Indes waren in Bremen die Kämpfe gegen die Bremer Zeitung
vollends ausgebrochen. Der leitende Redakteur wurde offen angefeindet, darauf
angesprochen, wie ein Enkel von Dräseke so heillose Sachen schreiben könne und
provokativ gefragt, wie er sich denn die Einheit und Republik eigentlich denke.
Und es kam noch schlimmer. Mit Flugschriften und offenen Briefen agitierte man
gegen die Zeitung und speziell gegen die Artikel von Theodor Althaus. Im
Tagebuch notierte er: Das Complott brach endlich an der entscheidenden
Erklärung los. Haufenweis kamen die Absagebriefe im echten Bourgeoisstil. Die
Principale bleich, niedergeschlagen, sahen voraus, dass die ‚Bremer Zeitung’
für Bremen verloren sei […]. Da half es auch nicht, dass zwei mitgliederstarke
Bremer Vereine sich vehement für die freisinnige Tendenz der Leitartikel von
Althaus einsetzten und in offenen Briefen diese Art von Pressezensur
anprangerten. Der Bürgerverein äußerte sich empört über die Angriffe und
Demonstrationen von Aristokraten und Reaktionären, die vor den unparteiischen
Richterstuhl der öffentlichen Meinung gehörten. Noch schärfer formulierte der
demokratische Verein. Die längst beseitigte Staatszensur werde von jenen
Finsterlingen als Privatzensur wieder eingeführt und die Menschen somit um die
glücklich errungene Pressefreiheit gebracht. Die Solidaritätserklärungen der
beiden Bremer Vereine wurden von der Redaktion wunschgemäß publiziert und am 4.
Oktober 1848 in der zweiten Ausgabe der Bremer Zeitung gedruckt.
Als Agitation und Boykott über die Zeitung hinaus sogar
gegen die traditionelle Heyse’sche Verlagsbuchhandlung ausgedehnt wurden,
entschied der Verleger, einen Schlussstrich zu ziehen und sich von der Zeitung
zu trennen. Die Bremer Zeitung wurde an die Gebrüder Jänecke in Hannover
verkauft, im Einvernehmen mit Theodor Althaus, der sie dort unter dem Namen
Zeitung für Norddeutschland weiter redigieren würde. Schwere Tage, notierte er,
durch die unsittliche Finesse und die ganze Perfidie mich indirect als Rothen
zu schildern, fühlte ich die letzten Fäden reißen. Dem bevorstehenden
Ortswechsel konnte er durchaus positive Aspekte abgewinnen. Hannover war besser
an das Eisenbahnnetz angebunden als Bremen und somit erreichten die neuesten
Nachrichten die Redaktion schneller als bisher.
Doch so richtig wollte der Blick nach vorne und das
Entwickeln von Perspektiven noch nicht gelingen. Zu tief saß der verletzende
Stachel. Die bittere Enttäuschung brachte sein inneres Gleichgewicht ins
Wanken. Theodor bekam Husten und wurde krank. Konnte nicht schreiben, fühlte
mich mit kurzen Unterbrechungen wie todt, wie vernichtet, sah mit Grauen dem
Winter und mit Ekel dem Leben entgegen. Trost fand er in der Korrespondenz mit
seiner Cousine Minna Schmitson in Frankfurt, die er auch seinerseits trösten
musste, weil ihr Vater als Angestellter bei der Bundesmilitärkommission während
des Straßenkampfes am 18. September eine Verwundung davongetragen hatte: Aber
es gilt auszuharren und treu zu bleiben. Ein Frühling kommt, in Menschenwelt
und in Natur wird er uns wiederkehren!
De Traurigkeit war stärker als die Hoffnung auf
Frühlingserwachen. Als an seinem Geburtstag Schwester Elisabeth ihn an sich
drückte, wusste er nicht, ob er sich freuen oder heulen sollte. Die treue Seele
war extra nach Bremen gekommen. Sechsundzwanzig Jahre alt wurde er und kam sich
vor, als hätte er das ganze Leben schon hinter sich. Ihr gegenüber gab er zwar
sich optimistisch, wusste er doch, sie würde alles der Mutter erzählen und die
sollte sich nicht beunruhigen, doch wie er sich wirklich fühlte, vertraute er
seinem Tagebuch an: Ich habe verloren, ich weiß nicht mehr zu sprechen wie
sonst, seit ich so viel lese und schreibe. Ich kenne die Herzen nicht mehr so,
seit ich mir selbst so wenig, so fast niemals angehöre.
Kapitel aus: Theodor Althaus. Revolutionär in Deutschland
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen