„Jawohl! Das ist
der Conflict des Fortschritts mit dem Recht der Persönlichkeit. […] Wir wissen
recht wohl, dass über fünfzig Jahre ein großer Theil von dem, was wir wollen,
erlangt sein wird, aber wir sind die Opfer; wir genießen die Segnungen nicht
mehr, unsere Existenz müssen wir theilweise drangeben. Die Freiheit ist zu
erstürmen, aber nur wie eine Festung, wenn der Graben mit den Leichen derer,
die um sie kämpfen, gefüllt ist.“
Trotz des
schwierigen Beginns und der geringen Erfolgsaussichten arbeitete das Komitee
eine Satzung aus, die dann von Herrn
Lachmann, dem Rektor der Universität, abgelehnt wurde. Ein Besuch bei Herrn von
Ladenberg, der Theodor eingeladen hatte, um ihm für seine Rede auf dem Professorenball
zu danken, gab ihm Gelegenheit, die Sache dort noch einmal anzusprechen. Das
war aber von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil zum einen Theodor einem
Regierungsvertreter gegenüber nicht offen die wahren politischen Absichten der
Gruppierung ansprechen konnte und zum anderen gehörte diese Angelegenheit nicht
in Ladenbergs Kompetenzbereich, sondern in den von Kultusminister Eichhorn und
der wiederum würde nicht gegen das Votum von Rektor Lachmann agieren. Das
Projekt „Leseverein zusammen mit Professoren“ verlief im Sande.
Doch Theodor
hatte nicht lange Zeit darüber nachzudenken, als schon wieder eine
Herausforderung auf ihn zukam. Ein Fackelzug für die Brüder Jacob und Wilhelm
Grimm in der Lennéstraße sollte veranstaltet werden. Die Brüder gehörten, wie
Dahlmann, zu den sieben Göttinger Professoren, die 1837 gegen die willkürliche
Aufhebung der Verfassung protestiert hatten und vom Hannoverschen König
entlassen wurden. Im Zuge des vielversprechenden Amtsantritts von König
Friedrich Wilhelm IV. waren sie im Jahre1840 rehabilitiert worden und hielten
Vorlesungen an der Berliner Universität.
Als Cheforganisator
der Veranstaltung hatte Althaus alle Hände voll zu tun, die vielen Meinungen unter
einen Hut zu bringen und die Vorbereitungen zu koordinieren. Um jenaischen
Verbindungsglanz nach Berlin zu holen, lieh man Kostüme bei Ausstatter Noack. Die polizeiliche Erlaubnis
wurde unter der Bedingung erteilt, dass einige wegen oppositionellen Verhaltens
aufgefallene Studenten nicht teilnahmen, was natürlich im Vorfeld großen Unmut und
erneute Diskussionen verursachte.
Als dann nach
einer Menge Arbeit und vielen Schwierigkeiten am 10. Februar 1844 der Tag des
Fackelzuges gekommen war, gab es einen fürchterlichen Schneesturm, sodass die
Teilnehmer in Burschenschaftsoutfit abends auf dem Hof der Universität bis zu
den Knien im Schnee standen. Als wäre das nicht genug, musste der Organisator
noch beim Umlegen der Schärpen, Umschnallen der Schläger und beim Anzünden der
Fackeln helfen. „…ein heilloser Gesammteindruck. […) denn überall war
fürchterliches Pöbelgedränge und dabei ein entsetzlicher Mangel nicht nur an
studentischem Tact, sondern an allgemeiner Anstelligkeit. Sie begriffen nichts
als wozu man sie stieß und schob“, notierte er im Tagebuch.
Immerhin
erreichte der Zug ohne Schneegestöber das Haus der Grimms in der Lennéstraße.
Theodor und einige andere gingen hinauf in die Wohnung und huldigten den
Brüdern Grimm mit einem dreifachen Hoch für ihr „echt deutsches Wesen und
Wirken“. Da Jacob sich nicht gut fühlte, redete nur Wilhelm vom Balkon aus zu
den Studenten, sinngemäß dahingehend, man solle die Wissenschaft nicht als
etwas Totes, sondern als Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart sehen. Es
folgten Hochrufe auf die Brüder, die Göttinger Sieben und Hoffmann von
Fallersleben, der sich in der Grimm’schen Wohnung aufhielt und eigentlich nicht
entdeckt werden wollte, weil er sich in Berlin gar nicht aufhalten durfte. Als
dann auch noch Georg Herwegh in Abwesenheit gefeiert wurde, war es den
Polizisten zu bunt. Sie ritten in die
Versammlung und trieben die Teilnehmer auseinander. Theodor ging noch einmal
hoch zu den Grimms, wo er sich mit Hoffmann unterhalten konnte und ihn dabei an
seinen Auftritt vor jenaischen Studenten zwei Jahre zuvor erinnerte.
Ein paar Tage
später war er in einer Kneipe dabei, als Hoffmann von Fallersleben einen
öffentlichen Auftritt als fahrender Sänger hatte. Nach dem Trinkspruch „Deutschland
ohne Lumpenhunde“ gab der heimatlose Professor Gedichte, Lieder und Erzählungen
über seine Wanderungen zum Besten. Mit großem Erfolg bei den Zuhörern, jedoch
nicht bei den preußischen Behörden. Denn die teilten ihm am nächsten Tage mit,
dass er wegen Störung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit schnellstens die
Stadt zu verlassen habe.
Althaus
begleitete den Poeten Hoffmann, bis der mit einer Kiste voller Bücher und
Papieren in der Postkutsche saß, sich mit einem Zündhölzchen eine Zigarre
anzündete und mit gewohntem Spott die viel gerühmte „Aufklärung in Berlin“
vorführte.
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