das Protokoll
eines Bundesbeschlusses vom 10. Juli 1848, das man in Hannover jedoch nie
erhalten habe. Als dritter Grund wurde das mögliche Ausscheren Österreichs aus
dem zu gründenden Staatswesen angeführt und somit eine möglichen Verzerrung der
Mehrheitsentscheidung im Nachhinein. Alle Argumentationsansätze hielt Althaus
für verlogen und nur um der Verzögerung der gemeinsamen Sache willen
angebracht, was er in heftigen Wortattacken in den vier Artikeln zu Hannover
und Deutschland darlegte. Schon mit der Formulierung der Titelzeile nannte
er in der Ausgabe am 12. Januar 1849 die Dinge beim Namen: Die
ministerielle Ehrlichkeit und das große Hinderniß der deutschen Einheit.
Kapitel aus: Theodor Althaus. Revolutionär in Deutschland
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