Donnerstag, 13. September 2012

Ferdinand Freiligrath

Leseprobe aus: Renate Hupfeld, Theodor Althaus (1822 - 1852) - Revolutionär in Deutschland

Theodor Althaus hatte sich verliebt und die Geliebte war viele Tagesreisen entfernt in Hyères an der französischen Mittelmeerküste. Er vermisste ihre Zuneigung, die gemeinsamen Gespräche, in denen er sich mit seinen Ideen und Vorstellungen verstanden und akzeptiert fühlte. Sie war diejenige, die bedingungslos hinter ihm stand, wenn jemand ihn kritisierte. Und Kritiker hatte er nicht wenige im überschaubaren Detmold, wo er nicht unbedingt das kurzweilige Programm suchte. Oberflächliches Geplauder lehnte er als Zeitverschwendung ab.
Die meiste Zeit verbrachte er in seiner Studierstube am Schreibtisch mit Ausblick in südwestliche Richtung, wo hoch über den Buchenwäldern auf der Grotenburg der Sockel des Hermannsdenkmals entstand. Häufig schaute er sehnsüchtig hinüber zum Haus der von Meysenbugs in der Hornschen Straße mit dem Fenster von Malwida,  der er so oft in der Dunkelheit seine Wolkenträume herübergeschickt hatte. In gereimter Form  bewahrte er sie nun in seinem „Nordischen Wintergarten“ auf, um sie ihr nach ihrer Rückkehr im nächsten Frühjahr zu schenken.


Nicht nur poetische Träumereien verfasste er in seiner Studierstube. Er beschäftigte sich intensiv mit einem Dichter aus seiner Heimatstadt Detmold, der gerade in allen Ländern des Deutschen Bundes von sich reden machte, sogar für heftige Diskussionen sorgte. Es war Ferdinand Freiligrath, der bis dahin in St. Goar am Rhein gewohnt hatte und dessen Sammlung politischer Gedichte unter dem Titel „Ein Glaubensbekenntniß“ erschienen war.  Diese Publikation von Zeitgedichten war nicht nur wegen der politischen Inhalte von besonderer Brisanz, sondern auch wegen einer Maßnahme des Autors, die Theodor Althaus in tiefstem Herzen nachvollziehen konnte und bewunderte. Freiligrath verzichtete auf eine monatliche Pension, die der preußische König Friedrich Wilhelm VI. ihm zwei Jahre zuvor gewährt hatte. Wenn er dessen selbstherrliches Regieren gegen das Volk nicht mehr akzeptierte, wollte er auch keine finanzielle Unterstützung. Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit waren ihm wichtiger als ein sicheres Einkommen.
Die Konsequenzen blieben nicht aus. Sofort nach Erscheinen wurde das Werk verboten und Freiligrath aus Preußen ausgewiesen. Er ging ins Exil nach Belgien.
Althaus verfasste einen längeren Essay. In geschliffener Sprache gab er dem Leser ein ausführliches Portrait des Dichters und führte ihn durch Freiligraths Gedichtwelten und -figuren, die er bestens recherchiert hatte. Vor allem gelang es ihm, die politischen Hintergründe und die ganze Tragweite für das weitere Leben des Verfassers klar und verständlich darzustellen.
Wie Hoffmann von Fallersleben und Herwegh, traf nun auch den vierunddreißigjährigen Detmolder Dichter das Schicksal eines heimatvertriebenen politischen Poeten. In seiner Darstellung sparte Althaus nicht mit kritischen Anspielungen auf sechsunddreißig monarchische Regierungen, die Recht und Freiheit bekämpften und somit gegen das Volk agierten, auch nicht mit spöttischen Wortspielereien: „Das Glaubensbekenntniß, von dem hier die Rede gewesen ist, ist verboten, das wundert uns nicht […]; wir wissen, dass heutzutage nur gewisse Glaubensbekenntnisse Glück machen.“
Die Rezension  wurde in „Wigands Vierteljahrsschrift“ in Leipzig gedruckt, ein schöner Erfolg für den jungen Detmolder Verfasser.



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