Mittwoch, 29. August 2012

Henriette Herz und Bettina von Arnim

Was wäre ein Studium in Berlin ohne Besuch eines der berühmten Salons, in denen Studenten zumeist sehr gern gesehene Gäste waren? Die fast achtzigjährige Henriette Herz konnte bereits auf einige Jahrzehnte regelmäßiger Gesprächsabende in ihrer Wohnung zurückblicken, als Theodor Althaus bei ihr zu Gast war. Über Ludwig Tieck und Schleiermacher wurde geredet und sich über Friedrich Rückert ausgetauscht, den Althaus in Neuses bei Coburg besucht hatte. Henriette Herz war dem Dichter im Jahre 1819, mehr als zwanzig Jahre zuvor, in Italien begegnet. Sie erinnerte sich an einen großen Mann mit düsterem Gesicht, langem Haar und schwarzem Rock, der sich nicht mit den anderen zusammen auf die Wiese setzen wollte, weil er Angst vor Schlangen hatte.


Ein Besuch bei Bettina von Arnim, deren Wohnung auch regelmäßig für Treffen und Gespräche offenstand, verlief so ganz nach Theodors Geschmack. Studenten gingen bei Bettina ein und aus. Die Schwester von Achim von Arnim, Witwe von Clemens Brentano und Mutter von sechs Kindern hatte wegen ihres offenen Wesens und ihrer Gastfreundschaft sehr viele Sympathien in der Stadt. Ihr engagierter Einsatz für benachteiligte und verarmte Bevölkerungsgruppen war außergewöhnlich. Sie selbst war wirtschaftlich unabhängig und gehörte zur privilegierten Gruppe der Gesellschaft, war aber bereit zu geben, was sie nur konnte. Und sie nahm kein Blatt vor den Mund. Selbst dem preußischen König konnte sie die Wahrheit sagen, sogar aufschreiben und unter dem provokanten Titel „Dies Buch gehört dem König“ veröffentlichen.
Mit ihrer natürlichfrischen Art erfreute die Sechsundfünfzigjährige das junge Stürmerherz. Theodor Althaus war mächtig angetan von der quirligen Frau mit dem hessischen Dialekt. „Wißt was? Geht bis neun Uhr spazieren, dann kommt wieder, da woll mer schwätze, so viel Ihr Lust habt. Nehmt’s nit übel“, zitierte er sie im Brief an seine Mutter und schilderte, wie er zusammen mit seinem Freund eineinhalb Stunden später dann an ihrem Teetisch saß, ab und an die jüngste Tochter Gisela durch den Raum flog und die Hausherrin, ihr Versprechen einhaltend, nach Herzenslust bis weit nach Mitternacht mit den zwei Studenten schwätzte.
„Daß die Berliner Gesellschaft diese Frau verrückt nennt, ist kein Wunder, denn sie gehört zu den unbequemen Leuten, die die Wahrheit sagen!“, war sein Fazit im Brief an die Mutter.


aus: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland


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