Der August des Jahres 1846 bescherte wunderbare Sommertage. Der
fast vierundzwanzigjährige Theodor Althaus hatte sein Studium in Bonn, Jena und
Berlin beendet, hatte jedoch auf Grund seiner politischen und religiösen
Überzeugungen keine Chance auf eine Anstellung. Ihm blieb die Sprache in
Predigten, Vorträgen und dem geschriebenen Wort. Für seine längere Schrift „Die
Zukunft des Christenthums“, in der er seine progressiven religiösen
Vorstellungen ausführlich darstellte, hatte er einen Verleger gefunden. Und
nach Wanderungen im Harz und an der Weser zog es ihn an den Rhein, seinerzeit wichtiges
Symbol der deutschen Freiheitsbewegung.
Gerne erinnerte sich Althaus an seine Studienzeit an der Bonner
Friedrich Wilhelms Universität, an Weinfelder, das Siebengebirge, Burg
Rheinstein hoch über der Flusswindung, den schroffen Loreleyfelsen, die
glitzernden Wellen am Ufer und an den Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten, die
dasselbe Ziel verfolgten wie er: ein einheitliches demokratisches Deutschland,
in dem es allen Menschen gut ging, nicht nur den Königen und Fürsten.
In
Köln traf er Levin Schücking und Karl-Heinrich Brüggemann von der „Kölnischen
Zeitung“, Levin Schücking und ein paar Kilometer rheinaufwärts seinen Bonner
Dozenten Gottfried Kinkel, mit dem ihn
inzwischen eine enge Freundschaft verband.
Mit
dem Dampfboot fuhr er weiter flussaufwärts bis nach Bingen, unternahm eine mehrtägige
Wanderung entlang der Nahe bis nach
Kreuznach, wo er bei seinen Beobachtungen den Eindruck hatte, er stoße mit
jedem Schritt an eine „faule Frucht der Geschichte“. Die krassen Gegensätze
zwischen bestens ausgestatteten Kurgästen auf der Kreuznacher Promenade und den
schwitzenden Arbeitern mit zerschundenen Händen in den Weinfeldern waren ihm
unerträglich.
Hinter
Bad Münster am Stein ging es bergauf zur Ebernburg, wo er sich beim Gang
zwischen den Ruinen um einige Jahrhunderte zurück versetzt fühlte in die
Reformationszeit, als der Burgbesitzer Franz von Sickingen, Freund des Volkes
und Martin Luthers, hier gewohnt und entgegen allen Anfeindungen seiner
Fürstenkollegen, verfolgten Reformatoren Asyl gewährt hatte. Auch Sickingens
gleichgesinnter Freund, der Dichter Ulrich Hutten, war für lange Zeit dort oben
untergekommen. Diese besondere Bedeutung verschaffte der Burg den Beinamen
„Herberge der Gerechtigkeit“.
Eine weitere Unternehmung führte
den Wanderer in das wildromantische, zerklüftete Wispertal. Stundenlang ging er
allein, umgeben nur von der großartigen Natur, die doch klüger war als die
Menschen, die es nicht fertig brachten, diese Großartigkeit auch denen
zugänglich zu machen, die in Hütten hausten. Welch ein Widerspruch!
In dieser „Profeteneinsamkeit“
fochten die Gedanken in seinem Kopf einen fürchterlichen Kampf, der dann in
leidenschaftlicher Empörung mit Feder und Tinte zum Ausbruch kam. In den
sechsundneunzig Strophen von „Eine Rheinfahrt im August“ erinnerte der Autor an
die hochfliegenden Hoffnungen auf Freiheit und Gerechtigkeit, zeigte das
schwache Elend der vielen, die sich abquälten, damit wenige alle Reichtümer
besäßen und stellte fest, das „fluchbeladene Metall“ richte nur Unheil und
Blutvergießen an. Geld solle man besser im Rhein versenken wie den
Nibelungenschatz. Gleichzeitig war dieses Gedicht eine Hymne an den mächtigen
Fluss, der ruhig und unbeirrt seinen Weg nahm. An alle dem hatte der Rhein ja
keine Schuld. Er war der ungekrönte König und auf ihm ruhten seine Hoffungen auf
bessere Zeiten.
Die Zukunftsvision von Freiheit,
Liebe und Gerechtigkeit beherrschte Theodors gesamtes Denken, Fühlen und
Handeln. Für die Verwirklichung dieses Ideals würde er alles geben. Als wollte
er diesen Vorsatz besiegeln, taufte er sich eines Abends an einer Uferstelle
selbst mit klarem Rheinwasser.
Außer in den gereimten Zeilen „Eine Rheinfahrt im August“ bearbeitete
Theodor Althaus seine Erlebnisse während dieser Wanderungen in zwei
Erzählungen; „Herberge zur Gerechtigkeit“ und „Eine Nacht der Gegenwart“, die
er in der Anthologie „Mährchen aus der Gegenwart“ publizierte. Der letzte Text
in dieser kleinen Sammlung, überschrieben „Vom Rhein“, ist ein Auszug aus
Theodor Althaus längerer Schrift „Aus dem Gefängniß“ die er während seiner
Haftzeit im Staatsgefängnis in Hildesheim verfasste.
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