Zu Theodor Althaus Erzählung "Ein Freiheitstanz"
Theodor Althaus hat die "Geschichte einer schönen Tänzerin“ ein Jahr vor den Märzereignissen des Jahres 1848 geschrieben. Er hatte sein Studium der Theologie und Philologie in Bonn, Jena und Berlin erfolgreich absolviert und auf Wanderungen an Weser und Rhein festgestellt, dass es für einen wie ihn, der die „faulen Früchte“ in seinem Lande nicht nur entdeckte, sondern auch offen benannte, keine berufliche Perspektive gab. Ihm blieb das Wort in Rede und Schrift. Das beherrschte er allerdings glänzend und so wurden seine Essays und Erzählungen in zahlreichen Büchern und Magazinen publiziert. Zeitgleich mit dem Scheitern der deutschen Revolution im Mai 1849 landete Althaus im Gefängnis vor dem Clevertor in Hannover. Drei Jahre später starb er in Gotha, nicht einmal dreißig Jahre alt.
Am Beispiel der seinerzeit Aufsehen
erregenden Affäre des bayrischen Königs Ludwig I. mit der spanischen Tänzerin
Lola Montez gibt Theodor Althaus ein Bild der Situation in Deutschland zur Zeit
des Vormärz. In dieser Satire wird eine Bandbreite der Ungereimtheiten in den
monarchischen Strukturen der Metternichära vorgeführt, wie das Mätressenwesen,
verantwortungsloser Umgang mit der Macht und philisterhaftes Untertanendenken.
Die schöne Lola liegt vor den faszinierten Blicken des alternden Königs auf dem
Diwan und „klätschelt“ mit ihrer kleinen Reitpeitsche ihr rechtes Bein.
Die realen Namen der Protagonisten sowie des Schauplatzes mussten nach
Beanstandungen des Leipziger Zensors geändert werden. So wurde aus Lola
Carambola, aus König Ludwig der alte Herr, aus Minister Abel Herr von Kain und
aus der Stadt München der Ort Klostersingen.
Friedrich Althaus (Theodors jüngerer Bruder) über „Märchen aus
der Gegenwart“ und Zensur
speziell im Zusammenhang mit „Ein
Freiheitstanz“ in seiner Biografie
Theodor Althaus, Ein Lebensbild, Bonn,
Verlag von Emil Strauß, 1888 (S. 244 – 246)
Das bedeutendste literarische Resultat
dieser Leipziger Zeit [seines Bruders Theodor] waren ohne Frage die
„M ä r c h e n a u s d e r G e g e n w a r t“ […]. In Deutschland blühte
damals noch die Zensur, und eines Tages erlebte es Theodor, daß er mit seinem
Verleger zum Zensor gehen musste, um das Urtheil dieser Autorität über sein Buch
zu vernehmen. Unterwegs wurde ihm als nicht uninteressante Tatsache mitgeteilt,
dass der Zensor nach der Zahl der censirten Bogen bezahlt werde und auf diese
Weise etwa 1800 Taler jährlich verdiene, dafür aber auch „arbeiten müsse wie ein
Pferd“. Übrigens fand er in dem gefürchteten Tyrannen der Presse „ein ganz
traktables kleines Männchen“. Der Zensor bestand nur darauf, dass in einem der
„Märchen“ die Namen geändert würden, „damit nichts direkt auf gewisse hohe
Personen bezogen werden könne“, und erteilte für den Rest sein Placet.
Der Titel „Märchen aus der Gegenwart“
mochte Erwartungen wecken, die im gewöhnlichen Sinne des Worts nicht erfüllt
wurden, aber in Wahrheit deutete er aufs Treffendste den eigentümlichen Inhalt
des Buches an. Es waren Zeitbilder, teils in autobiographisch erzählender, teils
in novellistischer Form – vorrevolutionäre Zeitbilder, an denen das Märchenhafte
der überall hervorbrechende Gegensatz war, worin sie zu den Idealen einer
ersehnten besseren Welt der Zukunft erscheinen. Dass es dies war, was der
Verfasser selbst im Sinne hatte, bestätigte der Schlusssatz seines Buches:
„Mögen wir hoffen oder fürchten – wenn wir es nur verstehen, dass alles Edle in
seinem Jugenddrang der Welt eine Torheit und ‚den Leuten ein Märchen’ gewesen
ist.“ Das Edle in seinem Jugenddrang, die schmerzliche Erkenntnis der Mängel der
in den Wehen der Wiedergeburt gärenden gegenwärtigen Welt, das hochfliegende
Streben und die begeisterte Hoffnung auf die Verwirklichung einer ihrem Ideal
entsprechenderen menschlichen Gemeinschaft – das ist der wesentliche Inhalt der
„Märchen“, wie es in anderer Form der wesentliche Inhalt der „Gedichte“ und der
„Zukunft des Christentums“ gewesen war. Phantasie und Geist, leidenschaftliche
Empfindung und scharfe psychologische Analyse, Erfahrung und Denken und
künstlerische Gestaltungskraft wirken zu diesem Resultat zusammen.
Nur eins der „Märchen“ zeigt eine
vorwiegend objektiv-humoristische Haltung, dasselbe, in welchem der Zensor die
Namen geändert wünschte. Unter dem Titel „Ein Freiheitstanz“ stellte diese
Novelle mit übersprudelndem Witz und Geist jenes seltsame Vorspiel der deutschen
Revolution dar, in dem König Ludwig von Bayern, Lola Montez, Herr von Abel u. A.
die Hauptrollen spielen. München erscheint in der Verkleidung von Klostersingen,
König Ludwig als „der alte Herr“, Herr von Abel als Herr von Kain, Görres als
Jürgen, Lola als Carambola. Dem größeren Publikum, dem es besonders darauf
ankam, sich zeitgemäß zu unterhalten, musste diese lustige politische Komödie
vor allem andern gefallen. In Bezug auf den Verfasser ist sie von Interesse als
Spiegelbild einer humoristisch heitern Laune, die ihm keineswegs fehlte, wenn
sie auch nur verhältnismäßig selten aus der vorwiegend ernsten Grundstimmung
seines Geistes aufquoll. Nicht dass die übrigen „Märchen“ jener Laune absolut
entbehrtem, aber ohne Frage heben sie sich in höherem Grade ab von dem idealen
Hintergrunde der Sehnsucht und der Resignation.
Die Geschichte von König Ludwig und seiner Mätresse Lola Montez gibt's in
Theodor Althaus: Mährchen aus der Gegenwart
Theodor Althaus: Mährchen aus der Gegenwart
1822 – 26. Oktober 1822 - Theodor Althaus wird in Detmold geboren.
1840 - Abitur am Detmolder
Gymnasium
1840 / 1844 - Studium der Theologie in
Bonn und Jena, Philologie in Berlin
1844 - Ohne berufliche Perspektive
zurück im Elternhaus.
1845 - Vorträge in Detmold und Artikel
für die Bremer „Weser-Zeitung“
1846 - „Zukunft des
Christenthums“
1846 - „Eine Rheinfahrt im August“
1847 - Schriftsteller, Journalist und
Übersetzer in Leipzig
1848 - Korrespondent und leitender
Redakteur der „Bremer Zeitung“
1849 - Leitender Redakteur der
„Zeitung für Norddeutschland“ in Hannover
1849 - 14. Mai 1849 Gefängnis vor dem
Clevertor wegen Staatsverrat
1850 - Entlassung aus dem
Staatsgefängnis St. Godehard in Hildesheim
1850 - „Aus dem Gefängniß“
1851 - Lehrerstelle an der Hamburger
Hochschule für Frauen
1851 - Ausweisung aus
Hamburg
1852 – 2. April 1852 - Theodor Althaus
stirbt in Gotha.
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