Der
Kandidat der Theologie war einundzwanzig Jahre alt, als er Ende Oktober 1843 mit
der Dampfeisenbahn die preußische Hauptstadt erreichte. Sofort berichtete er in
die Heimat über seine ersten Eindrücke in einer großen Stadt. Vier Bahnhöfe gab
es in Berlin, den Hamburger, Frankfurter, Anhalter und den Potsdamer Bahnhof.
Die Dorotheenstraße, in der er wohnte, war eine der kürzeren, doch so lang wie
Detmold von einem Ende zum anderen. Sie führte auf die Friedrichstraße, auf der
man vom Oranienburger Tor im Norden bis zum Halleschen Tor im Süden eine gute
Stunde zu laufen hatte. Mitten durch die Stadt floss die Spree, über die mehr
als zehn Brücken führten und auf der reger Schiffsverkehr herrschte. Doch noch
viel regerer Verkehr herrschte auf den Straßen. Zweitausend Pferdedroschken gab
es in Berlin, deren Benutzung allerdings für einen Studenten nicht billig war
und von Theodor nur hin und wieder bei ganz schlechtem Wetter in Frage kam.
Wichtig waren die Konditoreien, in denen es die neuesten Zeitungen zu lesen gab.
Dort war es jedoch auch teuer, sodass er lieber ins Museum auf der Spreeinsel
ging, wo er nichts bezahlen musste.
Als Theodor
Althaus sich immatrikulieren wollte, gab es Schwierigkeiten, weil man in der
Berliner Universität mit dem lippischen Kandidatenstatus nicht zufrieden war. Es
war also nicht selbstverständlich, dass er aufgenommen wurde. Er hatte noch ein Abgangszeugnis der
Universität Bonn zu besorgen. Fürchtete er vielleicht, die Sache Nitzsch könnte
ihn auf diese Weise verfolgen? Doch alles ging gut, Bonn legte ihm keinen Stein
in den Weg und schickte das erforderliche Dokument.
Es dauerte eine Weile, bis der Detmolder Anbindungen zu Gleichaltrigen fand. Wie in Bonn, trat Verbindungsleben nicht offen in Erscheinung und hatte schon gar nicht den jenaischen Glanz. Überhaupt musste man in der preußischen Hauptstadt mit Demonstrationen jeglicher Art vorsichtig sein. Überangepasste „Musensöhne“ wie die in den Bonner Seminaren von Nitzsch hatten es da leichter als der ungeduldige Rebell aus Lippe. Diese traf er auch in Berlin. Bei der Wahl der
Lehrveranstaltungen lagen Theodors Schwerpunkte in den Disziplinen Philosophie
und Philologie. Damit hatte er neben Theologie auch in diesen Bereichen die
Möglichkeit, Qualifikationen zu erwerben und seine Berufsaussichten zu
verbessern. Er hörte Ranke, Boeckh, Neander, Trendelenburg, Nauwerck, Schelling
und Mundt.
Die Lieben in
Detmold bekamen auch wieder das eine
oder andere Anekdötchen zu lesen, so zu Schelliing: „Große Vollheit, Lärm,
Hitze und am Ende kamen ganz gewöhnliche Sachen heraus.“ Und Theodor Mundt scheine ohne feste Basis zu
sein, jedes Hin- und Herreden werde
langweilig. Auch mit ein paar Witzchen gelinge es ihm nicht, die Inhalte so
darzustellen, dass bei den Zuhörern etwas haften bleibe.
Kommilitonen zunächst
enttäuschend und provozieren seinen Unmut, den er im Tagebuch heraus ließ:
„Alte Jenenser,
die noch vor einem halben Jahre Eichelfresser waren, sind aus innerer
Haltlosigkeit, Feigheit, Schwachheit etwas Positives zu vertheidigen, in den
bequemen Sumpf des Materialismus und Communismus versunken. […] Einige studiren
Theologie fort, weil ihre Großmutter sie sonst enterbt: flache Spötter,
Menschen, in denen kein produktiver Funke steckt.“
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