Leseprobe aus: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland
Trauerspiel in Wien
[...]
Dabei hatte das
„Trauerspiel Oesterreich“ so vielversprechend begonnen mit einem
„Frühlingsschauer von Liebe, Dank, Jubel und stolzer Freude“, der Metternich, den
verhassten Drahtzieher des Deutschen Bundes, verjagt hatte. Althaus dachte an
seine vor der Knute Metternichs geflüchteten österreichischen Dichterfreunde in
Leipzig und deren Erzählungen von jungen Märtyrern der Freiheit und von Klagelauten
jenseits der schwarzgelben Schranken. In diesem Wiener Frühling war sowohl der
Zusammenhalt der österreichischen Volksgruppen als auch die Zugehörigkeit zu
Deutschland in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gegeben. Doch mit den
Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Volksgruppen und der militärischen
Einmischung der Deutschen war das gemeinsame Ziel völlig verwischt und für
Althaus in weite Ferne gerückt.
Und das
Trauerspiel hatte den Höhepunkt noch nicht erreicht. Die Stadt Wien wurde von
kaiserlichen Truppen unter Windischgrätz eingekesselt und am 31. Oktober 1848
zurück erobert. Zweitausend Todesopfer, viele Verletzte und schreckliche
Verwüstungen hatte der Aufstand gekostet. Und die herrschenden Rächer wüteten
gnadenlos mit Verhaftungen, Verhören und Todesurteilen.
Die
schockierendste Nachricht des Jahres war in der zweiten Ausgabe der „Bremer Zeitung“
vom Montag, dem 13. November 1848, zu lesen. Es war die Wiedergabe einer
amtlichen Bekanntmachung aus Wien, die jeden Freund der demokratischen Bewegung
in tiefster Seele traf:
„Mittelst
st a n d r e c h t l i c h e n
U r t h e i l s vom 8. d. M., ist R o b e r t B l u m, Buchhändler aus
Leipzig, überwiesen durch sein eigenes Geständniß, wegen aufrüherischen Reden
und bewaffneten Widerstande gegen die kaiserlichen Truppen in Folge der von S.
Durchlaucht dem k. k. Herrn F. M. Fürsten zu Windischgrätz unterm 20. und 23.
Oct. erlassenen Proclamationen
z u m
T o d e
v e r u r t h e i l t, und das Urtheil am 9. November 1848 Morgens
um halb acht Uhr in der Brigittenau mit
P u l v e r
u n d
B l e i
v o l l z o g e n w o r d e n.“
Das war weit schlimmer,
als Theodor Althaus es sich in seinen schlimmsten Visionen hätte vorstellen
können. Ein erschütternder Schlag mitten in das Herz. Gab es denn nur noch
Niederlagen? So sah die Konterrevolution aus. Es ging um Leben und Tod.
Robert Blum! Was
für ein Mann! Gelebte Überzeugung. Stark wie keiner. Wie konnte das passieren?
Es fiel Theodor Althaus schwer, an diesem Novembertag seine Gedanken zu ordnen,
doch den Nachruf war er seinem Freund schuldig. Sein bitterer Tod sollte nicht
umsonst gewesen sein.
Erst ein Jahr
war vergangen, seitdem Blum beim Schillerfest in Leipzig gewirkt hatte, als
Mann des Vertrauens, der das Volk aufhorchen ließ und der überzeugte. Dann die
Märznacht, als noch das revolutionäre Ungestüm Triumphe feierte und er im
kleinen Kreis die politischen Ziele seiner Gruppierung für das Vorparlament
festlegte, voller Hoffnung und Zuversicht. Drei Monate später, im Juni, als Führer der Linken seine Rede zur
Zentralgewalt, belächelt und verlacht und doch so wahr, vor allem der Schluss:
„Wollen Sie das
Himmelsauge der Freiheit brechen sehen und die alte Macht heraufführen:
s c h a f f e n Sie ihre
D i c t a t u r.“
War das nun
Wirklichkeit geworden? War nicht in der Zentralgewalt tatsächlich die alte
Macht wieder hervorgekommen? Sogar zur Diktatur geworden, wenn sie es in Kauf
nahm, dass ein vom deutschen Volke gewählter Vertreter für ein deutsches
Parlament, auf deutschem Boden ohne rechtliche Grundlage hingerichtet wurde?
Windischgrätz müsse sofort seines Kommandos enthoben, zur Verantwortung gezogen
und bestraft werden, verlangte Althaus in seinem Leitartikel am 14. November
1848.
E-Book und Taschenbuch: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland
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