Mit dem erfreulichen Votum der
zweiten Kammer waren jedoch keinesfalls Fakten im Zusammenhang mit der
Publizierung der Reichsgesetze im Königreich Hannover geschaffen. Alle hofften,
das Votum würde nach dem demokratischen Prinzip eine Auseinandersetzung nach
sich ziehen.
Doch auch dieser
Möglichkeit, aufeinander zuzugehen und einen Konsens zu schaffen, setzte das
Ministerium einen Riegel vor. Am folgenden Tage reichten alle Minister bei
König Ernst August ihre Entlassung ein.
Wie war dieser
Rücktritt zu verstehen? Waren es
Gewissensgründe, war es Ratlosigkeit oder war es eine taktische Inszenierung?
Das fragte sich
auch Althaus, der sich in Artikeln am 22. und 23. Februar das Geschehen vornahm.
Inzwischen gab es nach einer kurzen Erklärung Stüve’s im Ständesaal ein
weiteres Votum der zweiten Kammer, in der das Ministerschreiben vom 10. Februar
mit 56 gegen 18 Stimmen ebenso klar abgelehnt und somit dem Ministerium von den
gewählten Volksvertretern indirekt das Misstrauen ausgesprochen wurde.
„Die
Ministerkrisis in Hannover“ sah Althaus, ausgehend von der tiefgreifenden
Abkehr Österreichs und Preußens von der durch die Revolution in Gang gesetzten
nationalen Entwicklungen, in Folge den Irritationen einiger kleinerer Staaten
wie Württemberg, Kurhessen, Sachsen, Bayern und jetzt in Hannover als Schwankungen
durch den Konflikt zwischen „hemmenden
Reaktionären“ und „treibenden Demokraten“.
Auf Stüve’s
Kampf gegen die zweite Kammer bezogen sah Althaus den Gegensatz zwischen „altconstitutioneller Doctrin“ und
„auflebender Demokratie“ auf die Spitze getrieben, die Abkehr vom Prinzip der Volkssouveränität
zugunsten der Souveränität des Königs.
Wie sollte es in
Hannover weitergehen? König Ernst August reagierte zögerlich, indem er
antwortete, er könne die Entlassung erst annehmen, wenn er in der Lage sei, ein
entsprechendes neues Ministerium einzusetzen.
Im weiteren
Verlauf der Ministerkrisis kam es zu dem Geschehen, das Althaus im Artikel „Die
Tragicomödie vom 8. März“ thematisierte. Der Advokat Grotefend hatte zu einer
Kundgebung aufgerufen, in der demonstriert werden sollte, das hannoversche Volk
stehe hinter dem derzeitig noch im Amt befindlichen Ministerium. Eine Abordnung
sollte dem König eine Petition überbringen mit der Bitte, das Ministerium unter
allen Umständen beizubehalten.
Es kam jedoch
trotz intensiver Werbebemühungen in Stadt und Land nur ein kleines Häuflein
Menschen, die sich mit diesem Anliegen identifizieren konnten. Andererseits gab
es eine Gegendemonstration von Grundrechtsverfechtern, die mit hämischen
Bemerkungen und Rufen Unruhe stifteten. Weil er fürchtete, man könnte diese
Unruhe dem hannoverschen Volksverein anlasten, versuchte Adolf Mensching, der
am 21. Januar 1849 zur Feier für die Anerkennung der Grundrechte aufgerufen
hatte, auf die Menge beschwichtigend einzuwirken, indem er die Unruhestifter
aufforderte, sich zurückzunehmen.
In seinem Blatt
stellte Althaus die Veranstaltung als versuchte und missglückte Gegendemonstration
zur Feier der Grundrechte im Januar dar und spottete, dass in der Leinstraße
auf dem Weg zum Schloss das Häuflein so zusammengeschrumpft sei, dass „das zu der imposanten Feier bestellte
Musikcorps nur zur absichtlichen Persiflage“ diente. Er vergaß auch nicht zu
erwähnen, dass die Angelegenheit für einen der Anwesenden rechtliche Folgen
hatte. Damit meinte er wohl Dr. Adolf Mensching vom Volksverein. Der wurde
verhaftet, verhört und von der königlichen Polizeidirektion Hannover wegen „Erregung
eines Auflaufs oder Theilnahme an demselben“ zu drei Wochen Gefängnis
verurteilt.
Mensching
verbüßte die Strafe im Hannoverschen Stadtgefängnis. Die Vorgänge um seine
Verhaftung schilderte er in einer Broschüre, um zu zeigen, wie weit das
Königreich Hannover vom Zustand eines Rechtsstaates entfernt war.
Auch Theodor
Althaus bekam Schwierigkeiten mit den hannoverschen Polizeibehörden. Er wurde
wegen Beleidigung des Ministeriums zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt, gegen
deren Verbüßung sein Advokat jedoch Aufschub erreichte. Seine kritische Haltung
gegenüber Stüve und seinen Ministerkollegen sowie entsprechende Publikationen
in seinem Blatt änderte er jedoch nicht.
Leseprobe aus:
Renate Hupfeld, Theodor Althaus - Revolutionär in Deutschland
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