An einem Apriltag des Jahres
1843 hielt der älteste Sohn des Generalsuperintendenten seine Examenspredigt
auf der Kanzel der Hauptkirche in Detmold, ein paar Schritte entfernt vom
Pfarrhaus unter der Wehme, in dem er bis zur Entscheidung der Coburger
Bewerbung seine Studierstube im Elternhaus bewohnte.
Auch eine junge
Frau war gerade aus einer anderen Stadt in die lippische Residenzstadt
zurückgekommen. Auch sie wusste noch nicht, wie es mit ihrem Leben weitergehen würde.
Malwida von Meysenbug saß beim ersten öffentlichen Auftritt von Theodor Althaus in der Kirchenbank, als
er vor der Detmolder Gemeinde predigte. Auf der Kanzel stand ein großer junger
Mann in schwarzem Talar mit bleichem Gesicht, edlen Zügen und dichten
schulterlangen Haaren. Sie erinnerte sich:
„Als er zu sprechen begann, wurde ich
sympathisch berührt durch den Klang seiner tiefen, sonoren und doch angenehmen
Stimme. Bald aber vergaß ich alles
andere über den Inhalt seiner Predigt. Das war nicht mehr die sentimentale
Moral, noch die steife kalte Unbestimmtheit der protestantischen Orthodoxie,
wie beim Vater. das war ein jugendlicher Bergstrom, der daherbrauste voller
Poesie und neuer belebender Gedanken. Das war die reine Flamme einer ganz
idealen Seele, gepaart mit der Stärke einer mächtigen Intelligenz, die der
schärfsten Kritik fähig war. Das war ein junger Herder, welcher, indem er, das
Evangelium predigte, die höchsten philosophischen Ideen zur Geschichte der
Menschheit entwickelte. Ich war auf das tiefste und glücklichste bewegt.“
Einige Tage
später hielt der Kandidat der Theologie einen Vortrag in der Detmolder
Ressource, dem wichtigsten gesellschaftlichen Treffpunkt der Stadt, deren Räume
sich im Rathaus auf dem Marktplatz neben der Hauptkirche befanden. Malwidas
Mutter hörte ihn dort und war zutiefst beeindruckt. Nachdem der
Generalsuperintendent Frau von Meysenbug nach der Veranstaltung seinen ältesten
Sohn persönlich vorgestellt und sie einige Worte mit ihm geredet hatte, war so
angetan, dass sie ihn später im Familienkreise als „Ideal eines jungen Mannes“
bezeichnete.
Von der
unglaublichen Wirkung, die der Kandidat Althaus bei Mutter und Tochter erzielt
hatte, erfuhr der selbst zunächst nichts. Er wartete auf die Entscheidung in
Coburg und war bereit, dort seine Arbeit zu tun. Doch die Sache zog sich hin.
Nach einigen Monaten war noch immer kein Bescheid da. Großvater Dräseke, der
sich gerade vom Magdeburger Bischofsamt in den Ruhestand nach Potsdam
zurückgezogen hatte, erklärte sich die Verzögerung mit finanziellen
Schwierigkeiten der Kirchenbehörde im Zusammenhang mit der Besoldung des Diakons.
Mangelnde Fachkompetenz des Bewerbers konnte es nach Dräsekes Einschätzung wohl
nicht sein, denn Theodors Examenspredigt, die dieser ihm geschickt hatte, fand seine ungeteilte Zustimmung und erntete
überschwängliches Lob. Sowohl die Auswahl und Aktualität des Inhaltes, Aufbau
und Klarheit der Gedankenführung mit logischem Schluss, eine verständliche und
anregende Ansprache seien nicht nur angemessen, sondern hervorragend. Der
Großvater war sehr stolz auf seinen wunderbaren Enkel. Auch er machte sich
Gedanken über Theodors Zukunft und schlug vor, er solle nicht mehr länger
warten, sondern den Winter in Berlin verbringen und an der dortigen Universität
sein Studium fortsetzen.
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