Am 1. Februar 1849 war es dann
so weit. Die Eröffnung der Ständeversammlung war für Hannover ein ganz
besonderer Tag. Schon früh am Morgen fuhren Kutschen durch die Straßen der
Stadt, um die Deputierten zum Eingang der Neustädter Hof- und Stadtkirche zu
bringen, in der um 10 Uhr morgens ein Gottesdienst mit einer Predigt von Konsistorialrat
Niemann stattfand. Anschließend ließen sich die Mitglieder zum Landschaftlichen
Gebäude in der Osterstraße fahren.
Theodor Althaus
war natürlich auf der Galerie des Ständesaales anwesend, als mittags um 2 Uhr
Graf Bennigsen im Auftrag des Königs Ernst August vor dem Plenum erschien und nach der
Verlesung einer Thronrede, in der die politischen Richtlinien der Regierung des
Königreichs Hannover dargelegt wurden, die Ständeversammlung eröffnete.
Zu dieser
Regierungserklärung könnten im Leitartikel „Die Hannoversche Thronrede“ am 2.
Februar 1849 eigentlich überwiegend erfreuliche Aussichten zur deutschen
Angelegenheit zu lesen sein. Demnach betrachtete es seine Majestät, König Ernst
August, als „eine heilige Pflicht für die Sicherheit und Wohlfahrt Deutschlands
keine Opfer zu scheuen“.
Das hörte sich
gut an, wäre da nicht ein dunkler Punkt in den Ausführungen gewesen. Die
Thronrede enthielt eine Solidaritätserklärung
der hannoverschen Regierung für Preußen. Das fiel schwerer ins Gewicht
als diffuse Beteuerungen in salbungsvollen Worten. In vorangegangenen Artikeln
hatte Althaus es bereits fertig gebracht, den Nebel um die preußische Note vom
23. Januar 1849 zu lichten und den politischen Inhalt auf den Punkt zu bringen.
Wie Österreich, verwehrte Preußen der deutschen Zentralgewalt die Akzeptanz und
stellte somit die Kompetenz der Nationalversammlung in Frage. Das bedeutete auch
eine Ablehnung des mehrheitlich favorisierten Vorschlags von Gagerns, der nach
dem Rücktritt von Schmerling das Amt des Reichsministerpräsidenten übernommen
hatte.
Ministerpräsident
von Gagern plädierte für die kleindeutsche Lösung, d.h. einen deutschen Bundesstaat
zunächst ohne Österreich und dafür, einen Kaiser an die Spitze des Reiches zu
wählen. Alles andere hielten er und die parlamentarische Mehrheit zu der Zeit
für nicht realisierbar. Preußen lehnte das ab.
Und wie sollte
ein deutscher Nationalstaat gegen die Widerstände von Preußen realisiert werden?
Wenn man vor diesem Hintergrund die Solidaritätserklärung der hannoverschen
Regierung für Preußen betrachtete, wurde klar, wie tiefdunkel der kritische
Punkt in dieser Thronrede war. Hannover half nicht nur der deutschen Sache
nicht aus dem Sand, sondern schob sie noch weiter hinein.
Althaus appellierte
an die Ständeversammlung, trotzdem einen Konsens anzustreben und sich als
gewählte Volksvertreter im Königreich Hannover primär und vehement für das
wichtigste Ziel einzusetzen: Die Verwirklichung von „Reich und Reichgesetz“,
das hieß konkret, die seit dem 21. Januar 1849 ausstehende offizielle
Anerkennung und Publizierung der am 28. Dezember 1848 im Reichsgesetzblatt
verkündeten Grundrechte des deutschen Volkes einzufordern..
Seinem Vater
schrieb Theodor am 2. Februar 1849, das Zusammenkommen der hannoverschen Stände
habe frische Bewegung in sein Leben gebracht, was einerseits vermehrte Arbeit
bedeutete, jedoch andererseits das Knüpfen neuer Kontakte ermöglichte. Insbesondere
erwähnte er den Göttinger Literaten Adolf Ellissen, der in der
Ständeversammlung als progressiver Geist eine wichtige Rolle spielte und Otto
von Reden, dessen Erfahrungen als früherer preußischer Ministerialrat ihm einen
Blick hinter die Kulissen der Verwaltung gewährte.
Wegen der
unverschnörkelten Botschaften in seinen Artikeln hatte der leitende Redakteur
des fortschrittlich orientierten Blattes bereits in den wenigen Wochen seit
Erscheinen viel Aufmerksamkeit im positiven Sinne auf sich gezogen. Seiner
Schwester vermeldete er im Brief nach Detmold eine erfolgreiche Entwicklung
seiner Zeitung, die noch gesteigert werden könnte, wenn die Hannoversche Post
schneller wäre und die Abläufe im Druck- und Verlagshaus Jänecke verbessert
würden. „Wie oft habe ich es gesagt:
könnte ich mich in des Himmels Namen nur verdoppeln oder verdreifachen! Zweimal würde ich mich für
die Redaction engagiren und einmal für die Druckerei.“
Die gewählten
Ständevertreter aus dem gesamten Königreich
sowie einige vom König ernannte Regierungsvertreter tagten, eingeteilt im
Zweikammersystem, fast täglich im Landschaftlichen Gebäude, das in Hannover
auch Ständehaus genannt wurde.
Die erste Kammer
mit 68 Mitgliedern bestand überwiegend aus Abgeordneten der größeren
Grundeigentümer, einigen von Handel und Gewerbe und einige Vertreter der
evangelischen Geistlichkeit. In der zweiten Kammer waren mit 82 Mitgliedern fast
alle Gesellschaftsschichten vertreten, vom Schuhmacher über den Deichvorsteher,
Gastwirt, Oberförster, Ackermann, Amtsassessor, Schulheiß bis zum Advokaten.
War schon die
Thronrede der Regierung im Zusammenhang mit den Grundrechten und der zu
erwartenden Reichsverfassung mehr als unbefriedigend ausgefallen, so
beobachtete man das Geschehen in den Sitzungen der Stände mit entsprechend
hohen Erwartungen und großen Hoffnungen.
In Anbetracht
einer Fülle von eingegangenen Gesetzesvorlagen hielten die meisten Deputierten es
für äußerst wichtig, die deutsche Frage nicht auf die lange Bank zu schieben,
sondern möglichst vor allen anderen anzugehen. Deshalb bildete man eine
Kommission aus je sieben Mitgliedern pro Kammer mit dem Ziel, eine
entsprechende Adressschrift an die Regierung auszuarbeiten, eine Aktion, an der Adolf Ellissen maßgeblich
beteiligt war.
Leseprobe aus:
Renate Hupfeld, Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland
Renate Hupfeld, Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland
Taschenbuch bei http://www.text-und-byte.de/
E-Book bei Amazon: Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen